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#„Starke EU ist im amerikanischen Interesse“

„Starke EU ist im amerikanischen Interesse“

Fast acht Stunden hatten die Staats- und Regierungschef der Europäischen Union am Donnerstagabend schon konferiert, als plötzlich ein frisches Gesicht auf ihren Bildschirmen auftauchte: Joe Biden, zugeschaltet aus dem Weißen Haus. Etliche Regierungschefs verbreiteten den Moment sogleich auf Twitter. Das bisher letzte Treffen eines amerikanischen Präsidenten mit allen EU-Chefs lag schon elf Jahre zurück: ein EU-Amerika-Gipfel mit Barack Obama 2010, damals freilich persönlich in Lissabon.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Bevor Biden reden durfte, bekam er erst einmal ein kleines Tutorial von Charles Michel. „In Washington ist vielleicht nicht klar, was der Europäische Rat macht“, sagte dessen Präsident. Und gab dann eine Erklärung im „Wissen macht Ah!“-Format: Im Rat träfen sich die 27 Staats-und Regierungschefs, von denen jeder seinen Bürgern und seinem Parlament verantwortlich sei. Es handle sich um das „strategische Zentrum“ der EU, wo über die Richtung der Politik entschieden werde, zum Beispiel mit Blick auf China und Russland. „Herr Präsident, Sie wissen nur zu gut, wie schwierig Überparteilichkeit ist. Und jetzt stellen Sie sich mal vor: Parteilichkeit mal 27! Weil 27 Staaten.“

Was geschieht mit den Strafzöllen?

Das war jedenfalls so getextet, dass es auch Donald Trump verstanden hätte. Nach der Wahl habe man in dem Kreis „viel über Sie geredet“, fuhr Michel fort. Jetzt sei man froh, direkt miteinander reden zu können. „Amerika ist zurück!“ Damit war Michel aber noch lange nicht fertig. Das ist bekannt, weil der Belgier sogleich seine gesamte Ansprache veröffentlichte. Ganz sanft ermahnte er Biden, dass man gemeinsam die Lieferwege für Vakzine offen halten müsse. Für Grundstoffe und Vorprodukte klappt das zwischen Europa und Amerika auch. Allerdings sind die Europäer nervös, was aus den 200 Millionen Impfdosen wird, die der amerikanische Pharmariese Johnson & Johnson von April an liefern soll. Die werden zwar in den Niederlanden hergestellt, sollen aber teilweise in Amerika abgefüllt werden. Ob Biden sie im Rahmen von „America first“ behält? Diplomaten sagen, es liefen Gespräche dazu.



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Michel warb auch noch für den strengen EU-Ansatz zum Datenschutz, den Klimaschutz und vergaß nicht, die Nato als „Eckpfeiler unserer gemeinsamen Sicherheit“ zu loben. Für Bidens Antwort waren zwanzig Minuten vorgesehen. Das Weiße Haus teilte dazu mit, der Präsident habe die Botschaft vermittelt, „dass eine starke EU im amerikanischen Interesse ist“. Er verwies auf die „gemeinsamen demokratischen Werte“ und die „weltgrößte Partnerschaft bei Handel und Investitionen“.

Bei den gemeinsamen Herausforderungen nannte auch Biden an erster Stelle die Bewältigung der Pandemie, sodann den Klimawandel und die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen. Dazu würde in jedem Fall gehören, dass Washington die Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa aufhebt, die Trump vor zwei Jahren verhängt hatte und die weiter in Kraft sind. Die Europäer haben sie mit Zöllen auf amerikanischen Whisky und Harley-Davidsons vergolten.

„Gemeinsamkeiten mehr pflegen“

Als viertes Thema nannte Biden die Zusammenarbeit in der Außenpolitik, speziell gegenüber China, Russland und der Türkei. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fasste diesen Punkt so zusammen: Biden habe dargelegt, dass man „als Demokratien zusammen stehen muss, um Menschenrechte und Menschenwürde zu verteidigen“. Auch Michel, ein Liberaler, hatte dafür geworben, gemeinsam „das demokratische Modell und die freie Marktwirtschaft zu verteidigen“.

Damit war klar: Europa und Amerika sehen sich gemeinsam im Systemwettbewerb mit Autokratien. In Brüssel fiel auf, dass Biden in diesem Zusammenhang auch die Türkei nannte – nicht, um sie auszugrenzen, sondern um an die Europäer zu appellieren, ein weiteres Abdriften des Landes zu verhindern. Mit der Vertiefung der Zollunion und der weiteren Finanzierung von Migranten in der Türkei machte der Europäische Rat Ankara konkrete Angebote.

Eine Dreiviertelstunde dauerte der Austausch mit Biden. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach anschließend von einer „Geste, die sehr, sehr wichtig war“. Man wolle die Gemeinsamkeiten wieder „mehr pflegen“. Zu China sagte sie, man wisse seit längerem, dass das Land „ein System-Wettbewerber ist“, trotzdem müsse man „Werte und Interessen zusammenbringen“. Es werde da viele Gemeinsamkeiten mit Amerika geben, „aber keine Identität“.

Das freilich erwartet Washington auch nicht, wie Bidens Außenminister Antony Blinken zuvor in Brüssel deutlich gemacht hatte – Washington wisse um die „komplexen Beziehungen“ der Europäer zu Peking. Hier gibt es sicher noch viel zu besprechen. Der erste persönliche Austausch mit Biden ist für Mitte Juni geplant. Der Präsident will zum G7-Treffen nach Cornwall kommen, davor oder danach könnte die Nato einen Mini-Gipfel in Brüssel abhalten und zu einer Sitzung auch die sechs EU-Staaten einladen, die nicht Mitglied der Allianz sind.

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