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#Unterwegs in der Weltpolitik

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Unterwegs in der Weltpolitik

Im Crossover Outfit

Angela Merkel, Juni 1990

Es war eine Begegnung, wie sie in Hotelaufzügen schon mal vorkommt: Die Tür geht auf, man will einsteigen und stößt dann mit einer Person zusammen, die rasch aussteigen will. In meinem Fall war der Schauplatz ein Hotel in Dublin im Juni 1990, in dem die deutsche Delegation Quartier bezogen hatte. Auch ich war hier untergekommen, beziehungsweise wir: Meine Frau war mitgekommen, unser jüngster Sohn war ebenfalls dabei. Anlass war ein europäisches Gipfeltreffen, über das ich berichtete, es ging um die deutsche Vereinigung. Meine Frau und ich, den Kinderwagen mit unserem Sohn schiebend, stürmten also in den sich öffnenden Fahrstuhl. Nur knapp konnten wir einen Zusammenstoß mit einer Frau vermeiden, die uns entgegenkam. Mir war sie unbekannt. Für die örtlichen und auch sonstigen Verhältnisse sah sie etwas merkwürdig aus: halb Hippie, halb Besucherin eines evangelischen Kirchentags, in einem ganz unmondänen Crossover-Outfit.

Das Rätsel der Frau, mit der wir beinahe kollidiert wären, löste sich wenige Stunden später: Helmut Kohl hatte den frei gewählten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, mitgenommen, und der wiederum seine stellvertretende Sprecherin: Es war Angela Merkel. Sie lud in unserem Hotel zur Presseunterrichtung ein. Ich war baff. Hätte mir damals, im Juni 1990 in Dublin, jemand gesagt, sie würde 15 Jahre später Bundeskanzlerin werden, dieses Amt dann 16 Jahre lang bekleiden und in Teilen der demokratischen Welt zur Führerin des Westens h.c. ausgerufen werden – ich hätte eine solche Vorhersage für das Ergebnis eines allzu heftigen Guinness-Konsums erklärt. Wegen des Verlaufs der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 wäre das mit dem Bierkonsum gar nicht unwahrscheinlich gewesen.

Klaus-Dieter Frankenberger mit dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz 2015 in der F.A.Z.-Redaktion


Klaus-Dieter Frankenberger mit dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz 2015 in der F.A.Z.-Redaktion
:


Bild: Frank Röth

Diese Einweckgläser

In Laibach/Ljubljana, Juni 1991

Warum schickt man einen jungen Redakteur als Reporter zur Berichterstattung ins slowenische Kriegs- und Krisengebiet, obwohl der bislang nicht durch Kenntnisse aufgefallen ist, die eine Entsendung in Richtung Balkan rechtfertigen würden, rein fachlich gesehen? Ich weiß es bis heute nicht. Aber offenkundig hielt es die Leitung der politischen Redaktion für eine gute Idee, mich nach Laibach (Ljubljana) zu schicken. Sie hatte mich wenige Monate zuvor übrigens schon nach Saudi-Arabien an den Golf geschickt, obwohl ich bis dahin auch nicht als ein zweiter Lawrence von Arabien aufgefallen war. Aber egal.

Nun, Ende Juni, fielen in Slowenien die ersten Schüsse und die ersten Bomben. Die jugo- slawischen Nachfolgekriege hatten begonnen. Ich sollte dorthin. Und so kam es, dass ich zu Fuß zu einem improvisierten Pressezentrum in der Stadt unterwegs war, als die Sirenen heulten: Fliegeralarm! Ein Polizeifahrzeug raste an mir vorbei, bremste, setzte zurück, ein Polizist stieg aus, schrie mir etwas entgegen, was ich natürlich nicht verstand, worauf er mich am Arm packte und in den Eingang eines großen Wohnhauses stieß. Und plötzlich war ich in einem Keller, umgeben von Frauen, Kindern und einigen alten Männern. Sie starrten mich an, und ich starrte zurück, ungläubig. Mein Blick fiel auf die unzähligen Konservendosen und Einweckgläser in den Regalen, es müssen Hunderte Einweckgläser gewesen sein. An der bizarren Situation hätte mein Kollege Konrad Schuller, der Jahre später, als er über die Ukraine berichtete, ganze Reportagen den Einweckgläsern der Einheimischen widmen sollte, seine helle Freude gehabt. Trotz kurzzeitig aufkommender Besorgnis schlug bei meinem ersten beruflichen Balkan-Ausflug dann doch nicht mein letztes Stündchen im Keller eines Wohnblocks in der slowenischen Hauptstadt. Es wurde bald Entwarnung gegeben. Ich trat hinaus ins helle Sonnenlicht. Aber diese Einweckgläser…

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Angela Merkel, Juni 1990

Es war eine Begegnung, wie sie in Hotelaufzügen schon mal vorkommt: Die Tür geht auf, man will einsteigen und stößt dann mit einer Person zusammen, die rasch aussteigen will. In meinem Fall war der Schauplatz ein Hotel in Dublin im Juni 1990, in dem die deutsche Delegation Quartier bezogen hatte. Auch ich war hier untergekommen, beziehungsweise wir: Meine Frau war mitgekommen, unser jüngster Sohn war ebenfalls dabei. Anlass war ein europäisches Gipfeltreffen, über das ich berichtete, es ging um die deutsche Vereinigung. Meine Frau und ich, den Kinderwagen mit unserem Sohn schiebend, stürmten also in den sich öffnenden Fahrstuhl. Nur knapp konnten wir einen Zusammenstoß mit einer Frau vermeiden, die uns entgegenkam. Mir war sie unbekannt. Für die örtlichen und auch sonstigen Verhältnisse sah sie etwas merkwürdig aus: halb Hippie, halb Besucherin eines evangelischen Kirchentags, in einem ganz unmondänen Crossover-Outfit.

Das Rätsel der Frau, mit der wir beinahe kollidiert wären, löste sich wenige Stunden später: Helmut Kohl hatte den frei gewählten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, mitgenommen, und der wiederum seine stellvertretende Sprecherin: Es war Angela Merkel. Sie lud in unserem Hotel zur Presseunterrichtung ein. Ich war baff. Hätte mir damals, im Juni 1990 in Dublin, jemand gesagt, sie würde 15 Jahre später Bundeskanzlerin werden, dieses Amt dann 16 Jahre lang bekleiden und in Teilen der demokratischen Welt zur Führerin des Westens h.c. ausgerufen werden – ich hätte eine solche Vorhersage für das Ergebnis eines allzu heftigen Guinness-Konsums erklärt. Wegen des Verlaufs der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 wäre das mit dem Bierkonsum gar nicht unwahrscheinlich gewesen.

Klaus-Dieter Frankenberger mit dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz 2015 in der F.A.Z.-Redaktion


Klaus-Dieter Frankenberger mit dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz 2015 in der F.A.Z.-Redaktion
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Bild: Frank Röth

Diese Einweckgläser

In Laibach/Ljubljana, Juni 1991

Warum schickt man einen jungen Redakteur als Reporter zur Berichterstattung ins slowenische Kriegs- und Krisengebiet, obwohl der bislang nicht durch Kenntnisse aufgefallen ist, die eine Entsendung in Richtung Balkan rechtfertigen würden, rein fachlich gesehen? Ich weiß es bis heute nicht. Aber offenkundig hielt es die Leitung der politischen Redaktion für eine gute Idee, mich nach Laibach (Ljubljana) zu schicken. Sie hatte mich wenige Monate zuvor übrigens schon nach Saudi-Arabien an den Golf geschickt, obwohl ich bis dahin auch nicht als ein zweiter Lawrence von Arabien aufgefallen war. Aber egal.

Nun, Ende Juni, fielen in Slowenien die ersten Schüsse und die ersten Bomben. Die jugo- slawischen Nachfolgekriege hatten begonnen. Ich sollte dorthin. Und so kam es, dass ich zu Fuß zu einem improvisierten Pressezentrum in der Stadt unterwegs war, als die Sirenen heulten: Fliegeralarm! Ein Polizeifahrzeug raste an mir vorbei, bremste, setzte zurück, ein Polizist stieg aus, schrie mir etwas entgegen, was ich natürlich nicht verstand, worauf er mich am Arm packte und in den Eingang eines großen Wohnhauses stieß. Und plötzlich war ich in einem Keller, umgeben von Frauen, Kindern und einigen alten Männern. Sie starrten mich an, und ich starrte zurück, ungläubig. Mein Blick fiel auf die unzähligen Konservendosen und Einweckgläser in den Regalen, es müssen Hunderte Einweckgläser gewesen sein. An der bizarren Situation hätte mein Kollege Konrad Schuller, der Jahre später, als er über die Ukraine berichtete, ganze Reportagen den Einweckgläsern der Einheimischen widmen sollte, seine helle Freude gehabt. Trotz kurzzeitig aufkommender Besorgnis schlug bei meinem ersten beruflichen Balkan-Ausflug dann doch nicht mein letztes Stündchen im Keller eines Wohnblocks in der slowenischen Hauptstadt. Es wurde bald Entwarnung gegeben. Ich trat hinaus ins helle Sonnenlicht. Aber diese Einweckgläser…

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