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#Vorratsdatenspeicherung: Was darf der Staat über seine Bürger wissen? Und was nicht?

„Vorratsdatenspeicherung: Was darf der Staat über seine Bürger wissen? Und was nicht?“



Der Europäische Gerichtshof hat erneut die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Innenpolitiker fordern es aber als Waffe gegen Kinderpornografie.

Es erinnert ein wenig an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Beobachter jedenfalls dürften sich beim Thema Vorratsdatenspeicherung wie in einer Zeitschleife gefangen fühlen. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entscheid am Dienstag abermals, dass die deutsche Regelung mit EU-Recht nicht vereinbar ist. Dem Urteil zufolge ist die anlasslose Speicherung zahlreicher Verkehrs- und teilweise Ortsdaten von allen Bürgerinnen und Bürgern unverhältnismäßig, auch wenn sich Strafverfolgungsbehörden diese Daten zur Aufklärung von Verbrechen wünschen.

Deutschland kassierte in dieser Frage inzwischen eine ganze Reihe von Schlappen. Es geht bei der allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung nicht um das Sichern von Gesprächsinhalten, sondern um die Speicherung von Verbindungsdaten „auf Vorrat“, also für eine mögliche spätere Auswertung. Wer war per E-Mail mit wem in Kontakt? Mit welcher IP-Adresse war jemand wie lange im Netz unterwegs? Wer hat mit wem wie lange telefoniert? Und an welchem Ort befanden sich die Gesprächspartner?

Daten sammeln verstößt gegen die Grundrechte

Dies kann zwar zur Aufklärung von Verbrechen eine wichtige Rolle spielen, verletzt aber dem Urteil zufolge den Schutz der Daten unbescholtener Bürger. Obwohl die Inhalte der Kommunikation keine Rolle spielen, könne ein solcher Satz von Verkehrs- und Standortdaten „sehr genaue Schlüsse“ auf das Privatleben der Personen zulassen, hieß es vom höchsten Gericht Europas. Etwa auf die Gewohnheiten des täglichen Lebens, Aufenthaltsorte, ausgeübte Tätigkeiten oder soziale Beziehungen. Zudem könnten solche gespeicherte Daten „die Erstellung eines Profils dieser Personen ermöglichen“, befanden die Richter. Dies sei ein Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordere.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden, dass die deutsche Vorratsdatenspeicherung illegal ist.

Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa

Gleichwohl schränkten die Richter ein, dass es durchaus Ausnahmen gebe. So dürften „insbesondere zur Verfolgung schwerer Straftaten oder zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die nationale Sicherheit“ Daten auf Vorrat gespeichert werden. Dann aber mit Anlass, Begründung und richterlicher Anordnung.

Und selbst das „allgemeine und unterschiedslose“ Speichern von IP-Adressen aufgerufener Seiten billigt der Gerichtshof bei schweren Verbrechen nur für einen „auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum“. Somit erlaubt das Urteil einen kleinen Spielraum für eine Neugestaltung der Regelung.

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Grüne und FDP sind gegen das anlasslose Speichern

Geklagt hatten die Kommunikationsunternehmen Spacenet und Telekom Deutschland. Beide Anbieter waren von der Speicherpflicht aus dem Jahr 2015 betroffen, die jedoch wegen juristischer Unsicherheiten seit 2017 auf Eis liegt. Viele Innenpolitiker fordern seit langem eine Neuregelung.

Video: dpa

Auch SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser verlangt seit ihrem Amtsantritt eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung, um Ermittlern bei schwersten Straftaten wie sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu helfen, Missbrauchstäter im Netz identifizieren zu können. Sie hatte stets für eine Reform des Instruments plädiert, die im Rahmen des EuGH akzeptabel wäre. Das Problem: Grüne und FDP lehnen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. So feierte FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann das „historische Urteil“. Es sei „ein guter Tag für die Bürgerrechte“.

Pro und Contra des Daten-Speicherns spalten die Ampel

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, kündigt an, das Gesetz abzuschaffen: „Mit dem EuGH-Urteil ist die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ein für alle Mal Geschichte und muss zügig aus dem Gesetz gestrichen werden“, sagte er. „An dem Ziel einer verfassungs- und europarechtskonformen Vorratsdatenspeicherung sind schon mehrere Innenminister der Union krachend gescheitert und haben dann die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben versucht.“ Der FDP-Politiker schlägt das sogenannte „Quick-Freeze-Verfahren“ vor. Dabei würden Verbindungsdaten beim Verdacht einer schweren Straftat auf richterliche Anordnung beim Anbieter eingefroren.

„Quick Freeze ist kein Gewinn für die Sicherheit, es ermöglicht erst die Sicherung von Daten, nachdem die Straftat den Behörden bereits bekannt geworden ist“, betont dagegen Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Diese Daten seien jedoch ohne Speicherfristen dann meist schon gelöscht. „Unsere Ermittler von Polizei und Justiz brauchen zur Bekämpfung bestimmter schwerer Straftaten unbedingt Verkehrsdaten wie IP-Adressen“, sagt der CSU-Politiker und verweist auch auf den Kampf gegen Kinderpornografie.

Auch Bundesinnenministerin Faeser betont, dass mit dem Urteil IP-Adressen weiter gespeichert werden dürften, um schwere Kriminalität bekämpfen zu können. Diese Möglichkeiten „müssen wir nun auch nutzen“, fordert die SPD-Ministerin und fügt hinzu, sie wolle aber „keine alten Debatten führen“. Wunschdenken? Angesichts der Uneinigkeit in der Ampelkoalition dürfte die jüngste EuGH-Entscheidung keineswegs das letzte Kapitel beim Dauerthema Vorratsdatenspeicherung sein.

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