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#„Sea-Watch 4“ darf Hafen von Palermo verlassen

„Sea-Watch 4“ darf Hafen von Palermo verlassen

Das deutsche Seenotrettungsschiff „Sea-Watch 4“ kann nach mehr als fünf Monaten Blockade im Hafen von Palermo wieder auslaufen. Wie die gleichnamige Organisation in Berlin am Dienstagabend mitteilte, hat das Verwaltungsgericht in Palermo dem Antrag auf vorläufige Freigabe stattgegeben. Das Schiff werde nun so bald wie möglich zur Inspektionen in eine Werft fahren, wohl nach Spanien. Die italienischen Behörden hatten das Schiff nach einem Rettungseinsatz für 353 Bootsmigranten im zentralen Mittelmeer im September 2020 in Palermo festgesetzt, weil vorgeblich einschlägige Sicherheitsstandards nicht eingehalten worden seien.

Matthias Rüb

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Die „Sea-Watch 4“ wird von einem breiten Bündnis von Helfern finanziert und betrieben, unter ihnen auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Der EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm zeigte sich nach dem Gerichtsentscheid von Palermo erfreut. Die Freigabe sei überfällig und „dringend nötig“, heißt es in einer Mitteilung der EKD-Führung: „Allein in den ersten Wochen dieses Jahres sindbereits 185 Menschen im zentralen Mittelmeer ertrunken.“

Welcher Staat ist zuständig?

Die Entscheidung des Gerichts ist vorläufig, weil der Fall Ende 2020 an den Europäischen Gerichtshof verwiesen worden war. Das Gericht in Luxemburg muss entscheiden, welches Land über die Sicherheitsvorschriften für ein Schiff im humanitären Einsatz befinden kann: der Flaggenstaat, im Fall der „Sea-Watch 4“ Deutschland, oder der Staat, in dessen Hoheitsgebiet es in einen Hafen einläuft. Die deutschen Behörden hatten bei der Sicherheitsprüfung des Schiffes keine Beanstandungen vorgebracht.

Unterdessen hat das von der gleichen Organisation betriebene Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ bei mehreren Einsätzen im zentralen Mittelmeer bis zum Dienstag 363 Bootsflüchtlinge aus Seenot gerettet und wartet nun vor Sizilien auf die Zuweisung eines sicheren Hafens. Unter den Geretteten sind nach Angaben von Sea-Watch 47 Frauen, unter ihnen einige Schwangere. Ein Drittel der an Bord genommenen Migranten und Flüchtlinge seien minderjährig, 120 von ihnen ohne Begleitung.

Der EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm bekräftigte am Dienstag die Forderung nach einem europäischen Verteilmechanismus für Bootsflüchtlinge im Mittelmeer. Dieser solle ermöglichen, dass die geretteten Menschen in aufnahmebereite Länder gelangen und dort ein Asylverfahren durchlaufen könnten. Europa dürfe „nicht einfach zuschauen“, wenn Menschen auf der Flucht im Mittelmeer zu Tode kommen: „Jeder Mensch ist geschaffen zum Bilde Gottes. Jedes einzelne Menschenleben ist kostbar.“ Deswegen sei es so wichtig, dass wenigstens die privaten Seenotretter im Einsatz blieben und Leben retten könnten, so Bedford-Strohm.

Neuer Kurs in der Migrationspolitik?

Ob die Entscheidung des Gerichts in Palermo mit dem Regierungswechsel in Rom in Verbindung steht, ist ungewiss. In italienischen Medien wird berichtet, der neue Ministerpräsident Mario Draghi wolle das Problem illegaler Migration nach Italien, zumal über das Mittelmeer, auf möglichst pragmatischem Wege lösen. Danach dürften die Hafenbehörden des Landes privaten Seenotrettern mit Bootsflüchtlingen an Bord jeweils rasch einen sicheren Hafen zuweisen. Draghi hat von seinem Amtsvorgänger Giuseppe Conte die parteilose Innenministerin Luciana Lamorgese übernommen. Dem Vernehmen nach hat Draghi der rechtsnationalistischen Partei Lega des früheren Innenministers Matteo Salvini klar gemacht, dass ungeachtet der Rückkehr der Partei in die Regierung die Lega keinen Einfluss auf das Innenressort nehmen könne.

Salvini hatte während seiner Amtszeit als Innenminister von Juni 2018 bis August 2019 die Sperrung aller Häfen des Landes für Schiffe mit geretteten Bootsflüchtlingen an Bord sowie die Beschlagnahme von Schiffen privater Seenotretter angeordnet. An dieser Linie hatte die Regierung Conte nach dem Ausscheiden der Lega aus der Koalition mit der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung vom August 2019 im Wesentlichen festgehalten, jedoch ohne diese Politik propagandistisch aufzuladen oder auszuschlachten.

Kritik von Salvinis Lega

Der neue Ministerpräsident Draghi will sich auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren und hat kein Interesse an einer neuerlichen Kontroverse zur Migrationspolitik. Draghi und Innenministerin Lamorgese dürften versuchen, Schiffe privater Seenotretter mit Bootsflüchtlingen aus dem zentralen Mittelmeer an Bord möglichst geräuschlos in italienische Häfen einlaufen zu lassen, damit diese nach der fälligen Quarantäne an aufnahmewillige EU-Partnerländer verteilt werden können.

Nicola Molteni, der neue Staatssekretär der Lega im Innenministerium, hat jüngst beklagt, dass die Zahl der Migranten in Italien 2020 um das Dreifache gegenüber dem „Salvini-Jahr“ 2019 gestiegen sei. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres sei ein weiterer Zuwachs gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 77 Prozent registriert worden. Die Lega fordere deshalb einen Strategiewechsel in der Migrationspolitik und eine Abkehr von der „Politik der offenen Häfen“, so Molteni. Bisher hat die parteilose Karrierebeamtin Lamorgese mit der Rückendeckung Draghis dem Druck der Lega aber standgehalten.

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