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#Resistente Keime vor der Antibiotika-Ära

Resistente Keime vor der Antibiotika-Ära

Die moderne Medizin hat zwar zur Ausbreitung resistenter Staphylokokken geführt – hervorgebracht hat der Einsatz von Antibiotika die berüchtigten Keime aber offenbar nicht: Sie entstanden schon vor 200 Jahren auf natürliche Weise bei Igeln, geht aus einer Studie hervor. Vermutlich war dafür ein Hautpilz dieser Wildtiere verantwortlich, der eine antimikrobielle Substanz produziert, um sich gegen Bakterien durchzusetzen. Dagegen hat Staphylococcus aureus wohl schon früh Widerstandskraft entwickelt. Doch erst in der Antibiotika-Ära konnten sich die resistenten Stämme dann bei Menschen und Nutztieren ausbreiten, legen die Ergebnisse nahe.

Die einstigen Wunderwaffen der Medizin verlieren zunehmen ihre Schlagkraft: Antibiotikaresistente Bakterien gelten als eine der größten Bedrohungen im Kampf gegen Infektionskrankheiten. Die Ausbreitung dieser Erreger hat dabei mit einem evolutionären Grundprinzip zu tun. Denn durch den teils verschwenderischen Einsatz von Antibiotika in der Medizin und Viehhaltung setzt der Mensch Bakterien einem permanenten Selektionsdruck aus: Mikroben mit genetisch bedingter Widerstandskraft gegen die Wirkstoffe können überleben und anschließend zur dominierenden Form der Erreger avancieren. Besonders berüchtigt sind in diesem Zusammenhang die Methicillin-resistenten Stämme von Staphylococcus aureus (MRSA). Wenn sich diese auch als Krankenhauskeime bezeichneten Erreger im menschlichen Körper ausbreiten, gibt es kaum noch Behandlungsmöglichkeiten und es droht Lebensgefahr.

Bisher nahm man an, dass sich diese resistenten Bakterien durch den massiven Einsatz von Penicillin und später durch die Verwendung anderer Antibiotika bei Nutztieren oder dem Menschen entwickelt haben. Allerdings schien auch eine frühere Entstehung möglich: Denn bei fast allen Antibiotika handelt es sich ursprünglich um natürliche Wirkstoffe, mit denen etwa Pilze versuchen, sich gegen bakterielle Konkurrenten durchsetzen. Somit könnten Bakterien auch schon natürlicherweise Strategien gegen diese Wirkstoffe hervorgebracht haben. In diesem Zusammenhang ist ein internationales Forscherteam nun einer Spur nachgegangen: Studien haben gezeigt, dass auch Igel MRSA-Bakterien in sich tragen.

Resistenz mit stacheliger Geschichte?

Die Forscher sequenzierten und analysierten im Rahmen ihrer Studie mehr als 1000 S.-aureus-Isolate von Igeln aus den verschiedenen Bereichen ihres Verbreitungsraums. Sie konnten dadurch zunächst genauer belegen, dass die Tiere häufig einen MRSA-Stamm tragen, der als mecC-MRSA bezeichnet wird. Durch die Untersuchung bestimmter Merkmale im Erbgut dieser Erreger gingen sie dann der Frage nach, wann diese ihre Resistenzgene hervorgebracht haben könnten. Außerdem machten sich die Forscher auf die Suche nach möglichen Treibern der Entwicklung der resistenten Stämme bei den stacheligen Gesellen.

„Mithilfe der Sequenzierungstechnologie haben wir die Gene, die den mecC-MRSA-Bakterien ihre Antibiotikaresistenz verleihen, bis zu ihrem ersten Auftreten zurückverfolgt und festgestellt, dass es sie offenbar bereits im 19. Jahrhundert gegeben hat“, berichtet Seniorautor Ewan Harrison von der University of Cambridge. Somit existierten sie schon deutlich vor dem klinischen Einsatz der ersten Antibiotika. „Aus unserer Studie geht hervor, dass nicht der Einsatz von Penicillin für das anfängliche Auftreten von MRSA verantwortlich war, sondern ein natürlicher biologischer Prozess. Wir glauben, dass sich MRSA dann später durch direkten Kontakt auf Nutztiere und Menschen ausgebreitet hat“, so der Wissenschaftler. Zumindest einige der aktuellen antibiotikaresistenten Bakterienstämme könnten den Ergebnissen zufolge von Igeln stammen.

Ursache: Natürlicher Konkurrenzkampf

Doch warum haben sich die Superkeime ausgerechnet bei diesen Tieren entwickelt? Aus der Studie geht hervor, dass dafür ein Hautpilz verantwortlich gewesen sein könnte: Bei Igeln ist der Erreger Trichophyton erinacei weit verbreitet. Die Forscher konnten nachweisen, dass dieser Pilz antimikrobielle Substanzen produziert, deren Wirkung auf einem ähnlichen Prinzip beruht wie bei Penicillin und anderen Antibiotika. Co-Kultivierungen des Pilzes mit verschiedenen S.-aureus-Stämmen verdeutlichten dabei: Bei Methicillin-empfindlichen Versionen bildete sich um Trichophyton erinacei ein bakterienfreier Hemmhof aus – die resistenten MRSA-Bakterien wachsen hingegen ungestört in der Nachbarschaft des Pilzes. „Wir glauben deshalb, dass sich die MRSA-Stämme beim Überlebenskampf auf der Haut von Igeln entwickelt haben“, sagt Harrison.

Den Forschern zufolge sind die Ergebnisse nun allerdings kein Grund, sich vor Igeln zu fürchten. Denn direkte Übertragungen von MRSA-Bakterien von diesen Tieren auf den Menschen sind wohl eher selten. Sie sehen in den Studienergebnissen allerdings erneut eine Mahnung, Antibiotika behutsam einzusetzen, um die Ausbreitung von resistenten Stämmen nicht voranzutreiben: „Wir müssen bei der Verwendung von Antibiotika vorsichtig sein. Es gibt ein großes ‚Reservoir‘ in der Tierwelt, in dem antibiotikaresistente Bakterien überleben können – und von dort aus ist es nur ein kleiner Schritt, bis sie von Nutztieren aufgenommen werden und dann den Menschen infizieren“, sagt Co-Autor Mark Holmes von der Universität Cambridge. „Wildtiere, Nutztiere und Menschen sind alle miteinander verbunden: Wir teilen uns ein Ökosystem. Es ist nicht möglich, die Entwicklung der Antibiotikaresistenz zu verstehen, wenn man nicht das gesamte System betrachtet“, sagt der Wissenschaftler abschließend.

Quelle: University of Cambridge, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-021-04265-w

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