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#Scholz zieht falsche Lehre aus Ukraine-Krieg

„Scholz zieht falsche Lehre aus Ukraine-Krieg“

Als eine der Lehren, die aus dem Ukrainekrieg zu ziehen seien, hat der Bundeskanzler jetzt in einer Grundsatzrede in Prag noch einmal vorgeschlagen, die Einstimmigkeit in der Außenpolitik der EU abzuschaffen. Eigentlich ist das keine neue Forderung, sondern die Bekräftigung eines alten deutschen Standpunkts. Schon vor Putins Überfall war er auf den meisten Sprechzetteln in Berlin zu finden. Es ist klassisch integrationistisch ge­dacht: Die EU gilt als stärker, wenn die nationalen Regierungen weniger Macht haben und die Brüsseler Institutionen mehr. Noch jede Generation deutscher Europapolitiker hat diesen Glaubenssatz verinnerlicht.

Es ist aber nicht gesagt, dass er auch auf das fordernde Feld der Außenpolitik zutrifft. Im Ministerrat der EU, um den es in dieser Debatte geht, wird schon seit Jahren auf den meisten Politikfeldern mit Mehrheit abgestimmt. Das ist sinnvoll, wenn es etwa um den Außenhandel oder die Agrarpolitik geht, in denen die Kompetenzen weitgehend in Brüssel liegen. Die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“, wie sie amtlich heißt, ist dagegen nicht vergemeinschaftet. Die wichtigsten Instrumente haben die Mitgliedstaaten behalten, vom diplomatischen Dienst bis zum Militär. Es gibt einen Auswärtigen Dienst der EU, aber der kann nicht mal Visa ausstellen. Eine europäische Armee gibt es schon gar nicht.

Die Folgen müssen alle tragen

Anders als es in der deutschen Debatte oft dargestellt wird, ist das kein überkommenes Festhalten an nationalem Eigensinn, sondern eine vernünftige Regelung. Auf keinem Politikfeld ist der Einsatz so hoch wie in der Außenpolitik. In letzter Konsequenz geht es hier um Krieg und Frieden, wie gerade wieder in der Ukraine zu besichtigen ist. Die Vorstellung, man könne die Regierung eines oder mehrerer Mitgliedsländer bei Fragen von solcher Tragweite einfach mal überstimmen, ist befremdlich. Die Folgen eines EU-Beschlusses müssen alle tragen.

Das gilt auch für die Sanktionspolitik, die Scholz als ersten Schritt in die Mehrheitsentscheidung überführen möchte. Wenn die EU zum Beispiel mit Mehrheit den Handel mit einem Drittstaat einstellen sollte, dann müssten auch die Mitgliedstaaten ihre Geschäfte aufgeben, die dagegen waren. Eine Vergeltung träfe wiederum alle 27 EU-Länder. In einem gar nicht mehr so extremen Szenario ist vorstellbar, dass ein Land wie Russland auf europäische Sanktionen auch militärisch reagiert. Kann die EU solche Risiken wirklich eingehen, ohne dass alle Regierungen zugestimmt haben? Und wo soll das enden? Sollen eines Tages auch Militäreinsätze per Mehrheit be­schlossen werden? In der NATO gibt es das aus gutem Grund nicht.

Beschluss nicht umgesetzt

Was in solch zugespitzten Lagen passieren kann, kennt man aus der Innen- und Justizpolitik der EU. Dort gibt es keine Einstimmigkeit mehr. Im Jahr 2015 beschloss der Ministerrat mit Mehrheit, Flüchtlinge in der gesamten EU zu verteilen. Obwohl es sich um einen rechtskräftigen Beschluss handelte, weigerten sich mehrere osteuropäische Staaten erfolgreich, ihn umzusetzen. Das ist in Berlin vielleicht vergessen, aber es wäre auch in der Außenpolitik eine wahrscheinliche Folge bei einem starken Dissens im Rat. Der Schaden wäre sicherlich größer als der bei den manchmal unbefriedigenden Kompromissen, die heute in Brüssel eingegangen werden müssen.

Überstimmt werden könnte auch Deutschland. Die Mehrheitsregeln im Rat begünstigen aber die großen Mitgliedstaaten, weil sie die Ein­wohnerzahl berücksichtigen. Scholz (und Macron) geht es letztlich darum, kleineren EU-Ländern das Vetorecht zu nehmen. Der Kanzler begründet seinen Vorschlag ausdrücklich mit künftigen Erweiterungen in Richtung Osten, auch wenn niemand weiß, ob die in absehbarer Zeit stattfinden werden.

Das ist genau die falsche Lehre aus den vielen politischen Fehlentscheidungen, die in Europa vor dem Krieg gefallen sind. Es lag nicht an den Abstimmungsregeln, dass die EU Putins Revisionismus immer wieder hingenommen hat und dass Europa in eine verhängnisvolle Abhängigkeit von russischem Gas geraten ist. Es lag daran, dass Deutschland seine vermeintlichen Wirtschaftsinteressen mit harter Hand gegen den Willen vor allem der östlichen EU-Mitglieder durchgesetzt hat.

Die Lehre daraus sollte nicht sein, dass man diese Staaten künftig überstimmt, sondern dass man ihre Argumente ernst nimmt und ihre Belange berücksichtigt – so schwer das oft fallen mag, denn Länder wie Polen oder Ungarn bleiben schwierige Partner. Wenn Deutschland Führungsmacht sein will, wie der SPD-Vorsitzende Klingbeil sagt, dann wird das in Zukunft nur noch kooperativ gehen, und zwar nicht nur im Umgang mit Osteuropa. Es ist ernüchternd, dass das nach siebzig Jahren europäischer Einigung immer noch nicht selbstverständlich ist.

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