Wissenschaft

#Parkinson-Medikament gegen ALS?

Bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS) gehen die motorischen Nervenzellen nach und nach verloren, sodass sich die Betroffenen immer weniger bewegen können und schließlich sterben. Bislang ist die Krankheit nicht heilbar und kaum therapierbar. In einer klinischen Machbarkeitsstudie haben Forschende nun untersucht, ob ein Medikament, das seit langem gegen Parkinson im Einsatz ist, auch das Fortschreiten von ALS verlangsamen kann. Obwohl die Wirksamkeit gegen ALS aufgrund der geringen Probandenzahl unklar ist, weist die Studie auf mögliche Wirkmechanismen hin und legt nahe, dass das Medikament auch bei ALS-Patienten ein günstiges Sicherheitsprofil hat. Größere Studien sollen folgen.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine degenerative Erkrankung des Nervengewebes, die zu fortschreitenden Muskellähmungen führt. Bisher ist die Krankheit nicht heilbar und es gibt keine ursächlichen Behandlungen. Bisherige Therapien können das Fortschreiten der Krankheit nur in geringem Maße verlangsamen und konzentrieren sich darauf, die Symptome zu lindern. Ein Problem in der Erforschung neuer Medikamente ist, dass die Ergebnisse aus Tiermodellen für neurologische Erkrankungen nur in begrenztem Maß auf den Menschen übertragbar sind.

Hinweise aus Zellkulturen

Ein Team um Satoru Morimoto von der Keio University School of Medicine in Tokio hat daher einen anderen Ansatz genutzt: Statt sich auf Tiermodelle zu verlassen, nutzten sie induzierte pluripotente Stammzellen von ALS-Patienten und züchteten daraus Motoneuronen, also genau jene Nervenzellen, die die Muskelaktivität steuern und die durch die Krankheit geschädigt werden. An diesen testeten sie verschiedene Wirkstoffe – und stellten fest, dass ein Medikament namens Ropinirol, das bereits erfolgreich gegen Parkinson eingesetzt wird, zumindest im Labor die Schädigung der Motoneuronen verlangsamte. Bei Ropinirol handelt es sich um einen sogenannten Dopamin-Agonisten, der an die gleichen Rezeptoren bindet wie der Botenstoff Dopamin.

Um die Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments bei ALS-Patienten zu testen, führten Morimoto und sein Team eine klinische Machbarkeitsstudie mit einer kleinen Anzahl an Probanden durch. 13 Personen, die im Durchschnitt seit 20 Monaten an ALS litten, erhielten Ropinirol, sieben Personen ein Placebo. In den ersten sechs Monaten der Studie wussten weder die Ärzte, noch die Patienten, wer das echte und wer das Scheinmedikament erhielt. Dabei achtete das Forschungsteam auf mögliche Nebenwirkungen und erhob zudem den Zustand der Patienten mit Hilfe einer Bewertungsskala, die unter anderem erfasst, wie gut sich die Person bewegen kann, wie sie im Alltag zurechtkommt, und inwieweit sie sprechen und atmen kann.

Gute Sicherheit, fragliche Wirksamkeit

Mit Blick auf die Nebenwirkungen stellte das Team fest, dass Ropinirol bei den ALS-Patienten ein günstiges Sicherheitsprofil aufwies. Zwar berichteten Patienten aus der Rpoinirol-Gruppe etwas häufiger über Probleme wie Verstopfung, Übelkeit und Kopfschmerzen, schwerwiegende Nebenwirkungen blieben aber aus. „Wir haben festgestellt, dass Ropinirol für ALS-Patienten sicher und verträglich ist“, so Morimoto. Bezüglich der Wirksamkeit waren die Ergebnisse weniger vielversprechend: „Während der doppelt verblindeten Phase der Studie blieben bei den Probanden die Muskelkraft und die tägliche Aktivität erhalten, aber der Score, mit dem der funktionelle Status von ALS-Patienten bewertet wird, verschlechterte sich bei allen Probanden“, berichtet das Forschungsteam. „Dabei machte es keinen Unterschied, ob ein Patient das Medikament oder ein Placebo erhalten hatte.“

Nach der verblindeten Phase führte das Team die Studie jedoch weiter, wobei nun auch die Probanden aus der Placebogruppe Ropinirol erhielten. In dieser Phase verschlechterte sich der Zustand von Patienten, die von Anfang an Ropinirol bekamen, etwas langsamer als bei Patienten, die zunächst ein Placebo erhalten hatten. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist allerdings noch sehr begrenzt. Da viele Patienten aus der Studie ausschieden – teils, weil ihre Krankheit zu stark fortgeschritten war, teils aufgrund anderer Faktoren wie Covid-19 – schlossen nur acht Patienten die komplette Studie ab, davon nur einer aus der ursprünglichen Placebogruppe. „Um die Wirksamkeit zu bestätigen, brauchen wir weitere Studien und planen nun eine Phase-3-Studie für die nahe Zukunft“, sagt Morimotos Kollege Hideyuki Okano.

Möglicher Marker für das individuelle Ansprechen

Auf der Suche nach möglichen Wirkmechanismen erzeugte das Forschungsteam auch aus dem Blut der Studienteilnehmer induzierte pluripotente Stammzellen und züchtete diese zu Motoneuronen heran. Untersuchungen dieser ALS-Motoneuronen zeigten zahlreiche Unterschiede zu gesunden Motoneuronen: Unter anderem waren 29 Gene, die mit der Synthese von Cholesterin in Verbindung stehen, in den ALS-Motoneuronen hochreguliert. Die Behandlung mit Ropinirol unterdrückte diese übermäßige Genexpression. Zudem sorgte sie dafür, dass verkürzte Axone der Nervenzellen auf eine normale Länge wuchsen.

Dabei reagierten die Motoneuronen von unterschiedlichen Patienten nicht alle gleich gut auf das Medikament. Sowohl in der Zellkultur, als auch beim lebenden Patienten, konnten die Forschenden jedoch anhand der Konzentration von Lipidperoxid in den Zellen vorhersagen, wie gut das Medikament wirken würde. „Wir fanden eine sehr auffällige Korrelation zwischen der klinischen Reaktion eines Patienten und der Reaktion seiner Motoneuronen in vitro“, sagt Morimoto. „Patienten, deren Motoneuronen in vitro stark auf Ropinirol ansprachen, hatten ein viel langsameres klinisches Fortschreiten der Krankheit unter Ropinirol-Behandlung.“ Sollte sich das Medikament in größeren Studien tatsächlich als wirksam erweisen, könnten entsprechende Laboruntersuchungen klinisch eingesetzt werden, um bereits vor dem Start einer Behandlung herauszufinden, welche Patienten besonders davon profitieren können.

Quelle: Satoru Morimoto (Keio University School of Medicine, Tokio, Japan) et al., Cell Stem Cell, doi: 10.1016/j.stem.2023.04.017

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