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#Orientierung in stürmischen Zeiten

Orientierung in stürmischen Zeiten

Seit den Anschlägen von Halle und Hanau ist die Gefährlichkeit des Rechtsextremismus in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Das recht neue Phänomen des islamistischen Antisemitismus, der sich an manchen deutschen Schulen manifestiert, bleibt demgegenüber eher unterbelichtet. Im Zuge der Gedenkminute für den von Islamisten bedrohten und schließlich ermordeten Geschichtslehrer Samuel Paty kam es in Frankreich zu rund 800 „Vorfällen“, die den Ausschluss von mehr als 170 Schülern vom Unterricht zur Folge hatten.

Diesseits des Rheins lief die Schweigeminute für Paty zumeist würdevoll ab, aber auch hier gab es Schüleräußerungen wie „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ oder „Selbst schuld, dass er hingerichtet wird, wenn er so provoziert“. Schüler fragten verharmlosend, weshalb es dann nicht auch eine Schweigeminute für die Erdbebenopfer von Izmir gebe. Das kam vor allem in Brennpunktschulen vor. Genaue empirische Daten fehlen bisher.

Dabei gibt es auch hier Entwicklungen, die uns Sorge bereiten müssen. Schon nach den Terroranschlägen in Paris im Jahr 2015 berichtete eine Kollegin, wie an ihrer Schule im Ruhrgebiet eine Gedenkminute für die Opfer abgehalten werden sollte. Zwei muslimische Schüler durchbrachen die Stille im Klassenraum jedoch durch ein lautes „Allah Akbar“, woraufhin fast die gesamte Klasse in die Rufe einfiel. Andere Lehrer mussten feststellen, dass manche ihrer Schüler über keine andere Religion als den Islam sprechen wollten. Im Geschichtsunterricht schnitten sie aus den verteilten Arbeitsblättern das Wort „Jude“ heraus oder strichen es durch. Einzelne Kollegen berichteten von muslimischen Schülern, die dem Nationalsozialismus und Hitler offene Sympathie entgegenbringen. Nach Aussage einer Kollegin jubelten manche bei der Behandlung der Kreuzzüge, wenn „ihre“ Partei einen Sieg davongetragen hatte.

Historischer Analphabetismus in Zeiten der Pandemie

So wichtig die Diskussion um den pädagogischen Umgang mit Rechts- und Links- und eben islamistischem Extremismus ist, so sehr lenkt sie zugleich ab von den eigentlichen Problemen des Geschichtsunterrichts. Größere Sorgen als die praktische Umsetzung einer reinen Extremismusprävention – so unerlässlich diese auch ist – bereitet Geschichtslehrern, dass die Bedeutung der Freiheit von einer wachsenden Zahl von Menschen nicht mehr recht verstanden wird. Dass Heilsversprechen teils attraktiver scheinen als anstrengender Meinungsstreit und mühsames Suchen nach Kompromissen. Dass allerorten die Sehnsucht wächst nach einfachen Antworten auf komplexe Herausforderungen – auch unter jungen Menschen.


Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie schien der historische Analphabetismus um sich zu greifen: Ein Mädchen fühlte sich so isoliert „wie Anne Frank“, weil sie ihren Kindergeburtstag nicht wie geplant feiern durfte. Eine 22 Jahre alte Studentin stilisierte sich in ihrem Freiheitskampf gegen Robert-Koch-Institut und Bundesregierung als neue Sophie Scholl – und die stärkste Oppositionspartei im Bundestag verglich das aktuelle Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz aus dem März 1933.

Im Geschichtsunterricht lernen Schüler, wie absolutistische und totalitäre Regierungen in der Vergangenheit mit politischen Gegnern, Minderheiten und Andersdenkenden umgegangen sind, welche Bedeutung der Kampf für und um die Menschen- und Bürgerrechte deshalb hat und wie hier versucht wird, aus der Geschichte für die Gegenwart und Zukunft zu lernen. Wer das verstanden und verinnerlicht hat, fällt auf das Gerede von einer angeblich aufziehenden neuen „(Corona-)Diktatur“ jedenfalls nicht herein. Geschichtsunterricht soll für Menschen- und Freiheitsrechte sensibilisieren und skeptisch machen gegenüber einfachen Antworten, Halbwahrheiten und Manipulationen. Er soll Schüler zum eigenständigen und verantwortungsbewussten Urteilen befähigen.

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