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#Abstimmung zur Impfpflicht eine Gewissensfrage?

Abstimmung zur Impfpflicht eine Gewissensfrage?

„Die Führung ist da“, meint Olaf Scholz. Doch zur Impfpflicht, die erst bis Ende Februar oder Anfang März auf den Weg gebracht werden soll, fiel ihm vor allem ein, dass er als Abgeordneter im Bundestag dafür stimmen werde. Nun hat Scholz als (künftiger) Kanzler sicher Gewicht, doch ist das die Führung, die schon da ist? Sein Signal: Der „Fraktionszwang“ wird aufgehoben. Jeder Abgeordnete solle nach seinem Gewissen abstimmen. In dieselbe Kerbe hieb der designierte Bundesjustizminister Marco Buschmann.

Eine Gewissensfrage. Das hört sich nach etwas Besonderem an, ist aber eigentlich der vom Grundgesetz vorgesehene Normalfall: Die Abgeordneten des Bundestages sind demnach „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Nur. Jeder Parlamentarier ist also nicht Vertreter seiner Partei oder seines Wahlkreises, sondern des deutschen Volkes. Ungeachtet ihrer Einbindung in Organisationen und gesellschaftliche Gruppen sollen die Abgeordneten frei sein, ihre eigene Vorstellung von Gemeinwohl zu entwickeln.

Die Abgrenzung ist nicht einfach

Der Abgeordnete ist keinem imperativen Mandat unterworfen. Die Erwähnung des Gewissens in der Verfassung meint gerade nicht, dass der Parlamentarier nur in weltanschaulichen oder sittlichen Grundfragen frei von Fremdbestimmung sein soll. Hiermit soll generell seine Freiheit betont werden. Natürlich muss das Parlament arbeitsfähig bleiben; es muss sich organisieren. Seine Funktionsfähigkeit ist auch ein Wert von Verfassungsrang. Hierdurch kann die Freiheit des einzelnen Abgeordneten eingeschränkt werden.

Auch mit dem Beitritt zu einer Fraktion unterwirft sich der Abgeordnete bestimmten Pflichten. Er erhält dadurch aber auch Vorteile. Da das Abstimmen mit der Fraktion die Regel ist, fällt die Freigabe der Fraktionsdisziplin umso mehr auf. Die angeblichen Sternstunden des Parlaments waren jene ohne diesen „Zwang“ (dem man sich ja freiwillig unterworfen hat).

Und in diesen Debatten geht es dann doch meist um weltanschauliche Grundfragen. Einfach ist die Abgrenzung nicht. So gab es Stimmen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, als über den Euro-Rettungsschirm abgestimmt wurde, hierbei handele es sich um eine „Gewissensentscheidung“, weil es um die Stabilität der Währung und die Sicherheit der deutschen Staatsfinanzen gehe. Die Fraktionsführung sah das anders: Das sei ein „normales“ Gesetz, freilich eines von „zentraler Bedeutung“. Die Gleichsetzung mit Abstimmungen über Gegenstände der Gesetzgebung, die gemeinhin als „Gewissensentscheidung“ gelten, lehnte sie wie auch die Führungen der anderen Fraktionen ab. Das sei keine „ethische Frage“.

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In der Tat wurde die Abstimmung zuletzt in folgenden Fällen „freigegeben: Im Juni 2017 bei der „Ehe für alle“, die von Bundeskanzlerin Merkel geschickt, gleichsam nebenbei, zur Gewissensfrage erklärt worden war und dann einfachgesetzlich zur Regel wurde. 2016 ging es um die Zulassung von Medikamententests an Demenzkranken. 2015 immerhin um die Milliardenhilfen für Griechenland, die nun als Gewissensfrage akzeptiert wurden, 2014 um die Sterbehilfe. 2012 um die Beschneidung, 2011 um Präimplantationsdiagnostik. Zur Sterbehilfe heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampelparteien: „Wir begrüßen, wenn durch zeitnahe fraktionsübergreifende Anträge das Thema Sterbehilfe einer Entscheidung zugeführt wird.“

Eine Impfpflicht gab es schon früher

Also ethische Grundfragen, die auch die persönliche Lebensführung betreffen und in denen es womöglich auch (noch) keine Parteilinie gibt – oder bei denen sich die Führung scheut, eine Linie vorzugeben.

Nun ist man auch durch viele andere Entscheidungen ziemlich persönlich betroffen, aber die Debatte über eine Impfpflicht lässt sich durchaus in diese Reihe stellen. Eine Pandemie dieses Ausmaßes ist ein neues Phänomen; die Mittel sind noch nicht erprobt. Das Impfen freilich und auch eine Impfpflicht sind alles andere als neu. Und mehr: Sie ist als Instrument auf breiter Front auch international rechtlich anerkannt und gesellschaftlich akzeptiert. Nicht nur früher bei den Pocken oder bei den Soldaten der Bundeswehr. Auch die weitgehende Akzeptanz der Kinderimpfungen, die keine Impfpflicht nötig machen, spricht dafür. Der Hintergrund der Masern-Impfpflicht war nachlassende Gefolgschaft.

Natürlich gab es immer Impfgegner, erst recht Gegner einer Pflicht. Aber dass sie – auch ethisch – von vornherein unzulässig sei, weil sie die körperliche Unversehrtheit betrifft, blendet die Pflichten, die Bürger auch sonst haben, und die allgemeine Lage völlig aus.

So steht es den Fraktionen natürlich völlig frei, die Abstimmung zur Gewissensfrage zu machen. Es stellen sich dann erst recht auch andere Gewissensfragen: Wie steht es mit dem Lockdown, wie mit allgemeinen Kontaktbeschränkungen, mit Ausgangssperren, mit Schulschließungen? Auch alles Entscheidungen, welche die Freiheit und persönliche Lebensführung unmittelbar betreffen. Sofern darüber überhaupt abgestimmt wurde – sind das dann nicht auch Gewissensentscheidungen?

Den Grund für die Erhebung der Impfpflicht in den Stand der Gewissensentscheidung hat die Politik zum Beispiel in Gestalt des Bundesgesundheitsministers schon geliefert: Wer den Eindruck erweckt, die Impflicht werde mit körperlicher Gewalt durchgesetzt, bemüht zwar ein Bild, das nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht, hat aber alles getan, um eine recht problemlos mögliche Impfpflicht als Unrechtsmaßnahme unmöglich zu machen.

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