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#Realo-Spitze, Fundi-Basis: Die gespaltenen Grünen

Realo-Spitze, Fundi-Basis: Die gespaltenen Grünen

Vor Ort, hybrid oder digital, noch dieses Jahr oder erst im nächsten: Ob und wie in Corona-Zeiten Parteitage stattfinden, hat in den vergangenen Wochen von der CDU bis hin zur Linken rege Diskussionen ausgelöst. Nicht so bei den Grünen. Schon Anfang September entschieden sie trotz der damals noch niedrigen Infektionszahlen, den an diesem Wochenende stattfindenden Parteitag nicht in Karlsruhe, sondern online abzuhalten. Ihr Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Parteien müssen sie keine neuen Vorsitzenden wählen, sondern nur ein Grundsatzprogramm verabschieden, das im Wesentlichen seit Monaten steht.

Doch auch jenseits solcher organisatorischen Fragen war von den Grünen zuletzt wenig zu hören – was bedauerlich ist. Zur Corona-Krisenpolitik der Bundesregierung kam von ihnen kaum ein kritisches Wort, obwohl sich die Grünen neben dem Klimaschutz eigentlich auch das Verteidigen von Freiheitsrechten auf die Fahnen schreiben. Von den zahlreichen Fernsehauftritten der Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck bleibt vor allem eines hängen: dass sie die Kunst, mit vielen Worten möglichst wenig zu sagen, längst ebenso gut beherrschen wie die Vertreter der Regierungsparteien.

Ein trügerisches Bild

Wer als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf ziehen soll, halten sie sich weiter offen. Und auch, für welches Bündnis sie sich entscheiden würden, wenn sie zwischen einem mit der CDU/CSU und einem mit SPD und Linken wählen könnten.

Die Online-Flatrate: F+


Auch wegen der ungelösten Führungskonflikte anderer Parteien sind die Grünen sehr darauf bedacht, nach außen hin geschlossen, ja geradezu harmonisch aufzutreten. Das aber ist ein trügerisches Bild. Tatsächlich sind die Grünen eine tief gespaltene Partei. Die eine Hälfte ist vor allem in Berlin, aber auch in elf Landesregierungen anzutreffen. Sie will mitregieren, nicht nur mit dem Wunschpartner SPD, sondern, wenn es nicht anders geht, auch mit der Union.

Und sie ist bereit, dafür politische Kompromisse einzugehen. So kommt es, dass der grüne Ministerpräsident aus Baden-Württemberg eine Kaufprämie auch für Diesel und Benziner will, der grüne Wirtschaftsminister in Hessen den Ausbau des Frankfurter Flughafens zumindest mitträgt und der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag den Tesla-Gegnern in Brandenburg bedeutet, sie sollten sich mal nicht so haben, eine Elektroautofabrik sei wichtiger als ein Kiefernwald.

Die Macht der anderen Hälfte

Mit diesem Teil der Grünen hat es maßgeblich zu tun, dass ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene sowohl in den Reihen der Union als auch in Wirtschaft und Gesellschaft kein Schreckgespenst mehr darstellt wie noch vor einigen Jahren, sondern ihm im Gegenteil vielfach mit einer wohlwollenden Neugier begegnet wird.

Dabei kommt beiden Seiten zugute, dass sich mancher Konfliktpunkt früherer Zeiten ohnehin erübrigt hat. Der Kohleausstieg ist mittlerweile beschlossene Sache, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im politischen Prozess verankert. Der Weg für eine große Klimaschutz-Koalition scheint geebnet.

Doch niemand sollte die Macht der anderen Hälfte der Grünen unterschätzen. Während die Führungsspitze heute gewissermaßen den „Realo“-Flügel der Partei bildet, sind an der Basis zahlreiche „Fundis“ anzutreffen. Wie gerne diese weiter alte Feindbilder pflegen, zeigen nicht zuletzt die vielen hundert Änderungsanträge, die den wohligen Schlagworten des Grundsatzprogramms – Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Teilhabe, um nur einige zu nennen – mehr inhaltliche Schärfe verleihen wollen.

Ein Comeback des FDP-Mantras?

Im Kapitel zur Wirtschaft geht das schon in der Überschrift los. Mit dem Leitbild einer „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ will sich nicht jeder identifizieren. Stattdessen wird dem Ideal einer „Gemeinwohlwirtschaft“ gefrönt, die sich vom Bruttoinlandsprodukt emanzipiert und in der Vermögende den Arbeitnehmern eine geringere Arbeitszeit bei vollem Lohn oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren.

Der unpopuläre „Veggieday“ mag Geschichte sein. Die grüne Symbolpolitik aber lebt weiter, wie auch die wiederkehrenden Rufe nach einem Tempolimit, einem Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor und einem Verbot von Inlandsflügen zeigen. Im Streit um den Ausbau der A 49 im Dannenröder Forst trieben militante Naturschützer die Grünen so lange vor sich her, bis die Parteispitze allen Ernstes ein Moratorium für den Bau neuer Autobahnen forderte.

Für etwaige Koalitionsverhandlungen mit der Union verheißt das wenig Gutes. Entweder zerreißt es die Partei, oder es zerreißt das politische Bündnis. Besser nicht regieren als schlecht regieren: Das Mantra, mit dem die FDP 2017 die Koalitionsverhandlungen abbrach, könnte im kommenden Jahr ein ungeahntes Comeback erleben – dann in den Reihen der Grünen.

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