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#Vertreibung aus der zweiten Heimat

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Es ist ein glamouröser Ort, den sich Volkswagen für die „Weltpremiere“ seines Hoffnungsmodells ausgesucht hat. Nirgendwo sonst ist China schöner, teurer, internationaler als an Schanghais Westbund, wo sich neben Luxusapartments die spektakulär designten Kunstmuseen chinesischer Milliardäre drängeln.

An der Promenade am Ufer des Huangpu buhlen während der Kunstmesse im Herbst neben den führenden Galeristen der Welt westliche Luxusmarken um die Kunden der aufstrebenden Milliardennation. Stararchitekt David Chipperfield hat hier einen Ableger des Centre Pompidou gebaut, den Frankreichs Staatspräsident Emanuel Macron ein paar Wochen vor Beginn der Corona-Pandemie höchstpersönlich eröffnet hat.

Wenn hier in einer Veranstaltungshalle am Montagabend, bevor am nächsten Morgen in Schanghai die größte Automesse der Welt öffnet, vor dem versammelten VW-Vorstand der ID.7 auf die Bühne fährt, wollen die Deutschen ihr Meisterstück präsentieren, das all die Kunstwerke am Bund in den Schatten stellt: eine elektrisch angetriebene Edellimousine mit Dimensionen, die an Mercedes’ S-Klasse heranreichen, 700 Kilometer Reichweite und einer Klimaanlage, die den Sonnenstand erkennt und den Wagen schon herunterkühlt, wenn sich der Fahrer ihm nur nähert.

Ärgerlicherweise hat der für die Abnahme neuer Autos zuständige Regulator in Peking am Dienstag bereits Bilder des ungetarnten ID.7 im Internet veröffentlicht, die nach dem Geschmack vieler Chinesen so gar nicht als Weltsensation daherkommen wollten. Im Gegenteil: Der ID.7 gleiche dem „C01“ wie ein Ei dem anderen, lautete der häufigste Kommentar. Das E-Auto des Herstellers Leapmotor aus Hangzhou, zwei Stunden Fahrt von Schanghai entfernt, ist seit dem vergangenen Jahr auf dem Markt. Ein böser Verdacht macht sich breit im Land, in dem VW so viele Fahrzeuge verkauft wie nirgendwo auf der Welt: Haben die Deutschen etwa bei einem chinesischen Start-up abgekupfert?

Starker Gegenwind für die Wolfsburger

So weit ist es also gekommen in der „zweiten Heimat“ des VW-Konzerns. Der Journalist Felix Lee hat in einem neuen Buch („China, mein Vater und ich“) beschrieben, wie vor dem Wolfsburger VW-Werkstor 1978 der chinesische Maschinenbauminister auftauchte. Schnell wurden die Deutschen danach zum Platzhirsch in China, an dem niemand vorbeikam. Gleichzeitig wuchs die Abhängigkeit von der Volksrepublik, wo der Konzern heute vier von zehn seiner Autos verkauft.

Noch. Denn im schnell wachsenden Markt der E-Autos ist VW ein Niemand. 2,7 Prozent beträgt der Anteil der Deutschen, nicht viel mehr als Leapmotor, ein Hersteller, dessen Autos erst seit vier Jahren zu kaufen sind. Warum sich die chinesischen Autokäufer für einen VW entscheiden sollten, wurde der Statthalter der Wolfsburger Marke vergangene Woche im chinesischen Staatsfernsehen gelöchert – immer wieder, schließlich hinterließ die Antwort, VW verkaufe halt schon seit 40 Jahren Autos im Land, die junge Reporterin erkennbar unzufrieden. Vielleicht keinen Vorsprung mehr durch Technik zu haben, aber einen durch Vertrauen in deutsche Redlichkeit: Dieses Verkaufsargument scheint die innovationsversessenen Chinesen nicht sonderlich zu beeindrucken, wie ein Blick in die Absatzstatistik zeigt.

Das weiß natürlich auch Vorstandschef Oliver Blume, der kommende Woche in Schanghai retten muss, was vielleicht nicht mehr zu retten ist. Schließlich laufen VW auch im herkömmlichen Brot-und-Butter-Geschäft mit den alten Benzinmotoren in seiner „zweiten Heimat“ die Kunden davon. Mehr als 4 Millionen Autos hat der Konzern in den besten Zeiten im Land verkauft, heute sind es 1 Million weniger. Vergangenen Herbst verlor VW in China den Titel des Marktführers an BYD. Der Hersteller aus Shenzhen macht aus dem Umstand, das Land tatsächlich Heimat nennen zu dürfen, kein großes Gewese. Stattdessen hat es BYD mit leistungsstarken und günstigen E-Autos zu jährlichen Wachstumsraten von fast 90 Prozent gebracht.

Für VW hingegen könnte es bald noch viel schneller abwärtsgehen im weltgrößten Automarkt. Bereits heute verliert der Konzern dort rapide Anteile. Während der chinesische Gesamtmarkt vergangenes Jahr auf Erholungskurs blieb und das Corona-Tal weitgehend hinter sich ließ, gaben die VW-Verkäufe um rund 4 Prozent weiter nach. Und laut Zahlen von IHS könnte sich der Abwärtssog noch beschleunigen. Ein empfindliches Minus von etwa 9 Prozent sagen die Fachleute des Londoner Analysehauses dem Konzern für das laufende Jahr in der Volksrepublik voraus. Den Strategen in der Pekinger Landeszentrale, so scheint es, fehlt bislang jedes Rezept, um die negative Dynamik aufzuhalten.

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