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#Verbote sind nicht der beste Ansatz

Verbote sind nicht der beste Ansatz

Deutschland ist ein Eigenheimland. Nach einer Erhebung der Bundesstiftung Baukultur werden hierzulande jährlich rund 146.000 Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet; über achtzig Prozent aller Wohngebäude seien Einfamilienhäuser. Die Erfahrungen der Corona-Krise haben noch einmal für einen Anstieg der Nachfrage nach Häusern mit Garten gesorgt. Wer im Hochhaus wohnt, ist im Lockdown klar im Nachteil gegenüber jemandem, der aus seiner Küche ins Grüne treten kann.

Entsprechend heftig fielen die Reaktionen aus, als Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, jetzt vor den ökologischen Folgen des Baus von Einfamilienhäusern warnte. Sie verbrauchten viel Fläche, Baustoffe und Energie und sorgten „für Zersiedelung und noch mehr Verkehr“. Von der politischen Konkurrenz wurde das als Kampfansage ans Eigenheim gelesen. Aus der FDP hieß es, dass „die Grünen den Menschen den Traum vom Eigenheim madigmachen“, der CDU-Wirtschaftsrat warnte vor einem bundesweiten „Bauverbot von Einfamilienhäusern“. Einige fühlten sich an die DDR und ihren Drang zur effizienten Unterbringung der Genossen in Plattenbauten erinnert. Robert Habeck gab knurrig zu Protokoll, das Einfamilienhaus werde es auch in Zukunft geben.

Ein flächendeckendes Bauverbot wäre rechtlich auch gar nicht durchsetzbar. Nach Paragraph 34 des Baugesetzbuchs ist der Bau eines Einfamilienhauses in der Regel zulässig, wenn es sich in die umliegende Bebauung einfügt. Worum geht es dann? In Zukunft sollen sektorale Bebauungspläne die Kommunen ermächtigen, festzulegen, dass ein Anteil günstiger Mietwohnungen errichtet, zur Vermeidung einer Zersiedlung dichter gebaut und der knappe Boden effizient bebaut werden muss. Wird die Baulandverknappung, wie Kritiker fürchten, den Preis von Eigenheimen so in die Höhe treiben, dass gerade junge Familien sich keins mehr leisten können?

Weil es zentral keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt

Die Debatte rührt an einen neuralgischen Punkt. Seit der englische Richter Edward Coke (1552–1634) das berühmte Diktum „a man’s house is his castle“ niederschrieb, stehen die eigenen vier Wände für elementaren Schutz und Familienglück, für Alterssicherung und Privatsphäre. Man muss andererseits kein Hofreiter-Fan sein, um zu sehen, wie die Landschaft immer weiter zersiedelt wird und zahllose Pendler die gute Luft verdieseln, derentwegen sie eigentlich ins Häuschen vor die Stadt gezogen sind.

Was tun? Ein erster Schritt wäre getan, würde man die Debatte etwas versachlichen. Es heißt immer, das Eigenheim sei die „beliebteste“ Wohnform der Deutschen. Doch viele ziehen nicht vor die Stadt, weil sie so gern im Stau und in engen Siedlungen sitzen, sondern weil es im Zentrum keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt. Würde man allen Pendlern, die eigentlich in der Stadt wohnen möchten, dort günstige Häuser mit grünen Höfen anbieten können, wäre ein Teil des Problems gelöst. Die Voraussetzung dafür wären die Entbürokratisierung des städtischen Bauens und die Abschaffung kostentreibender Dämm-, Abstands- und Komfortvorgaben.

So verlieren Vororte ihren ökologischen Schrecken

Bleiben diejenigen, die im Eigenheim leben möchten. Muss man sie zwingend als ökologische Problemfälle betrachten? Ja, das Bauen ist ein erheblicher Treiber des Klimawandels. Aber genaugenommen müsste niemand neu bauen, um in ein Einfamilienhaus ziehen zu können. In den Ortskernen stehen viele alte Häuser leer (in Nordrhein-Westfalen bald jedes fünfte), während an den Rändern kopflos Neubaugebiete ausgewiesen werden. Die Qualität der dortigen Neubauten ist häufig erbärmlich: eine vor allem am eigenen Gewinn interessierte Massivhaus-Industrie würfelt in Serie Kisten mit schießschartengroßen Plastikfenstern und ökologisch fragwürdiger Kunststoffdämmung auf die Wiese.

Wenn man es richtig angeht, bergen die oft nur als Problem beschriebenen Dörfer und Vorstädte gerade in Zeiten der Digitalisierung ein großes Potential. Es wäre an der Zeit, eine Bauausstellung zu organisieren, die zeigt, wie man Ortskerne verdichtet und den Altbestand umbaut: zu Häusern für Familien, zu Wohngemeinschaften für Freundeskreise und Ältere. Auch hier gilt, dass es zielführender ist, Alternativen anzubieten, als mit Einschränkungsbescheiden herumzufuchteln. Als Robert Habeck gefragt wurde, was er im Falle einer Regierungsbeteiligung als Erstes unternehmen würde, fiel auch ihm nur ein Verbot ein. Er wolle sofort ein Tempolimit einführen. Er hätte auch sagen können: massiver Ausbau der Netzinfrastruktur, der Bildungsmöglichkeiten, des Nahverkehrs in Vorstädten und ländlichen Räumen.

Dass Eigenheime als ökologisches Problem erscheinen, liegt auch an einem öffentlichen Nah- und Fernverkehr, der so unattraktiv ist, dass man lieber Auto fährt. In Frankreich verbinden Schnellzüge große Städte mittlerweile doppelt so schnell, wie es der Bahn hierzulande gelingt; hochmoderne Trams bringen die Bürger in die Vororte, die so ihren ökologischen Schrecken verlieren. Diesen Baustellen sollten sich die deutschen Parteien dringender widmen als ideologischen Wahlkampfschlachten ums Eigenheim.

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