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#Steinmeiers Kranz für die Widerstandskämpfer

Steinmeiers Kranz für die Widerstandskämpfer

„Aus diesem Monitor kommt Streit zwischen Tschechen und Deutschen“, sagt Petr Koura und weist auf Lautsprecher und Bilder von Abgeordneten mit dicken Rauschebärten, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg in Mode waren. Sie stritten im böhmischen Landtag des einstigen Habsburgerreichs. Koura ist Direktor des Forschungsinstituts Collegium Bohemicum in Ustí nad Labem (Aussig). Er gibt am Freitag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Vorabführung durch die fast fertige Dauerausstellung in der tschechischen Stadt an der Elbe mit dem Titel „Unsere Deutschen / Naši Němci“.

Für Steinmeier ist es Teil zwei der geschichtspolitischen Agenda, die er sich für seine dreitägige Reise in die Tschechische Republik vorgenommen hat. Das politische Programm bestand aus Gesprächen mit den Gastgebern, Präsident Miloš Zeman, Ministerpräsident Andrej Babiš, den Präsidenten beider Parlamentskammern und Unternehmern sowie Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft. Steinmeiers Fazit: Die Beziehungen seien sehr gut und stabil. Über kleinere Differenzen kann man reden. Zeman tat das ganz offen beim „Green New Deal“, den er skeptisch sieht.

Tschechen wollen schnellere Bahnverbindung

Man darf davon ausgehen, dass Steinmeier seinerseits über die Themen Migration und Europa-Skepsis gesprochen hat. Den Tschechen dagegen liegen vor allem Infrastrukturmängel auf der Seele, etwa die umständliche Bahnverbindung Prag–München. Dass Berlin–Prag besser funktioniert, dokumentierte Steinmeier mit seiner Anreise per Bahn, um die viel Aufhebens gemacht wurde. Viele Gesprächspartner, besonders aus den Pendlergebieten, werden aber dem deutschen Staatsoberhaupt über ihren Schock berichtet haben, als in der Pandemie plötzlich die Grenzen geschlossen wurden.

Die wohl wichtigste Geste Steinmeiers war aber eine Kranzniederlegung an einer Stelle, an der sich bis dato noch kein deutscher Politiker hatte blicken lassen. Es ist die Gedenkstätte für die tschechischen Widerstandskämpfer, die am 27. Mai 1942 ein Attentat auf Hitlers Statthalter Reinhard Heydrich verübt hatten, dem dieser wenige Tage später erlag. Die sieben Kämpfer waren aus britischen Flugzeugen mit dem Fallschirm abgesprungen, wurden von der lokalen Bevölkerung gedeckt und nach der Tat in der orthodoxen Kirche Cyrill und Method versteckt. Durch Verrat kam die Gestapo auf ihre Spur, nach einem stundenlangen Feuergefecht waren alle Attentäter tot. In einer Vergeltungswelle wurden ganze Dörfer zerstört und annähernd hundert Männer und Frauen als Unterstützer durch die Nazis getötet. Ihrer wird in der Kirche in Prag gedacht.

Die Tschechen und Slowaken haben sich lange Zeit selbst mit diesem Ereignis schwergetan, denn die Attentäter waren von Großbritannien aus gestartet, was das kommunistische Regime nach dem Krieg lieber nicht erwähnte. So war die Selbstwahrnehmung vor allem die als Opfer Hitlers. Dass es auch eine tschechische Resistance gab, ist ein Bewusstsein, das erst nach und nach wächst. Dass Steinmeier nun die Heydrich-Attentäter ehrte, wurde ihm auch in Zeitungskommentaren hoch angerechnet.

Deutsche waren nicht nur „Nazis“

Dass nach dem Krieg auch Deutsche in Böhmen und Mähren Opfer von Morden und Vertreibung wurden, hat Steinmeier in Prag nicht angesprochen. Er mag befürchtet haben, dass das als eine Art Aufrechnung angesehen würde. Immerhin ist sein Besuch in Aussig, wo am 31. Juli 1945 eines der schlimmsten Massaker an Deutschen verübt wurde, ein Zeichen in diese Richtung. Dass die von ihm besuchte Ausstellung vor der Fertigstellung steht, ist ein wichtiger und keineswegs selbstverständlicher Schritt auf tschechischer Seite. Sie zeigt, dass die drei Millionen Menschen, die später als „Sudetendeutsche“ bezeichnet werden, nicht einfach alle „Nazis“ waren, sondern Nachbarn mit tausendjähriger Siedlungsgeschichte waren.

Freilich werden auch die Konflikte zwischen Deutschen und Tschechen nicht ausgespart, so etwa der im 19. Jahrhundert aufkeimende Nationalismus und auch die Anbiederung der sudetendeutschen Henlein-Partei an Hitler. Ein Manuskript, unterschrieben von einem gewissen František Kafka, erinnert an die gemeinsame Kultur – und an den Beitrag vieler jüdischer Mitbürger. Die Vertreibung wird in zurückgelassenen Gegenständen dokumentiert, etwa in Koffern, in welchen nur wenig Hab und Gut mitgenommen werden durfte. Natürlich habe es auch Kritiker gegeben, sagt Direktor Koura. „Nationalisten und Kommunisten mögen die Ausstellung nicht.“ Aber die seien inzwischen doch stark in der Minderheit.

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