Nachrichten

#„Nichts anderes als ein schleichender Tod“

Inhaltsverzeichnis

„Nichts anderes als ein schleichender Tod“

Zweimal haben sie ihn schon geschnappt. Auf hoher See, auf dem Weg nach Zypern. „Ich werde es wieder versuchen, sobald ich das Geld aufgetrieben habe“, sagt der Mann, der als Abu Schamlah zitiert werden möchte. Zu sehr fürchtet er die libanesischen Behörden und die Schleuser. Er wisse von mindestens einem, dem es nicht gut bekommen sei, nach der gescheiterten Überfahrt offenherzig mit der Presse zu reden. Der Deckname klingt älter als Abu Schamlah, Mitte zwanzig, in Wirklichkeit ist. Er sieht aus wie viele in seinem Viertel: zerschlissene Turnschuhe, abgewetzte Röhrenjeans, abgetragenes T-Shirt. Und wie viele in seinem Viertel hat er keine Hoffnung mehr, in seiner Heimatstadt Tripoli ein einigermaßen anständiges Leben zu führen. „Das hier ist nichts anderes als ein schleichender Tod“, sagt er. Dann lieber die gefährliche Flucht übers Meer.

Christoph Ehrhardt

Der junge Mann hat immer wieder versucht, festen Boden unter die Füße zu bekommen, seit er vor gut anderthalb Jahren seinen Job in der Fabrik verlor. Dort hatte er – für ihn waren es gute Zeiten – umgerechnet rund sieben Euro am Tag verdient. „Aber jedes Mal wird einem in diesem Land ein neuer Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagt Abu Schamlah. Er hat Metallschrott gesammelt, bis er niemanden mehr fand, der ihn kaufte. Er hat als Fischer gearbeitet, bis der Diesel für das Boot ausging. Er ist Taxi gefahren, bis er sich nicht mal mehr das subventionierte Benzin leisten konnte.

Probleme, alle satt zu bekommen

Seine Mutter ist die Einzige in der Familie, die als Haushaltshilfe etwas Geld nach Hause bringt. Sie haben eine kleine Wohnung in einem heruntergekommenen Haus in der Vorstadt Al Mina, die auf jener Halbinsel liegt, von der viele Boote abfahren. Ein Dutzend Familienmitglieder leben in drei kleinen Zimmern. Der geöffnete Kühlschrank zeugt von den Schwierigkeiten, sie alle satt zu bekommen. Selbst das Leben in einer Flüchtlingsunterkunft stellt sich Abu Schamlah angenehmer vor als sein jetziges im Libanon.

Ein junger Libanese, dessen Flucht nach Zypern übers Mittelmeer gescheitert ist, nach seiner Rettung zurück in Tripoli im September.


Ein junger Libanese, dessen Flucht nach Zypern übers Mittelmeer gescheitert ist, nach seiner Rettung zurück in Tripoli im September.
:


Bild: AP

Für die meisten Libanesen wäre die etwa 160 Kilometer weite Überfahrt nach Zypern vor nicht allzu langer Zeit ein schier undenkbarer Verzweiflungsakt gewesen. Auch Abu Schamlah kann sich an Zeiten erinnern, in denen er eher Mitleid mit denen empfand, die von den Stränden im Norden in See stachen. Lange waren es vor allem syrische Flüchtlinge. Jetzt aber steckt der Libanon in der wohl schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Der Staat ist bankrott und bricht zusammen, der Wert der Landeswährung verfällt immer weiter und damit auch die Kaufkraft der Menschen. In Tripoli, der zweitgrößten Stadt des Libanons, fristen mehr als zwei Drittel der Bevölkerung ein Dasein unterhalb der Armutsgrenze. Gelegenheitsarbeiter und Tagelöhner wie der junge Mann haben längst mehr mit den syrischen Flüchtlingen gemeinsam als mit den gut ausgebildeten Landsleuten aus der erodierenden Mittelschicht. Und immer mehr von ihnen nehmen die Risiken einer Flucht über das Meer in Kauf. Die Vereinten Nationen haben im September 18 Überfahrten gezählt – im ganzen vergangenen Jahr waren es nur 17. Und die Zahl dürfte mit dem täglichen Überlebensdruck weiter steigen.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!