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#Entscheidung über die Zukunft des Comics

„Entscheidung über die Zukunft des Comics“

Eigentlich wollte der Reprodukt Verlag, der für sein fein kuratiertes Comic- und Graphic-Novel-Programm be­kannt ist, im Herbst viele Bücher von Berühmtheiten der internationalen Szene publizieren. Geplant waren unter anderem Alben von Barbara Yelin, Sascha Hommer, Shigeru Mizuki oder Paco Roca. Doch diese Werke stehen nun auf der Kippe, denn der Verlag hat mit den hohen Preisen für Papier und Energie zu kämpfen – zwei Probleme, die gerade viele unabhängige Verlage betreffen und vor existenzielle Fragen stellen. „Die Preise für Angebote, die wir bei den Druckereien eingeholt haben, sind sechzig Prozent höher als im Vorjahr. Das ist ein ökonomisches Desaster“, sagt Dirk Rehm, der Chef von Reprodukt.

Die Ursachen für die Preissteigerungen sind vielschichtig. So habe die Pandemie dazu geführt, dass die Liefer­ketten für Holz unterbrochen wurden: Viele Comicverlage, so auch Reprodukt, lassen ihre Bücher in Osteuropa drucken, in Polen, Litauen oder Lettland, wo jetzt wegen des Ukraine-Kriegs Holzmangel herrscht. Papierfabriken konzentrieren sich zudem auf die Herstellung von Kartons, da der Versandhandel boomt und Unternehmen wie Amazon höhere Preise für Papier zahlen. Die steigenden Energiekosten tun ein Übriges. Daneben sorgt aber auch der Erfolg des weltweiten Comicmarkts seit der Pandemie dafür, dass die Preise ansteigen: Die Auflagen haben sich zum Teil um ein Drittel erhöht – es muss mehr vorfinanziert werden.

Rehm hofft auf die „Community“

Deshalb will Reprodukt eine Lösung, die aus dem Start-up-Sektor stammt, ausprobieren: eine Crowdfunding-Kampagne über die Finanzierungsplattform Startnext, bei der private Geldgeber on­line spenden können. Rehm hofft auf die „Community“, wie er sagt, und dass möglichst viele Stammkunden in das Herbstprogramm investieren. Das Mo­dell des Crowdfundings ist in der internationalen Comicverlagswelt nicht un­üblich. In den Vereinigten Staaten hatte Fantagraphics bereits 2014 ein Kickstarter-Projekt ini­tiiert, um über diese Spendenwebsite seine Frühjahrs- und Herbstprogramme zu finanzieren. Insgesamt 220.000 Dollar hatte der Verlag dabei eingenommen, rund 70.000 mehr als die Zielmarke von 150.000 Dollar. Rehm hofft nun auf 30.000 Euro, um damit ein Fünftel der Produktionskosten für das neue Programm zu stemmen.

Dreißig Bücher soll es umfassen, darunter Werke wie „Berichte aus der Ukraine“ des italienischen Comiczeichners Igort oder „Werwolf“ von No­ëlle Kröger. Auf vier Wochen ist die Kampagne angelegt, vier der acht Verlags­mitarbeiter haben daran mitgewirkt. In einem Video erklären sie, in welche Bereiche die Mittel investiert werden. Daneben kommen auch Zeichner zu Wort, die die Kampagne unterstützen: „Aus unserem Autoren-, Zeichner- und Übersetzerpool haben wir positive Rückmeldung erhalten. Viele verstehen die Lage und freuen sich über den Lösungsversuch.“ Unter anderem un­terstützen Atak, Charles Berberian, Brecht Evens und Anke Feuchtenberger die Geldsammlung. Sie helfen Reprodukt zudem durch Editionsdrucke. Sollte das Geld nicht zusammenkommen, rechnet Rehm damit, dass er das Verlagsteam reduzieren muss und die Auflagen in diesem Jahr kleiner ausfallen. Doch nicht nur finanziell möchte Reprodukt von seinem Projekt profitieren, sondern auch durch eine dadurch engere Leserbindung.

Kaum mehr leistungsfähige Druckereien

Aus anderen deutschen Comicverlagshäusern hat Rehm von ähnlichen Problemen gehört. Anders aber als der ähnlich große Splitterverlag, der seine Bände oft auf einheitlichem Papier produziert und deshalb größere Bestellungen dafür aufgeben kann, wählt Reprodukt für jede Comicveröffentlichung eine individuelle Papiersorte und arbeitet deshalb mit mehr als zehn Druckereien zusammen. „Uns geht es um die hochwertige Haptik und die Farbigkeit. Jede unserer Druckereien ist auf andere Dinge spezialisiert“, sagt Rehm. Beim größten europäischen Comic­festival, das kürzlich im französischen Angoulême stattfand, seien die Rohstoffpreise ein wichtiges Thema gewesen, sagt Rehm. Dabei sei ein spezifisches Problem der G-7-Staaten diskutiert worden: Durch Outsourcing gebe es in vielen dieser Länder kaum mehr leistungsfähige Druckereien, die qualitativ mit denen in Osteuropa, China oder Indien konkurrieren können. Auch diese Entwicklung stelle Comicverlage vor Herausforderungen. Rehm hofft, dass sich die Situation im Herbst bessert. Aber er sorgt sich wegen des Ukraine-Kriegs:

„Gerade entscheidet sich die Zukunft des Comics auf dem deutschen Markt.“ Wenn die Kampagne von Reprodukt funktionieren sollte, wäre das ein einzigartiges Modell in Deutschland, denn ein gesamtes Verlagsprogramm wurde bisher noch nicht durch Crowdfunding finanziert, obwohl es seit Jahren Ver­suche gab, über das Internet einzelne Veröffentlichungen zu ermög­lichen. Re­produkt hat früh mit seinen Planungen begonnen, weil noch andere Verlage durch Crowdfunding Unterstützung suchen könnten. Das prognostiziert auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Nicht nur für Comics.

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