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#Rücktritt nach dem Mallorca-Homeoffice

„Rücktritt nach dem Mallorca-Homeoffice“

In der Politik wird aus Fehlern oft erst durch hinhaltende, missratene Kommunikation eine Affäre. Geradezu nach Lehrbuch führt das derzeit die nordrhein-westfälische Umweltministerin vor; auf tragisch-konsequente Weise bis zum bitteren Ende. Wenige Wochen vor der wichtigsten Landtagswahl des Jahres bringt Ursula Heinen-Esser (CDU) mit einer Mischung aus Salamitaktik und Wagenburgmentalität sich selbst und ihre Partei immer stärker in Bedrängnis. Zuletzt genügten dafür schon eigentlich harmlose Details, die neu bekannt wurden – so wie am Donnerstag die Sache mit der Geburtstagsfeier ihres Mannes auf Mallorca. Am Donnerstagvormittag lehnte Heinen-Esser noch ab, was sie am Donnerstagnachmittag doch tat: Sie trat zurück.

Doch der Reihe nach. Als vor einigen Monaten die Aufarbeitung der Pannen und Versäumnisse nach der verheerenden Juli-Flut 2021 begann, verzichtete Heinen-Esser darauf, transparent darzulegen, dass sie viele Tage nach der Katastrophe gar nicht in Nordrhein-Westfalen weilte, sondern an ihrem Zweitwohnsitz auf Mallorca. Das wurde erst Ende Februar bekannt, als während der Vernehmung Heinen-Essers im Flut-Untersuchungsausschuss ein Vermerk zur Sprache kam.

Die Ministerin war zwar am 15. Juli nach Düsseldorf geflogen, um unter anderem am folgenden Tag an einer Kabinettssitzung teilzunehmen. Doch laut Vermerk war sie dann vom 17. bis zum 21. Juli wieder abwesend, was schon deshalb ungewöhnlich ist, weil ihr Staatssekretär zur selben Zeit ebenfalls Urlaub hatte.

Nun noch eine Geburtstagsfeier

In ihrer Vernehmung bestand Heinen-Esser darauf, von der Baleareninsel aus die Amtsgeschäfte „vollumfänglich wahrgenommen zu haben“. Zugleich brachte sie zur Verteidigung aber auch Privates vor: Sie habe eine Betreuungspflicht für ihre 15 Jahre alte Tochter gehabt, die mit vier Freunden auf der Insel geblieben war. Deren Rückreise habe sie organisieren müssen. Sodann ließ die Ministerin die Chance verstreichen, darauf hinzuweisen, dass der Vermerk nicht korrekt ist. Tatsächlich war sie nämlich nicht weitere vier, sondern sogar weitere neun Tage auf Mallorca.

Erst Ende März stellte Heinen-Esser das in einem Brief an den Ausschuss klar. In einem Interview mit der „Rheinischen Post“ führte die Ministerin flankierend ein neues Argument ein: Ihrem 76 Jahre alten Mann habe sie die Betreuung ihrer Tochter und von deren Freunden nicht zumuten können. Wie am Donnerstag durch einen Bericht des „Kölner Stadt-Anzeigers“ bekannt wurde, gab es freilich einen weiteren Grund, auf Mallorca zu bleiben: Am 23. Juli sollte dort im Kreis von Freunden der Geburtstag ihres Mannes gefeiert werden – wofür auch Bauministerin Ina Scharrenbach, Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner und die damalige Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (alle CDU) anreisten.

In einem eilig am Rande einer Landtagssitzung anberaumten Statement streute die Ministerin am Donnerstag abermals Asche auf ihr Haupt. „Ich verstehe, dass es als unsensibel empfunden wird, dass ich nach der Flut eine gute Woche nicht in Nordrhein-Westfalen gewesen bin.“ Dafür bitte sie um Entschuldigung. „Ich bedaure, dass hier ein falsches Bild entstanden ist, und aus heutiger Sicht würde ich versuchen, mich von vornherein anders zu organisieren.“

Täuschungsvorwurf zurückgewiesen

Heinen-Esser beharrt darauf, sie habe dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu allen Fragen, „auch zu im Kern privaten, sehr privaten Angelegenheiten“, in aller Offenheit und Transparenz Rede und Antwort gestanden und werde das auch weiter tun. Wenn ihr Fragen gestellt würden, dann beantworte sie diese, so wie im Fall der Geburtstagsrunde. „Den Vorwurf, das Parlament getäuscht zu haben, weise ich hier ganz entschieden zurück.“ Abermals beteuert die Ministerin, sich von Mallorca aus „intensiv um die Bewältigung der Herausforderungen gekümmert“ zu haben. Die Frage, ob sie an Rücktritt denke, hatte sie am Donnerstagvormittag noch verneint.

Für die Opposition ist die Sache ein Wahlkampfgeschenk. War es SPD und Grünen lange nicht gelungen, in einer breiten Öffentlichkeit mit ihrer Kritik am Flut-Krisenmanagement der schwarz-gelben Landesregierung durchzudringen, steht ihnen nun ein griffiges, empörungsförderndes Schlagwort zur Verfügung, unter dem sich beinahe nach Belieben Vorwürfe subsumieren lassen: „mallorquinisches Homeoffice“. Am Donnerstag dauerte es selbstredend nicht lange, bis Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) die neueste Wendung aufgriff. „Während Zehntausende Betroffene des Hochwassers zu diesem Zeitpunkt damit kämpften, die Folgen der Flut zu bewältigen, dinierten vier hochrangige Vertreter der Landesregierung bei einer Geburtstagsfeier und ließen es sich gut gehen.“

Der Urlaub der Umweltministerin werde zum Mallorca-Gate der Landesregierung, sagt Kutschaty, der darauf hofft, im Kopf-an-Kopf-Rennen mit Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) entscheidende Punkte machen zu können. Auch die Grünen haben ein Interesse daran, die Sache möglichst lange köcheln zu lassen. Die Aussichten sind gut: Heinen-Esser soll am 22. April, also just wenn der Wahlkampfschlussspurt beginnt, ein zweites Mal vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.

Für die CDU ist die Causa „mallor­quinisches Homeoffice“ längst ein Pro­blem mit Potential zur Image-Kernschmelze. Zumal Wüst – der während der Flut noch Verkehrsminister war – auf Wahlplakaten mit dem Krisenmanager-Slogan „Machen, vorauf es ankommt“ wirbt. Erstaunlich spät hat er nun die Notbremse gezogen. Wie schnell das Ansehen von Landesregierungen erodieren kann, zeigte sich 2017 für die rot-grüne Koalition von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und noch deutlicher ausgeprägt im Wahlkampf 2010 für das schwarz-gelbe Bündnis von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).

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