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#Unsere Krise, eure Krise: Wie die Pandemie zu einem Generationenkonflikt wird

Unsere Krise, eure Krise: Wie die Pandemie zu einem Generationenkonflikt wird

Was ein Leben lebenswert macht, ist mehr denn je eine Frage der Perspektive. Für die einen reicht ein ruckelfreies Netflix-Abo mit Snacks zur Linken und Smartphone zur Rechten, für andere verliert selbst Wingsuit-Jumping vor lauter Extrem-Amüsement den Reiz. Dazwischen entfaltet sich ein Freizeitkosmos, in dem die einen mit wenig Aufwand gut entertaint werden, andere hingegen nicht mal geweckt. Ida steht, so sehr einige auch daran zweifeln, genau in der Mitte.

Ida, zur Erinnerung, ist eine Bewohnerin der runtergeregelten Pandemie-Republik, die dem ZDF erzählte, das Feiern „krass“ zu vermissen, weil sie es sonst dreimal wöchentlich tue. Die Frau, wohl Anfang 20, gestand also nicht, jede Nacht auf illegalen Raves zu eskalieren, sondern im Gegenteil: abstinent zu sein. Keine Partys, viel Zuhause. Dafür tagelang im Shitstorm zu stehen, ist selbst zu Zeiten, die schon für politische Zuversicht, was Schwieriges zu schaffen, kollektiven Hass verbreiten, einigermaßen absurd. Es verweist aber auf ein Problem, das mit hartrechten Hate-Spreadern nur am Rande zu tun hat.

Es geht dabei ums Alter.

Seit jeher wird Jüngeren ja Sorglosigkeit zulasten Älterer unterstellt. Vor 2000 Jahren attestierte der antike Denker Plutarch dem Nachwuchs, er „kenne nur Verschwendung und ist leidenschaftlich dem Tanze ergeben“, was der mittelalterlicher Mönch Peter mit dem Tadel fortschrieb, die „jungen Leute von heute“ seien „ungeduldig und unbeherrscht, reden so, als wüssten sie alles, und was wir für weise halten, empfinden sie als Torheit.“ Klingt nach Halbstarken, wie Teenager im Nachkriegsbiedermeier hießen. Wonach es weniger klingt, ist der Jugendwahn, in dem sich 70-Jährige jetzt Vans kaufen und aufs Skateboard steigen.

Ausgerechnet die Erziehungsberechtigten der Generationen X bis Y also, wegen ihrer frühen Geburt vorm Pillenknick der Sechziger „Babyboomer“ genannt, unterstellen den Generationen Y bis Z, ihr ungebremstes Spaßbedürfnis würde die Pandemie anheizen und damit – buchstäblich ein Todschlagargument – das Leben der eigenen Großeltern gefährden. Nun ist es tatsächlich so, dass maskenlose Partys in überfüllten Schanzenbars unter Angabe falscher Namen mit Verantwortung so viel zu tun hat wie Kirmestechno mit Tanzmusik – aber darum geht es nicht. Es geht um die Selbstgerechtigkeit, mit der Jüngeren zurzeit das Recht auf individuelle Prioritätensetzung verweigert wird.

Maskenlose Partys in überfüllten Schanzenbars unter Angabe falscher Namen haben mit Verantwortung so viel zu tun hat wie Kirmestechno mit Tanzmusik – aber darum geht es nicht. Es geht um die Selbstgerechtigkeit, mit der Jüngeren zurzeit das Recht auf individuelle Prioritätensetzung verweigert wird.

Diese Millennials nämlich hätten eigentlich gerade den prallsten Frühlingsommerherbstundwinter ihres Lebens. Schule, Ausbildung, Uni fertig und raus. Raus ins Studium, raus ins Ausland, raus ins Berufsleben, Familienleben, freiwilliges soziale Jahr, was auch immer, aber raus, raus, raus, nur vorher eben nochmals: Rein, rein, rein in die Nacht, in den Exzess, in das denkbar aufgelandenste Dasein. Alltag am Horizont, Freitag vor Augen, sechs Monate am Stück oder zumindest bis Sonntagmorgen. Doch dann? Stillstand. Maske. Abstand. Partyverbote. Lockdown at least.
Es ist legitim, Selbstbeschränkungen dort einzufordern, wo ihr Gegenteil Leib und Leben anderer gefährdet oder den Wohlstand aller. Aber was das ist, dieses Leben, dieser Wohlstand, was beides ausmacht und was nicht, bleibt Auslegungssache, Ansichtssache, subjektiv also. Einerseits. Denn für 18-Jährige auf Fridays For Future-Entzug ist eine durchtanzte Nacht auf Mate oder mehr auch objektiv betrachtet womöglich doch etwas wichtiger als für 68-Jährige auf SUV-Entzug der erlaubte Einkauf im Autosalon. Umso verstörender wirkt es, wenn ausgerechnet jene nach harter Disziplinierung feiernder Teenies rufen, die ihnen zugleich minimale Maßnahmen verweigern, um den Klimawandel noch einigermaßen in den Griff zu kriegen.

Die Krise jetzt vs. die Krise von morgen

Da wäre durchaus ein wenig Demut angeraten, etwas mehr Selbstreflexion, zumindest Ansätze von Abwägung. Stattdessen will diese alternde Generation den Opfern ihrer hemmungslosen Konsumideologie mit acht Jahrzehnten Restzeit auf der Lebensuhr sagen, dass ihr Entertainmentbedürfnis jetzt den Tod ihrer eigenen Verwandtschaft in Kauf nimmt, wenn nicht gar verschuldet? Angesichts dieser Doppelmoral sprach der Hildesheimer Soziologe Michael Corsten in der Süddeutschen Zeitung unlängst von „moralischer Panik“, mit der nach Schuldigen für eine Pandemie gesucht wird, die Donald Trump in China findet oder wahlweise in Gottes Strafkatalog.
Keine Frage: dicht an dicht im Keller zu feiern ist momentan nicht nur falsch, sondern – Scheißwort, richtige Botschaft – asozial. Und eine große Anzahl der sonst Feierwütigen übt sich seit Monaten im Verzicht, nur Bruchteile an Unvernünftigen ihrer Generation werden im anklangenden Scheinwerfer hervorgehoben. Aber auch hier zur Erinnerung: als Bilder von Festen auf Flugplätzen, Waldlichtungen, Tretbooten die Aufmerksamkeitsökonomie durchdrangen wie SARS-CoV-19 nachlässig gebundene Alltagsmasken, sah man Leute, die an frischer Luft feiern. Dort, wo sich Aerosole weit besser verteilen als, sagen wir: in den Schlachthöfen des Menschenfeindes Clemens Tönnies, den empathische Teenager nicht ganz zu Unrecht gefährlicher für Leib und Leben von Oma und Opa finden, als eine Herbstnacht mit Soundsystem im Wohlerspark oder auf dem Tempelhofer Feld.

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