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#Tintenfische können sich beherrschen

Tintenfische können sich beherrschen

Wer klug ist, wartet: Wir können einer unmittelbaren Versuchung widerstehen, wenn wir wissen, dass wir dadurch eine größere Belohnung in der Zukunft erhalten. Zu dieser disziplinierten Intelligenzleistung sind auch Tintenfische in der Lage, zeigen Experimente. Dabei zeichnete sich außerdem eine weitere Parallele zum Menschen ab: Diejenigen Tintenfische, die sich am längsten selbst beherrschen konnten, schnitten auch bei anderen kognitiven Tests besser ab als weniger disziplinierte Individuen.

Der Mensch ist schon früh zur sogenannten Impulskontrolle fähig – das hat der berühmt gewordene „Marshmallow-Test“ in den 1960er Jahren aufgezeigt. Dabei wurde vierjährigen Kindern jeweils ein einzelnes Stück der Süßigkeit vorgesetzt und gesagt: „Du kannst diesen einen Marshmallow jetzt essen – oder du wartest noch ein bisschen und dann bekommst du zwei “. Dabei zeigte sich die Fähigkeit der Kinder zur Impulskontrolle und auch, inwieweit sie zum Belohnungsaufschub bereit sind.

Im Gegensatz dazu sind die meisten Tiere nicht in der Lage, einem unmittelbaren Futterreiz zu widerstehen oder ihnen fehlen die kognitiven Fähigkeiten, um zu verstehen, dass ein Warten sinnvoll ist. Es gibt allerdings Ausnahmen: Einige Primaten und intelligente Vogelarten können den Vorteil begreifen und sich zurückhalten, zeigen Studien. Beim Menschen und Schimpansen konnte zudem nachgewiesen werden: Je intensiver die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub ausgeprägt ist, desto besser schneidet ein Individuum auch bei Tests zur allgemeinen Intelligenz ab.

Skurrile Schlauköpfe im Visier

Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher um Alexandra Schnell von der University of Cambridge nun die Fähigkeit zur Impulskontrolle bei einem Wesen ausgelotet, das auf den ersten Blick wenig mit den intelligenten Vertretern der Wirbeltiere gemeinsam zu haben scheint: dem Tintenfisch Sepia officinalis. Doch wie bereits aus einigen Studien bekannt ist, besitzen auch diese Kopffüßer ein hochentwickeltes Nervensystem, das ihnen komplexe kognitive Leistungen ermöglicht: Tintenfische können lernen und teils knifflige Aufgaben lösen. Es gab außerdem bereits Hinweise darauf, dass die skurrilen Meerestiere auf der Grundlage von Erfahrungen Erwartungen an die Zukunft stellen und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Deshalb haben Schnell und ihre Kollegen nun auch untersucht, inwieweit Tintenfische zum Belohnungsaufschub fähig sind.

„Wir verwendeten dazu eine angepasste Version des Marshmallow-Tests“, sagt Schnell. Dem einzelnen Marshmallow entsprach dabei ein Standardfutter-Objekt und die Rolle der verlockenden Zukunfts-Belohnung übernahm die Lieblingsspeise der Kopffüßer: eine Garnele. In der Versuchsanlage hatten die Tiere die Wahl zwischen zwei Kammern, die jeweils mit einem speziellen Symbol gekennzeichnet waren. In der einen war das Standardfutter sofort erreichbar, in der anderen lag hingegen die leckere Garnele, die allerdings erst nach Zeitverzögerung durch die Forscher freigegeben wurde. Wenn sich die Tintenfische zuerst das sofort erreichbare Standardfutter holten, wurde ihnen die Garnele in der Nachbarkammer verwehrt.

Je cleverer, desto beherrschter

Nach einer Trainingsphase zeigte sich, dass die Tiere dieses Entweder-Oder-System begriffen und sich schließlich klug verhielten: Sie verzichteten auf die sofortige Belohnung und warteten bis zu 130 Sekunden zugunsten der verzögerten, aber besseren Alternative. „Die Ergebnisse waren somit vergleichbar mit dem, was etwa bei Affen, Krähen und Papageien festgestellt wurde“, sagt Schnell. Ähnlich wie bei diesen zeichneten sich auch bei den Tintenfischen individuelle Unterschiede ab: Einige waren zu mehr Belohnungsaufschub bereit als andere. Die Bandbreite der tolerierten Verzögerungen reichte dabei von 50 bis 130 Sekunden, berichten Schnell und ihre Kollegen.

Weitere Versuche verdeutlichten dann: Tintenfische, die länger auf eine Mahlzeit warten konnten, zeigten auch bessere kognitive Leistungen bei Lernaufgaben. Die Versuchstiere wurden dabei darauf trainiert, einen visuellen Hinweis mit einer Nahrungsbelohnung zu verbinden. Dann wurde die Situation umgedreht, sodass der Leckerbissen mit einem anderen Hinweis assoziiert wurde. „Die Tintenfische, die beide Assoziationen am schnellsten lernten, waren zuvor besser in der Lage gewesen, Selbstkontrolle auszuüben“, berichtet Schnell. Dies ist das erste Mal, dass ein Zusammenhang zwischen Selbstbeherrschung und Intelligenz abgesehen von Schimpansen und Menschen dokumentiert wurde. Es handelt sich demnach offenbar um einen Fall von paralleler Evolution: Völlig unterschiedliche Entwicklungsgeschichten haben zu demselben kognitiven Merkmal geführt, so die Forscher.

Doch warum besitzen ausgerechnet Tintenfische Selbstkontrolle? Bisher gibt es dazu nur Vermutungen: Bei der Fähigkeit könnte es sich den Forschern zufolge um ein Nebenprodukt des ausgeprägten Tarnverhaltens der Kopffüßer handeln. Denn Tintenfische verbringen die meiste Zeit damit, sich zu verstecken und zu warten, bis sich eine günstige Gelegenheit zur Nahrungssuche ergibt. „Wir spekulieren, dass sich die Impulskontrolle im Zusammenhang mit dieser Fähigkeit zu warten entwickelt hat“, so Schnell.

Quelle: Marine Biological Laboratory, Fachartikel: Proceedings of the Royal Society B, doi: 10.1098/rspb.2020.3161

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