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#Unser Dorf soll böser werden

„Unser Dorf soll böser werden“

Wer denkt, die heutige Welt sei schlimm, war noch nie in Lapvona. Das Dorf im gleichnamigen Roman von Ottessa Moshfegh liegt irgendwo zwischen einem Norden voller blonder, gehorsamer Menschen und einem lockeren Süden am Meer, die Namen der Lapvoner lassen an Osteuropa denken, die Szenerie an ein Videospiel-Spätmittelalter, aber hauptsächlich lässt sich Lapvona durch ein Wort charakterisieren: Grausamkeit.

Schon auf den ersten Seiten dieses Buches verübt eine Räuberbande ein Gemetzel an einer Lapvoner Familie, worauf die Dorfbewohner einen der Räuber fangen, verprügeln, verstümmeln, mit Kot bewerfen und dann, nachdem sie ihn einige Tage haben leiden lassen, hinrichten. Zeuge des schaurigen Spektakels ist Marek, ein dreizehnjähriger Junge, der so „hässlich und krumm“ ist, dass sein Vater ihn kaum anschauen mag.

Überhaupt hat dieser Vater, der Hirte Jude, nur Verachtung für seinen Sohn übrig. Er schlägt den Jungen kurz nach der Hinrichtung halb tot, weil er einen Eimer fallen lässt. Das findet Marek aber toll, denn „Schmerzen waren gut, glaubte Marek. Sie offenbarten ihm die Liebe und das Mitgefühl seines Vaters.“ Sowieso ist der Junge ständig auf der Suche nach Zuneigung, denn seine Mutter Agata ist bei der Geburt gestorben. So erzählt es ihm zumindest Jude zu Beginn des Romans, natürlich in allen blutigen Details.

Obwohl die eigentliche Handlung hier noch nicht einmal begonnen hat, ist einem schon schlecht. Denn Ottessa Moshfegh hat ein außerordentliches Talent dafür, körperliche Zustände so greifbar zu schildern, dass man sie selbst an sich zu spüren glaubt. Nur wird es einem mit dieser Begabung schon einmal zu viel, wenn sich die Autorin auf Grausamkeit in solchen Ausmaßen konzentriert. Denn nicht weniger brutal geht es weiter. Eines Tages trifft nämlich dieser Marek auf Jacob, den Sohn des einheimischen Fürsten, und findet dessen schicke Schuhe etwas zu schick, also lässt er ihn in einer Art Unfall-Mord über eine Klippe stürzen. Daraufhin folgt nicht nur eine detaillierte Beschreibung der entstellten Kinderleiche, mit diesem Tod setzt nun auch die Handlung des Romans ein: ein über ein ganzes Jahr in Lapvona dauernder Reigen aus Rollentausch, Verwandtschaftsenthüllungen und verhängnisvollen Zufällen.

Lakonischer Tonfall, körperliche Grenzzustände

Das ist gerade zu Beginn unterhaltsam, wenn die überraschenden Wendungen noch erstaunen, die Lügen noch erschrecken und Moshfeghs trockener Humor einen trotz der vielen Gewalt noch zum Lachen bringt. Die 1981 in den USA geborene Tochter eines jüdischen Iraners und einer kroatischen Mutter ist für diese spezifische Mischung aus lakonischem Tonfall und der Beschreibung körperlicher Grenzzustände und menschlicher Abgründe bekannt. Ihre Protagonisten sind oft Außenseiter, komisch, klug und krass, beispielsweise die Gefängnissekretärin mit dem alkoholkranken Vater und einem ausgeprägten Selbsthass aus dem 2015 veröffentlichten Roman „Eileen“, für den Moshfegh einen PEN/Hemingway-Award erhielt und auf der Shortlist des Booker Prize stand. Oder die Protagonistin aus dem 2018 erschienenen „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“, die glaubt, durch medikamentös herbeigeführten Winterschlaf ein besserer Mensch zu werden.

In „Lapvona“ wechselt Moshfegh von den früheren Icherzählerinnen zu einer neuen, allwissenden Erzählperspektive – und übertreibt dabei leider zunehmend das, was sie zuvor auszeichnete. Die „Freaks“ aus ihren bisherigen Romanen steigern sich hier zum Ensemble eines ermüdenden Horrortheaters. Alle sind derart verdorben, bösartig und auch schlicht dumm, dass es beliebig wird.

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