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#Solidaritätslesung mit Israel im Deutschen Theater

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Im Deutschen Theater Berlin setzt eine prominent besetzte Solidaritätslesung ein Zeichen gegen Antisemitismus. Und zeigt, wie wichtig es gerade jetzt ist, Heinrich Heine, Hannah Arendt, Jean Améry oder Heinrich Mann zu lesen.

Deutsche Juden sind sich uneins: Darüber, ob sie sich seit den Anschlägen der Hamas am 7. Oktober nicht mehr sicher fühlen in Deutschland oder ob publizistische Kräfte ihre Bedrohungssituation in gierig selbsterfüllender Prophezeiung herbeiorakelten. Der Publizist Nikolai Klimeniouk hatte das in der F.A.Z. vom 03. November dem „Spiegel“ vorgeworfen. Bei der Solidaritätslesung des P.E.N. Berlin „,Nie wieder’ ist jetzt!“ stand jetzt beides im Programm: die reale Bedrohungssituation und das Versagen der Intellektuellen, denen Israelkritik dieser Tage oft leichter über die Lippen kommt als die Verdammung terroristischer Gräueltaten an Juden.

Berliner und Berlinerinnen waren am Freitag zahlreich ins Deutsche Theater gekommen, um der angekündigten Literaturprominenz beim Vortrag alter und neuer Texte zur Entstehung, Tradition und Aktualität des Antisemitismus zuzuhören. Ein Sicherheitsmann wachte neben dem Rednerpult und erinnerte die Anwesenden daran, dass eine solche Veranstaltung neuerdings ein gefährdeter Ort in Deutschland ist. An diesem Abend erwies es sich, dass der gefährdete Ort vom hellen Licht der jüdischen Aufklärung beschienen war. Mit kühler Eleganz argumentierten die Texte von Heinrich Heine („Der Rabbi von Bacherach“, 1840), Theodor Herzl („Zionismus“, 1899) oder Hannah Arendt („Besuch in Deutschland“, 1959). Und es fiel auch dem diskursgeschichtlich unbedarften Zuhörer wie Schuppen von den Augen: Alles längst bekannt, alles schon genau so da gewesen, von Intellektuellen und Schriftstellern genau so beklagt, von anderen Intellektuellen und anderen Schriftstellern genau so relativiert. Marko Martin erinnerte mit Jean Améry an die schockierende Indifferenz vieler Achtundsechziger gegenüber dem „jüdischem Katastrophengeschick“ der vergangenen 2000 Jahre. Man hatte schließlich dem Weltimperialismus unter der Führung Israels den Kampf angesagt.

Ihren Vorfahren näher als je zuvor

Herta Müller las dieser Auffassung Hohn sprechende Gedichte des Lyrikers Theodor Kramer – ein Wiener Jude, der mithilfe von Thomas Mann 1938 ins Londoner Exil gelangte, schweren Herzens und als gebrochener Mann: „Andre, die das Land so sehr nicht liebten/ warn von Anfang an gewillt zu gehn;/ ihnen – manche sind schon fort – ist besser./ ich doch müßte mit dem eignen Messer/ meine Wurzeln aus der Erde drehn.“ Das tat er schließlich, um in England als „Feindlicher Ausländer“ zwar gerettet zu werden, dann aber das Schicksal so vieler Exilanten zu erleiden: „In ganz London kein Hund prunzt mich an“, schrieb Kramer. Als er 1957 nach Wien zurückkehrte, war der Dichter auch dort ein Unbekannter, den kein Hund mehr anprunzte.

Juden versteckten heute überall auf der Welt wieder ihre Identität, schrieb die Autorin Nele Pollatschek in einem Text, den die Publizistin Düzen Tekkal vortrug. In dieser Zeit seien auch die Juden in Deutschland ihren Vorfahren näher als je zuvor. „Zum ersten Mal verstehen wir“, hieß es, „warum sie damals nicht gegangen sind. Nicht, weil sie die Gefahr nicht erkannt haben, sondern weil sie nicht wussten, wo sie sicher sein könnten.“

An diesem Abend wurde auch dem letzten bornierten Ja-aber-Intellektuellen deutlich: Israel war für die Juden der Diaspora die seit 2000 Jahren erhoffte „Möglichkeit der Obdachfindung“ (Jean Améry). Was es heißt, wenn andere mit dem Gedanken spielen, dieses Obdach wieder zu nehmen, wusste der Auschwitz-Überlebende Améry ebenfalls: Der Staat Israel sei ein Gemeinwesen, das die Juden gelehrt habe, „sich ihr Eigenbild nicht vom Antisemiten aufprägen zu lassen“. Dank des Staates Israel hätten die Juden der Diaspora begriffen, dass sie „Menschen seien wie andere auch“.

Wie es einer jüdischen Gemeinschaft in einem Staat gehe, sei immer ein Indikator dafür, wie es der Demokratie in diesem Staat gehe – vulgo, wie sehr er seine Minderheiten zu schützen und Toleranz zu fordern wisse, sagte der Journalist Gil Yaron kürzlich bei „Maischberger“. Die jüdische Bevölkerung in einem Land sei demnach wie der Wellensittich im Kohleflöz. Der wittert das giftige Kohlenmonoxid im Stollen als erster.

Heinrich Mann, dem Michel Friedman an diesem Abend seine Stimme lieh, hatte es mechanistischer ausgedrückt: „Der Antisemitismus verrät einen Fehler im inneren Gleichgewicht einer Nation.“ Niemand, der das Deutsche Theater anderthalb Stunden später verließ, kann noch Zweifel an dieser These gehabt haben.

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