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#Nach der Befreiung Chersons: Die ukrainische Realität

„Nach der Befreiung Chersons: Die ukrainische Realität“

Die offenbar fehlgeleitete Rakete auf polnisches Gebiet hat die westliche Öffentlichkeit in der vergangenen Woche zu Recht stark beschäftigt. Immerhin geht es hier um die Frage, ob der Ukrainekrieg auf die NATO übergreift, und sei es nur aus Versehen. Wenig beruhigend ist, dass es der amerikanischen Militärführung in den kritischen Stunden nach dem Einschlag offenbar nicht gelang, einen direkten Kontakt mit dem russischen Generalstabschef herzustellen. Die „Professionalität“, die der Kremlsprecher der amerikanischen Regierung am nächsten Tag gönnerhaft bescheinigte, fehlte in Moskau. Dass Deutschland nun ein Patriot-Abwehrsystem an Polen liefern will, ist eine sinnvolle und wichtige Hilfe unter Verbündeten.

Letztlich aber war der Vorfall nur ein kleines Detail an einem Tag, der eine andere grundlegende Erkenntnis bereithielt: Russland führt den Krieg trotz jüngster Rückschläge an der Front mit unverminderter Härte weiter. Mit dem größten Luftangriff seit Beginn der Invasion demons­trierte Putin nicht nur der G-20-Runde auf Bali, dass er nicht vorhat, von der Ukraine abzulassen. Alles andere wäre auch überraschend, denn sein persönliches Schicksal ist aufs Engste verknüpft mit dem Fortgang des Krieges.

Die Moral der Ukraine wird gestärkt

Die russische Luftkampagne dient nicht nur der Zerstörung ziviler In­frastruktur. Putins Befehlshaber versuchen offenbar gezielt, die ukrainische Luftabwehr abzunutzen, um etwas gegen einen der größten russischen Nachteile zu tun: die fehlende Lufthoheit über die Ukraine. Die Wucht der jüngsten Angriffswelle zeigt, dass den Russen die Munition dafür nicht ganz so schnell ausgegangen ist, wie das im Westen vielfach vermutet wurde.

Das relativiert ein wenig den russischen Abzug aus Cherson. Aus politischer Sicht war er ein großer Erfolg für die Ukraine. Dass die Invasoren die einzige Gebietshauptstadt, die sie nach dem 24. Februar erobern konnten, aufgeben mussten, und das nur kurz nach der Annexion, wird die Moral der Soldaten und der Bevölkerung in der Ukraine stärken.

Dass diese Niederlage aber auch Putin daheim schwächen wird, ist nicht gesagt. Russland ist so sehr zu einem Zwangs- und Propagandastaat geworden, dass schlechte Kriegsnachrichten zumindest in der Bevölkerung derzeit keine mobilisierende Wirkung haben. Und im Machtapparat war der Abzug erkennbar gut vorbereitet. Die nationalistischen Kremlkritiker tanzten diesmal nicht aus der Reihe.

Der Dnipro als natürliche Barriere

Aus militärischer Sicht ist der Rückzug auf das linke Ufer des Dnipros für die russischen Streitkräfte sogar von Vorteil, weil der Fluss eine natürliche Barriere bietet. Es gibt westliche Schätzungen, dass die russische Armee bis zur Hälfte der aus Cherson abgezogenen Einheiten an andere Frontabschnitte verlegen kann, vor allem im Donbass. Das würde ihr Entlastung in einer Phase verschaffen, in der sie ihre Reihen noch durch die jüngste Mobilisierung auffüllt. Dass die Russen mit zu wenigen Soldaten auf zu großem Gebiet operierten, gilt als eines ihrer anderen großen Probleme.

Deshalb können die ukrainischen Streitkräfte trotz ihrer bemerkenswerten Erfolge vor Kiew sowie im Osten und Süden des Landes in absehbarer Zeit nicht mit einem Sieg gegen die Invasoren rechnen. Noch immer halten die Russen einen breiten Korridor von Luhansk bis zur Krim, der für die Sicherheit und Wirtschaft der Ukraine von höchster Bedeutung ist. In westlichen Analysen wird für die nächsten Monate ein weiterer Abnutzungskrieg erwartet.

Diese Aussicht hat in der amerikanischen Führung zum ersten Mal zu einem offenen Dissens über die weitere Strategie geführt. Mark Milley, als Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs oberster militärischer Berater des Präsidenten, plädiert für eine di­plomatische Lösung. Er glaubt nicht daran, dass die Ukrainer die Russen demnächst ganz aus ihrem Land (einschließlich der Krim) vertreiben können. Offenbar befürchtet der General eine Entwicklung wie im Ersten Weltkrieg, wo ein langer Stellungskrieg hohe Verluste, aber keine Entscheidung brachte. Biden dagegen zieht sich weiter auf die Formel zurück, die Ukrainer hätten selbst zu entscheiden, wann und wie sie verhandeln wollten.

Wenn sie in Washington stattfinden, können solche Debatten größere Folgen haben als in Europa. Mit Tapferkeit allein werden die Ukrainer den Russen nicht widerstehen. Die politische, finanzielle und vor allem militärische Unterstützung der westlichen Führungsmacht ist für sie überlebensnotwendig. Dass das Repräsentantenhaus nun an die Republikaner fällt, deren trumpistische Fraktion weitere Hilfen für die Ukraine kritisch sieht, wird die Sache für Biden nicht einfacher machen. Mehr denn je hängt der Ausgang des Krieges nicht nur davon ab, ob die Ukrainer oder die Russen länger durchhalten, sondern auch, wie weit Amerikas Geduld reicht.

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