#Sind Fake News schlimmer als Krieg?
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„Sind Fake News schlimmer als Krieg?“
Was passiert, wenn wir ausgerechnet am Wochenende angegriffen werden? Das fragte man sich – nur halb im Scherz – mitunter zur Zeit des Kalten Krieges bei der Bundeswehr. Die Frage war durchaus berechtigt, denn von Freitag Mittag an startete Woche für Woche die sogenannte NATO-Rallye: die Soldaten rasten nach Hause, nicht immer ohne Verluste, die Kasernen waren so gut wie leer. Nun sagt das noch nicht viel über die Kampfkraft der damaligen Bundeswehr; schließlich hätte auch der Gegner erst einmal mobil machen müssen, geht man von einem konservativen Szenario aus. Doch die Streitkräfte des Warschauer Paktes waren zu einem großen Teil ständig in einem Angriffsmodus; die Soldaten in den Kasernen, die Waffen bereit.
Heute stellt sich die Frage in anderer Weise: Wie widerstandsfähig sind Streitkräfte und Gesellschaft im Angesicht gleich mehrerer Krisen – und mit einer kleineren, aber auch weltweit eingesetzten Bundeswehr? Heute jedenfalls ist das seit jeher im Grunde schlimmste Szenario nicht mehr das Schlimmste. So sieht es jedenfalls der Nationale Territoriale Befehlshaber, der Inspekteur der Streitkräftebasis der Bundeswehr, Generalleutnant Martin Schelleis.
Wer ist der Gegner? Wer ist für die Abwehr zuständig?
„Der komplizierteste und herausforderndste Fall aus militärischer Sicht ist nicht der Kriegsfall“, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z. Dann nämlich wären „die Zuständigkeiten für die Sicherheit in Deutschland übersichtlich geregelt.“ Nein, der komplizierteste Fall ist aus seiner Sicht eine sogenannte hybride Auseinandersetzung „unterhalb der Schwelle zum Krieg, bei der gleichwohl militärische Mittel gegen uns zu Einsatz kommen könnten“, also etwa „Desinformationskampagnen mit ‚Fake News‘, Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen wie Strom- oder Wasserwerke, Sprengstoffanschläge, Überfälle mit Schusswaffen „und so weiter“.
Anders als früher ist es hier eben unklar, woher der Gegner kommt und wer der Urheber einer Attacke ist. Und damit ist es auch schwer zuzuordnen, so Schelleis, wer für die Abwehr dieser Gefahren zuständig ist. Deswegen sei für ihn als Nationalen Territorialen Befehlshaber wichtig, einen engen Austausch mit der zivilen Seite zu pflegen. „Und deswegen habe ich als Militär ein hohes Interesse an einem starken zivilen Pfeiler für die Gesamtverteidigung.“
Vertrauen ist entscheidend
Dabei sei das Vertrauen der Menschen entscheidend: „Sie müssen wissen und darauf vertrauen, dass der Staat sie ausreichend schützen kann.“ Deswegen sei ein ganzheitlicher Ansatz nötig. Kein neuer Gedanke. Schon das Weißbuch von 2016 betonte einen vernetzten Ansatz der Sicherheitspolitik, unter Einschluss aller zivilen und militärischen Instrumente. Eine Trennung von äußerer und innerer Sicherheit war damit schon obsolet. „Wir müssen uns stärker vernetzen, Kompetenzen zusammenbringen, uns austauschen, voneinander lernen, miteinander arbeiten, gemeinsam wirken, so Schelleis. Doch hat das bisher geklappt? „Das Desaster am Ende von 20 Jahren intensivem Engagement in Afghanistan unterstreicht, wie wenig dieser Ansatz tatsächlich umgesetzt wurde.“
Täglich um 12.30 Uhr
Wenn dann die Erfahrungen aus Pandemie, Hochwasser und Afghanistan dazu führen, so Schelleis, „dass man den ‚comprehensive approach‘ endlich anpackt – dann hätten diese Katastrophen auch ein Gutes.“ Man sehe in der Pandemie, dass bei länger anhaltenden, überregionalen landesweiten und besonders kritischen Lagen eine Steuerung durch die Bundesregierung notwendig werden kann. Aus militärischer Bewertung könne er sagen, so der Nationale Territoriale Befehlshaber, „dass selbst wenn man sich politisch auf eine Führung durch den Bund einigt, es derzeit an Stäben, die ein übergeordnetes oder gar gesamtstaatliches Lagebild aufbauen und entsprechende Maßnahmen planen und durchführen könnten, mangelt.“ Es fehle zudem an auf Krisen vorbereitetem Personal, das mit unklaren Lagen umgehen könne. Es fehle an strategischen Reserven. „Die gute Nachricht – all das ist erkannt und an all diesen Stellen wird eifrig gearbeitet.“ Spätestens seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 sei deutlich geworden, „dass wir uns wieder verstärkt der Landes- und Bündnisverteidigung widmen müssen.“
Natürlich brauche Deutschland dafür „robuste militärische Fähigkeiten, um im hochintensiven Gefecht gegen einen ebenbürtigen Gegner bestehen zu können.“ Deutschland sei für die Bündnisverteidigung der NATO „sowohl aus operationeller als auch logistischer Sicht die strategische Drehscheibe im rückwärtigen Bereich.“ Denn in Deutschland wird Verstärkung anlanden, von hier aus werden Einsätze geführt und geflogen und die multinationale Logistik koordiniert. „Das macht uns – leider – zum attraktiven militärischen Zielgebiet eines potenziellen Gegners.“
Dagegen muss sich Deutschland wappnen. Das wird nicht leichter, wenn Panzergrenadiere bei der Kontaktnachverfolgung im Kampf gegen Corona eingesetzt werden und zugleich zahlreiche Soldaten etwa bei der Bekämpfung einer Flut wie an der Ahr gebraucht werden. Die Bundeswehr, die freilich selbst auch bisweilen einem eingefahrenen Denken verhaftet ist, meistert auch das, wie sich gezeigt hat. Aber noch längst nicht greift beim Bevölkerungsschutz ein Rad ins andere. Viel zu wenig ist zudem aus den Fluten an Elbe und Oder gelernt worden. Doch immerhin gibt es jetzt verstärkt gemeinsame Gespräche zwischen militärischen und zivilen Stellen, um effektive Strukturen aufzubauen – für den Fall von Naturkatastrophen wie auch von hybriden Krisen oder von alldem zusammen. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien wird man dazu freilich kaum fündig.
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