#Olaf Scholz im Interview: „Viele Löhne eine Beleidigung“
„Olaf Scholz im Interview: „Viele Löhne eine Beleidigung““
Herr Scholz, Sie haben Ende September gesagt, als Minister beschäftigten Sie sich mit guter Politik, nicht mit einem zweiten Lockdown. Der ist jetzt da. War Ihre Politik schlecht?
Heike Göbel
Verantwortliche Redakteurin für Wirtschaftspolitik, zuständig für „Die Ordnung der Wirtschaft“.
Nein. Mit unserer Politik haben wir dazu beigetragen, dass Deutschland bislang besser durch die Krise gekommen ist als viele andere Länder – sowohl was die gesundheitlichen als auch die ökonomischen Folgen der Pandemie angeht. Nun zwingen uns die bedrohlich steigenden Infektionszahlen aber dazu, mit gezielten und zeitlich befristeten Beschränkungen zu reagieren, um die Kontrolle zu behalten. Die Lage ist sehr ernst, und wir treffen die nötigen Entscheidungen.
Zieht das dieses Jahr oder nächstes Jahr eine höhere Neuverschuldung nach sich?
Für dieses Haushaltsjahr müssen wir den Rahmen nicht erweitern. Dafür reicht der Topf der Überbrückungshilfen aus. Was die Neuverschuldung 2021 angeht, habe ich einen Regierungsentwurf vorgelegt, der im Bundestag beraten wird. Mein Entwurf sieht eine Neuverschuldung von 96,5 Milliarden Euro vor. Nun hat der Haushaltsgesetzgeber das letzte Wort.
Was machen Sie mit den Solo-Selbständigen? Verweisen Sie die weiterhin auf Hartz IV?
Zunächst ist mir wichtig, dass wir für Solo-Selbständige zu Beginn der Pandemie den Zugang zur Grundsicherung erleichtert haben. Niemand muss sein komplettes Vermögen einsetzen, seine Altersvorsorge antasten oder aus seiner Wohnung ausziehen, weil er in der Krise staatliche Hilfe erhält. Solo-Selbständige, die direkt von den Schließungen betroffen sind, profitieren auch von der außerordentlichen Wirtschaftshilfe im November. Sie können ihren Umsatz aus dem Vorjahresmonat geltend machen und erhalten 75 Prozent erstattet. Die Erfahrungen aus der Pandemie bestärken mich in dem Wunsch, die Grundsicherung weiterzuentwickeln zu einer solidarischen Absicherung aller Bürgerinnen und Bürger. Die Idee folgt dem Philosophen Rawls – er hat empfohlen, eine Gesellschaft so zu konzipieren, dass sie gerecht bleibt, unabhängig von der Frage, ob man darin als reicher oder ärmerer Mensch lebt. Unser soziales Auffangnetz sollte so konzipiert sein, dass es für Bürgerinnen und Bürger akzeptabel ist, die immer alles richtig gemacht haben, aber plötzlich ins Unglück gestürzt sind. Dieser Reformimpetus reicht weit über die jetzige Krise hinaus.
Der erleichterte Zugang zu Hartz IV soll also dauerhaft und für alle gelten?
Wir wollen das, was man unter „Hartz IV“ versteht, im Sinne eines solidarischen Bürgergeldes reformieren. Das bisherige System ist zu restriktiv und zu wenig emanzipatorisch. Es geht darum, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im rasanten Strukturwandel zu unterstützen. Und um Respekt vor beruflicher Erfahrung. Wir brauchen Fachkräfte und damit das Recht, einen neuen Berufsabschluss zu machen. Und wer aus dem Arbeitslosengeld in die Grundsicherung fällt, bei dem sollte nicht gleich das ja oft bescheidene Vermögen und die Angemessenheit der Wohnungsgröße überprüft werden.
Wer schützt die Steuerzahler, wer achtet auf die Kosten?
Die Leserinnen und Leser der F.A.Z. dürfen sich darauf verlassen, dass wir ein klug durchgerechnetes Konzept für das solidarische Bürgergeld präsentieren werden. Und dann darf die F.A.Z. das Vorhaben gerne feiern …
Da möchten wir erst die Kosten wissen. Sagen Sie eine Hausnummer? Die Grünen sind mutiger.
Es geht nicht in erster Linie um Geld, sondern um die grundsätzliche Zielrichtung des Systems. Es sollte so konzipiert sein, dass es ermutigt, wenn man in seinem beruflichen Mühen mal einen Rückschlag erleidet. Die Pandemie zeigt doch gerade auf eindrucksvolle Weise, wie schwer berechenbar das Leben sein kann.
Eine Ermutigung sollte auch die Mehrwertsteuersenkung sein. Was hat sie gebracht?
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