Nachrichten

#Rezension von Nuran David Calis' Leipziger Inszenierung des „ Arturo Ui“

Eine Truppe Weißclowns treibt es in Chicago kunterbunt: Nuran David Calis inszeniert Brechts „Arturo Ui“ am Schauspiel Leipzig.

Bertolt Brechts dramatische Parabel „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, verfasst 1941 im Exil, uraufgeführt erst 1958, zwei Jahre nach dem Tod des Autors, bietet kurz vor Schluss ein Oxymoron. Giuseppe Givola, das brechtsche Bühnenäquivalent zu Joseph Goebbels, spricht es aus, und es lautet „freudeschlotternd“. Nachdem auch die Gemüsehändler der Stadt Cicero sich auf die Schutzgeldforderung des in Chicago schon längst etablierten Gangsterchefs Arturo Ui eingelassen haben (in Analogie zum „Anschluss“ Österreichs im Jahr 1938), verkündet dessen hinkender Adlatus im Jambenton des Stücks: „Die Wahl ist aus, Chef, Ciceros Grünzeughändler / Und die Chicagos danken tiefbewegt / Und freudeschlotternd dir für deinen Schutz.“

Andreas Platthaus

Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.

Brecht wollte mit diesem Neologismus die Mischung aus Faszination und Furcht zum Ausdruck bringen, die Hitlers Weg zur Macht ermöglichte. Nuran David Calis, seit zwei Jahrzehnten einer der politisch engagiertesten Autoren und Regisseure des deutschsprachigen Gegenwartstheaters, zeigt nun in seiner Leipziger Inszenierung des „Arturo Ui“ das Freudeschlottern von Beginn an: verkörpert durch den hier auf drei Per­sonen reduzierten Kar­fioltrust von Chicago, den Teresa Schergaut, Denis Grafe und Yves Hinrichs als voluminös bebendes Trio spielen – bisweilen an der Rampe zusammengedrängt und gemeinsam wackelnd wie siamesische Drillinge, gekleidet und geschminkt von der Kostümbildnerin Johanna Stenzel als um die Mitte mächtig ausgestopfte Weißclowns. Eine Schau, ein Theaterereignis. Kein Verfremdungs-, ein Befremdungseffekt, mit dem meint, sich anfreunden zu können: Brechts „Ui“ als Groteske. Grauen eher nur angedeutet.

Unaufhaltsamer Abstieg des amerikanischen Traums: Bettina Schmidt und Roman Kanonik in Leipzig


Unaufhaltsamer Abstieg des amerikanischen Traums: Bettina Schmidt und Roman Kanonik in Leipzig
:


Bild: Rolf Arnold

Davon ist die Titelfigur nicht ausgenommen. Besetzt mit einer Schauspielerin, Bettina Schmidt, tritt sie optisch und gestisch in Nachfolge jenes psycho­pathisch-kalten Superschurken namens Joker auf, der aus den „Batman“-Comics den Weg auf die Kinoleinwand mit solch unvergesslichen Darstellern wie Jack Nicholson, Heath Ledger und Joaquin Phoenix fand; den Baseballschläger wirbelt Schmidt wie einen Tambourstab. Allerdings ist ihr Ui hochtoupiert in Blond und mediengeil – eine Videokamera ist ständig im Einsatz, und links und rechts des Schreibtischs, der in der Mitte unter einem Architrav mit der Aufschrift „In God We Trust“ thront, hat die Bühnenbildnerin Irina Schicketanz zwei große hochformatige Bildschirme eingebaut, auf denen in Echtzeit verdreifacht werden kann, was sich vor der Linse abspielt. Auf allen Kanälen die Machen- und Mannschaften des Ui: Dieser amerikanische Gangsterboss ist nicht nur präsentabel, sondern wiedererkennbar – oder besser noch: wiederwählbar – präsidiabel.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!