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#Partygate in Großbritannien ist nicht vorüber

„Partygate in Großbritannien ist nicht vorüber“

Global Britain, dieses imaginäre Großreich, das Boris Johnson seiner vorwiegend englischen Anhänger- und Wählerschaft für die Zeit nach dem Brexit versprochen hatte, zieht gerade die Zugbrücken hoch und schaut nur noch auf sich. Das liegt zum Einen daran, dass an diesem Wochenende die Feierlichkeiten zu einem in der Geschichte des Landes einmaligen Ereignis ihren Höhepunkt erreichen. Großbritannien feiert den 70. Jahrestag der Thronbesteigung seiner Königin.

Bei einem solchen Ereignis dominiert naturgemäß der Blick auf sich und die ruhmreiche Vergangenheit des Landes. Aber der Erste Minister Ihrer Majestät ist auch im politischen Alltag – allerdings aus gar nicht feierlichem Anlass – gerade auf Kurs in die Vergangenheit.

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Der wie ernst auch immer gemeinte Vorschlag, alte englische Maßeinheiten wie Unze oder Yard wiedereinzuführen, ist Teil dessen, was Johnson im Brexit-Wahlkampf „Rückgewinnung der Kontrolle“ nannte. Fehlte nur noch, dass er bei der Währung auch vom Dezimalsystem abginge.

Alle diese Dinge erfüllen vor allem einen Zweck: Sie sollen von der Affäre ablenken, die Johnson seit mehr als einem Jahr von einer politischen Verlegenheit in die andere gestürzt hat. Am Regierungssitz wurden Partys gefeiert, während im ganzen Land strikte Beschränkungen für Zusammenkünfte aller Art wegen der Corona-Pandemie galten. Bei einigen der Festivitäten war der Premierminister persönlich dabei.

Für alle anderen gelten Regeln

Alle aber fanden in seinem Verantwortungsbereich statt. Für diese Verfehlungen hat Johnson einen polizeilichen Strafbefehl erhalten und die Strafe bezahlt. Er ist damit der erste Regierungschef der britischen Ge­schichte, von dem aktenkundig ist, dass er gegen das Gesetz verstoßen hat. Wenn so etwas passiert, greift in Demokratien üblicherweise ein Mechanismus, der „politische Verantwortung“ genannt wird. Selbst wenn sich ein Minister persönlich nichts hat zuschulden kommen lassen, wird dessen Rücktritt erwartet. Auch in Großbritannien gibt es Regeln für solche Fälle.

Der Schluss, den Boris Johnson aus dem Untersuchungsbericht über die Verfehlungen in seinem Verantwortungsbereich gezogen hat, ist allerdings sehr typisch für diesen Politiker. Er möchte die Regeln für alle Regierungsmitglieder so weit verwässern, dass Rücktritte kaum noch erzwungen werden können. Für ihn selbst gelten Regeln, das hat der Premierminister mit sich schon vor geraumer Zeit ausgemacht, ohnehin nur dann, wenn sie gerade passen. Dass diese lockere Dienstauffassung mit dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz nicht vereinbar ist, erscheint ihm, der mit seiner Politikauffassung gut ins 19. Jahrhundert gepasst hätte, unerheblich.

Er vertraut darauf, dass sein größter Trumpf weiterhin sticht und die eigene Partei ruhig hält. Boris Johnson ist einer, der für die Konserva­tiven Wahlen gewinnt. So war es zumindest bisher. Und allein aus diesem Grund hält sich bislang auch die öffentlich geäußerte Empörung in den Reihen der Partei in dem Rahmen, den der Premierminister aushalten zu können glaubt.

Angriffe werden zum Ritual

Im Land ist Johnsons Ansehen längst tief gesunken. Die Opposition weist wieder und wieder auf Schicksale einzelner Menschen hin, deren Angehörige während der Pandemie einsam gestorben sind, weil sie selbst im Moment des Todes wegen der geltenden Regeln nicht besucht werden durften. Und während sich dies alles abspielte, wurde in der Downing Street munter gefeiert. Die im Parlament verwendeten eindringlichen Formulierungen werden aber im Laufe der Zeit mehr und mehr zum Ritual, die Empörung immer routinierter. Johnson setzt erkennbar auf einen Abstumpfungseffekt, der ihm das Amt retten soll. Dass er bei diesem riskanten Spiel seine eigene Partei in politische Geiselhaft nimmt, stört ihn erkennbar kaum.

Wenn man sich bei den Konservativen allerdings auf eines verlassen kann, dann ist das ihr ausgeprägter Machtinstinkt. Die Legislaturperiode ist zur Hälfte abgelaufen. In gar nicht mehr so weiter Ferne droht die nächste Unterhauswahl. Da darf man den richtigen Moment für einen nach Logik und Moral unausweichlichen Wechsel an der Spitze von Partei und Regierung nicht verpassen.

Die Jubiläumsfeierlichkeiten für Elisabeth II. könnten zu einer wichtigen Zäsur im konservativen Meinungsbildungsprozess werden. Das verlängerte Wochenende lässt allen Parlamentariern viel Zeit, in ihren jeweiligen Wahlkreisen die Stimmung im Volk zu eruieren. Dem geht es nicht nur um Johnsons Affären. Auch die Folgen des Brexits sind längst nicht so rosig, wie sie der begnadete Wahlkämpfer einst ausmalte. Vor allem aber könnte Johnsons Politik dazu führen, dass das Thronjubiläum die letzte große Sause des Vereinigten Königreichs wird. Denn aus „Global Britain“ wird vielleicht doch „Little England“.

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