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#Rasse oder Rassismus?

Rasse oder Rassismus?

Die Idee, den Begriff der Rasse aus dem Grundgesetz zu streichen, ist gefährlich, geschichtsvergessen und blendet die internationale Rechtslage aus. Noch weit gefährlicher aber ist die nunmehr vom Justizministerium aufgegriffene Idee, „Rasse“ durch „rassistisch“ zu ersetzen. Denn der vor allem in den Sozialwissenschaften und von Aktivisten verwendete Begriff des Rassismus, wie er hinter dieser Forderung steht, hat mit der alltagssprachlichen Bedeutung einer Diskriminierung aufgrund der Rasse so gut wie nichts zu tun.

Er ist über den „Rassismus ohne Rassen“ zu einem konturlosen ideologischen Kampfbegriff geworden, mit dem eine Denkweise und ein gesellschaftlicher Umbruch gefordert werden, die nicht einmal im Ansatz mehrheitsfähig sein dürften. Dabei klingt die Idee, den Begriff der Rasse zu streichen, auf den ersten Blick durchaus vernünftig, vielleicht sogar zeitgemäß. Denn schließlich wird hier ein Begriff verwendet, den rechtlich zu begraben das eigentliche Anliegen der Verfassung ist. Mit der Weiterverwendung werde, so könnte man meinen, der Begriff legitimiert; Rasse bleibe vorstellbar. Und zudem gebe es Rasse aus naturwissenschaftlicher Sicht auch gar nicht.

Professor Dr. Uwe Kischel lehrt Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Greifswald.


Professor Dr. Uwe Kischel lehrt Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Greifswald.
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Bild: privat

Der etablierte verfassungsrechtliche Begriff der Rasse nimmt diese Bedenken aber schon weitgehend auf: Unter „Rasse“ fallen danach Gruppen von Menschen mit tatsächlich oder auch nur vermeintlich vererbbaren Merkmalen. Es geht also keineswegs notwendig um irgendwelche realen Rassen oder Rassenbegriffe, sondern gerade auch um abgelehnte. In unmissverständlicher Weise stellt Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes so eine Reaktion auf den Nationalsozialismus dar. Das darin enthaltene Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse ist ein lauter Schrei des „nie wieder“. Dieser Schrei, der gerade an den Begriff der „Rasse“ anknüpft, würde jetzt verstummen. Schon das ist vor dem Hintergrund unserer historischen Erfahrungen schwer erträglich. Das Recht ist zudem darauf angewiesen, das, was es bekämpfen will, stets klar zu benennen, gerade auch dann, wenn das Benannte für besonders abstoßend gehalten wird.

Ein Restbestand magischen Denkens

Und auch im Hinblick auf die zahlreichen internationalen Menschenrechtsdokumente, die sich gegen Rassendiskriminierung wenden und dabei den Begriff der Rasse verwenden, ist die juristische Leerstelle, die durch eine Streichung in Deutschland entstünde, kaum nachzuvollziehen. So verwundert es denn nicht, dass sich entsprechende Vorschläge auch in Frankreich, trotz oder gerade wegen mehrfacher intensiver Diskussionen, im Ergebnis nie durchsetzen konnten.

Schließlich steht hinter dem Wunsch nach Streichung, wie der französische Philosoph Pierre-André Taguieff treffend bemerkte, ein Restbestand magischen Denkens, bei dem bloßen Worten die Macht zugesprochen werde, die Kräfte des Guten oder Bösen in sich zu tragen und weiterzugeben. Die Orwell’sche Idee, der Staat könne oder müsse die Sprache und auf diesem Wege das Denken der Menschen beeinflussen, trägt totalitäre Züge und ist einer freiheitlichen Demokratie unwürdig.

Das Argument der naturwissenschaftlichen Nichtexistenz von Rassen begibt sich auf unruhiges Terrain. Denn tatsächlich geben die Naturwissenschaften, anders als noch vor der Jahrtausendwende vielfach angenommen und gehofft, hier keine klaren Antworten. Über die Frage, ob Rasse, etwa in der Medizin, ein sinnvoller Begriff ist, bestehen unter Naturwissenschaftler vielmehr die unterschiedlichsten Ansichten.

Definition für Rassismus

Nicht wenige stellen sogar eine Renaissance der naturwissenschaftlichen Verwendung von „Rasse“ nach der Fertigstellung des Humangenomprojekts und mit dem Aufkommen von Big Data fest. Für das Verbot der Rassendiskriminierung sollte dies aber schlicht ohne Belang sein. Denn es handelt sich um ein juristisches und nicht zuletzt moralisches Verbot, das völlig unabhängig davon besteht – und bestehen muss –, ob Rassen aus naturwissenschaftlicher Sicht existieren oder nicht. Aufregung an dieser Stelle wäre völlig unangebracht, denn schließlich existiert auch das Geschlecht als naturwissenschaftliches Faktum, ohne dass dies zu den geringsten Zweifeln am Verbot der Diskriminierung zwischen Mann und Frau führte.

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