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#Russland nach dem Anschlag: Offene Folter der Terrorverdächtigen

Dass russische Sicherheitskräfte foltern, ist seit Langem bekannt. Nur war der Sicherheitsapparat bemüht, die Misshandlungen zu kaschieren – bis zu dem Terroranschlag in Moskau.

Die Vorführung von vier Tadschiken im Moskauer Basmannyj-Gericht am Sonntagabend dürfte in Russlands Rechtsgeschichte eingehen. Die Männer sollen zwei Tage zuvor den Terroranschlag in der Crocus City Hall westlich der Hauptstadt ausgeführt haben, durch den nach offiziellen Angaben 137 Menschen getötet und 182 weitere verletzt wurden. Nun sah man sie mit Spuren schwerer Misshandlungen. So dokumentieren die Aufnahmen aus dem Gericht sowie auf Telegram veröffentlichte Bilder, wie Präsident Wladimir Putins Sicherheitsapparat Folter mittlerweile offen praktiziert.

Der 32 Jahre alte Dalerdschon Mirsojew hatte Blutergüsse um die Augen, das rechte war fast ganz zugeschwollen. Er trug Reste einer Plastiktüte um den Hals, wie sie über den Kopf gezogen werden kann, um Atemnot hervorzurufen. Auch um die Augen des 30 Jahre alten Saidakrami Murodali Ratschabalisoda waren Blutergüsse, auch sein rechtes Auge war fast ganz zugeschwollen. Zudem trug er einen großen Verband am rechten Ohr respektive dem, was davon übrig blieb: Ein großes Stück war ihm bei der Festnahme in einem Waldstück abgeschnitten worden.

Bei dem 25 alten Schamsiddin Fariduni war die linke Wange dick angeschwollen. Er war zuvor allem Anschein nach mit Stromstößen über an die Genitalien geklemmte Induktoren gefoltert worden. Der vierte Beschuldigte, der 19 Jahre alte Muchammadsobir Fajsow, wurde auf einer Trage in den Saal gebracht. Ihm war angeblich bei der Festnahme das linke Auge so aus der Höhle gesprungen, dass es nicht mehr schloss; Fajsow wurde operiert, trug noch Krankenhauskleidung, hielt die Augen geschlossen und reagierte nicht auf das Geschehen im Saal. Gegen alle vier Männer wurde Untersuchungshaft angeordnet.

Stromstöße durch Finger, Ohren oder Genitalien

Dass russische Sicherheitskräfte foltern, ist seit Langem bekannt. Prügel sind dabei ebenso gängig wie Stromstöße, die etwa mithilfe eines Feldfernsprechers versetzt werden wie nun offenbar Fariduni. So wurden im Februar 2020 in der Gebietshauptstadt Pensa gut 600 Kilometer südöstlich von Moskau sieben junge Männer aus anarchistischen und antifaschistischen Kreisen zu Lagerhaftstrafen von sechs bis 18 Jahren verurteilt. Laut dem Geheimdienst FSB hatten sie eine „Terrororganisation“ namens „Netz“ gegründet, „zur weiteren Destabilisierung der politischen Umstände im Land“.

Menschenrechtsschützern zufolge beruhte der Fall vollumfänglich auf Aussagen, die unter Schlägen und Stromstößen gemacht wurden. Für das Gericht spielte das keine Rolle. Auch das kennzeichnet russische Folterfälle. Bisher aber war der Sicherheitsapparat bemüht, die Folter zu kaschieren, denn sie ist auch in Russland illegal. Der Hauptangeklagte im „Fall Netz“ berichtete von sechs bis sieben Maskierten, die zu ihm in die Zelle des Untersuchungsgefängnisses gekommen seien, seine Hose heruntergezogen und die Stromfolter durchgeführt hätten. Fotos davon wurden nicht verbreitet.

Jetzt dagegen veröffentlichte zunächst der Telegram-Kanal „Grey Zone“, welcher der Wagner-Miliz nahesteht, ein Foto, das Fariduni liegend mit heruntergelassenen Hosen zeigt. Sein Unterleib ist unkenntlich gemacht. Journalisten des Exilmediums „Waschnyje Istorii“ fanden das Bild aber auch unverpixelt und hoben hervor, die Stromleiter seien wirklich an Faridunis Genitalien angeschlossen worden. „Grey Zone“ kommentierte hämisch, „einer der Terroristen-Migranten aus Tadschikistan hat vor Aufregung begonnen, das Bewusstsein zu verlieren, daher wurde er an das ‚Ladegerät‘ angeschlossen“. Es handele sich um ein „gewöhnliches Verhör“ mithilfe des Militärfernsprechers TA-57 und Induktoren. Die Stromstöße durch Finger, Ohren oder Genitalien seien bis zu 80 Volt stark und „für eine bessere Wirkung“ sei Wasser auf den Gefangenen zu schütten, erläuterte „Grey Zone“ weiter.

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