Wissenschaft

#Nordwest-Grönland war vor 400.000 Jahren eisfrei

Düstere Zukunft im Spiegel der Vergangenheit: In einer globalen Warmphase vor rund 400.000 Jahren war der dicke Eispanzer im Nordwesten Grönlands etwa 16.000 Jahre lang verschwunden. Dies geht aus neuen Analysergebnissen eines Bohrkerns aus der geheimen Militärbasis „Camp Century“ hervor. Zum Abschmelzen hatte eine globale Durchschnittstemperatur geführt, auf die wir momentan im Rahmen des anthropogenen Klimawandels erneut zusteuern, sagen die Forscher. Das bedeutet Flutgefahr: Den Berechnungen zufolge hatte der Eisverlust in Grönland zu einer Meeresspiegelerhöhung um mindestens 1,4 Meter beigetragen.

Es wirkt wie ewiges Eis: Auch Geologen gingen lange davon aus, dass der kilometerdicke Eispanzer im Nordwesten Grönlands über Jahrmillionen hinweg den wärmeren Perioden der Erdgeschichte trotzen konnte. Doch vor etwa zwei Jahren präsentierten dann Forscher Hinweise darauf, dass dies nicht der Fall war. Ihre Ergebnisse basierten auf der Untersuchung eines Eis- und Sediment-Bohrkerns, der in den 1960er Jahren in der geheimen Militärbasis „Camp Century“ der US-Armee gewonnen worden war, die sich im Eis der Nordpolarregion befand. Pflanzliche Überreste im Sediment dokumentierten, dass sich einst eine Tundra erstreckte, wo heute eine kilometerdicke Eisschicht liegt. Aus einer groben Datierung ging dabei bereits hervor, dass die Erdoberfläche irgendwann in den letzten 1,1 Millionen Jahren freigelegen hatte.

Wann breitete sich die Tundra aus?

Wann genau und für wie lange blieb allerdings unklar. Diese Informationen sind jedoch wichtig, um das Ereignis in klimageschichtliche Zusammenhänge einordnen zu können. Denn das Verständnis der Vergangenheit Grönlands ist entscheidend für die Einschätzung, bei welchen klimatischen Bedingungen es für den Erhalt der grönländischen Eismassen kritisch werden könnte. Nun hat das internationale Forscherteam um Andrew Christ von der University of Vermont in Burlington für ein klareres Bild der eisfreien Periode im Nordwesten Grönlands gesorgt.

Sie unterzogen das Material des historischen Bohrkerns dazu einer Datierung mittels der sogenannten Lumineszenztechnologie. Sie beruht darauf, dass Licht beziehungsweise Dunkelheit zu bestimmten Veränderungen in Sedimentbestandteilen führt. Durch moderne Nachweisverfahren lässt sich dies als eine Art Uhr-System nutzen, um anzuzeigen, wann Sedimente das letzte Mal der Sonne ausgesetzt waren – im konkreten Fall also nicht von Eis bedeckt waren. Zusätzlich unterzogen die Forscher Quarzkristalle aus den Sedimenten einer speziellen Analysetechnik. Wie sie erklären, geht aus bestimmten Verhältnissen von Isotopen der Elemente Beryllium und Aluminium hervor, wie lange das Material dem Himmel und damit kosmischer Strahlung ausgesetzt war.

Datierung mit Botschaft

So konnten die Forscher zeigen: Die pflanzenbewachsene Tundra existierte an dem heute dick von Eis überlagerten Ort vor rund 416.000 Jahren. Was die Dauer der eisfreien Zeit betrifft, zeichneten sich in den Analyseergebnissen etwa 16.000 Jahre ab. „Es handelt sich damit nun erstmals um einen validen Beleg dafür, dass ein Großteil des grönländischen Eisschildes verschwand, als es einst warm wurde“, sagt Co-Autor Paul Bierman von der University of Vermont. Der Eisverlust lässt sich nun auch einer bereits bekannten Warmphase zuordnen, sagen die Wissenschaftler: dem sogenannten Marinen Isotopenstadium 11 (MIS 11). Bemerkenswert ist dabei, dass frühere Ergebnisse darauf hindeuten, dass diese Zwischenzeit von Durchschnittstemperaturen geprägt war, die nur wenig höher lagen als heute.

Die Ergebnisse legen somit nahe, dass die Eisdecke auf Grönland möglicherweise empfindlicher auf den vom Menschen verursachten Klimawandel reagieren könnte als bisher angenommen: „Wenn eine mäßige Erwärmung im Verlauf des MIS 11 zu einem Eisverlust in Grönland geführt hat, dann wird eine schnelle, anhaltende und beträchtliche anthropogene Erwärmung der Arktis wahrscheinlich ebenfalls zum Schmelzen des grönländischen Eisschildes führen, den Meeresspiegel ansteigen lassen und zusätzliche Klima-Rückkopplungen in den kommenden Jahrhunderten auslösen“, schreiben die Wissenschaftler.

Auf der Grundlage von Modellberechnungen liefern sie auch eine Einschätzung dazu, wie sich das Abschmelzen der gigantischen Eismassen in Grönland vor 400.000 Jahren ausgewirkt hat. Demnach könnte der Wasserzufluss 1,4 Meter, vielleicht aber sogar bis zu sechs Meter zum globalen Meeresspiegelanstieg im Rahmen der MIS 11 Warmzeit beigetragen haben.

Damals gab es allerdings noch keine Städte an den Küsten, die nun von Fluten bedroht werden. „Wenn nur Teile des grönländischen Eisschildes schmelzen, wird der Meeresspiegel drastisch ansteigen“, betont Co-Autor Tammy Rittenour von der Utah State University in Logan. „Und dann denke man an all die globalen Bevölkerungszentren, die sich im Bereich des Niveaus des Meeresspiegels befinden“, so der Wissenschaftler.

Quelle: University of Vermont, Fachartikel: Science 10.1126/science.ade4248

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