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#Wachsende Gewalt gegen Urwald-Indigene

„Wachsende Gewalt gegen Urwald-Indigene“

Mit dem grausamen Doppelmord an dem britischen Journalisten Dom Phillips und den brasilianischen Indigenen-Aktivisten Bruno Pereira, die sich für den Schutz der indigenen Bevölkerung im Regenwald eingesetzt hatten, ist aller Welt vor Augen geführt worden, was sich im Amazonasgebiet abspielt – und sich seit Antritt der rechtsgerichteten brasilianischen Regierung zugespitzt hat: Die Gewalt gegen die Ureinwohner und ihre Unterstützer nimmt weiter zu. Besonders dramatisch ist das in der Region im brasilianisch-venezolanischen Grenzgebiet im Norden zu beobachten, wo die größte und ursprünglichste Indigenen-Gruppe im Amazonasgebiet, die Yanomami, leben. In einem erst kürzlich veröffentlichten detaillierten Bericht der Hilfsorganisation Hutukara belegen Indigenenforscher die zunehmende, oft tödlich endende Konfrontation der Indigenen mit Goldgräbern und Zinnstein-Ausbeutern.

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Das „Territorium der indigenen Yanomami“ (Terra Indigena Yanomami) ist eigentlich seit dreißig Jahren per Regierungsdekret vor dem Zugriff durch Siedler, Holzfäller und Rohstofflieferanten geschützt.

Bedrohung durch Infektionskrankheiten

Doch mit dem Antritt der Regierung Bolsonaro in Brasilien und der Ankündigung des Präsidenten, die eigenen Ressourcen und damit auch die Regenwälder verstärkt nutzen zu wollen, ist auch der entlegene Lebensraum der Yanomani ins Visier der Geschäftemacher gerückt. In dem Bericht „Yanomani under Attack“, in dem die aus Satellitendaten und Drohnen-Überflügen sowie Patrouillen gewonnenen Beobachtungen zusammengetragen sind, wird von einer Steigerung der Minenflächen um 3350 Prozent seit dem Jahr 2016 berichtet. Fast 3300 Hektar Regenwald wurden entlang der Flüsse kahlgeschlagen, um Raum zu schaffen für die illegalen Grabungen. Die größte Steigerung wurde im vergangenen Jahr registriert: plus 46 Prozent.

Dom Phillips mit einem Yanomami-Begleiter im Regenwald.


Dom Phillips mit einem Yanomami-Begleiter im Regenwald.
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Bild: AP

Es sind aber weniger die direkten Schäden am Regenwald als die Bedrohung der Indigenen durch Krankheiten. Überall im Yanomami-Gebiet hätten sich Infektionskrankheiten, insbesondere Malaria, ausgebreitet, die Gewalt gegen jagende und protestierende Indigene hat rasant zugenommen. Auch Covid-19 hatte schon im März, wenige Wochen nach den ersten offiziellen Fällen in Brasilien, das Yanomami-Volk erreicht. Ein Fünfzehnjähriger, der mit anderen Jugendlichen Goldgräber vertreiben wollte, steckte sich an, erkrankte und starb bald darauf in einem Krankenhaus in der nächstgelegenen Großstadt Boa Vista.

Mindestens 273 Yanomami-Gemeinschaften – 56 Prozent der gesamten Stammesbevölkerung – seien direkt und indirekt von den Übergriffen der illegalen Minenbetreiber betroffen. Schätzungsweise 20.000 illegale Goldgräber hätten sich in immer neuen Regionen im Yanomami-Territorium ausgebreitet. Und das, obwohl die staatliche Forstpolizei immer wieder alarmiert wurde und dann ausrücken musste. Entlang des Uraricoera-Flusses haben die Gold- und Zinnsteingräber regelrechte Netzwerke für den Nachschub von Lebensmittel und Treibstoff gebildet, sie warnen sich per satellitengestützten Internet- und Whatsapp-Verbindungen und bedienen sich Hubschrauber und Kleinflugzeugen.

Körperhygiene im Urwald: Eine Yanomami mit ihren Kindern.


Körperhygiene im Urwald: Eine Yanomami mit ihren Kindern.
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Bild: REUTERS

Als die Bundespolizei im März in der als „Fofoca de Cavalo“ bekannten Goldmine anrückte, traf sie auf annähernd zweitausend Menschen, die Läden, Bars und sogar einen Zahnarzt im Yanomami-Land installierten. In der Palimiu-Region, wo im April und Mai 2021 die Gewalt eskalierte, kam es zu wochenlangen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Indigenen und ihren Helfern und illegalen, von Geschäftsmännern finanzierten Goldgräbertrupps. Die Polizei konfiszierte danach 35 Fahrzeuge und Boote, ein Dutzend Generatoren, viereinhalb tausend Liter Diesel und drei Viertel Kilo hochgiftiges Methylquecksilber fürs Goldschürfen. Die Verschmutzung der Flüsse und des Bodens mit dem giftigen Schwermetall bedroht zusätzlich die Gesundheit der Urwaldvölker.

Dass es sich bei den Minen nicht um illegale Aktivitäten einiger weniger handelt, sondern offensichtlich um organisierte und gut finanzierte Ausbeuter, zeigt sich dem Bericht zufolge nach den sporadischen und oft erst nach Vorlage eindeutiger Beweise initiierten Polizeiaktionen: Die ausgehobenen Goldgräber kommen dann oft schon Tage oder Wochen später mit neuer Ausrüstung zurück an dieselbe Stelle, wie Drohnenaufnahmen aus dem Gebiet zeigen. Wegen der im Zuge der Corona-Pandemie erlassenen Gesetze waren die Behörden seit 2021 gezwungen, stärker gegen Eindringlinge vorzugehen. Tatsächlich gab es mehr Razzien. Allerdings ohne nennenswerten Effekt.

Die Illegalen Goldgräber nutzen für die Versorgung ihrer Lager sogar Kleinflugzeuge und Hubschrauber.


Die Illegalen Goldgräber nutzen für die Versorgung ihrer Lager sogar Kleinflugzeuge und Hubschrauber.
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Bild: Reuters

Die Zahl der Goldgräber nahm weiter zu. „Es handelt sich um fortgesetzte schwere Menschenrechtsverletzungen im Yamomami-Gebiet“, heißt es in dem neuen Bericht. Die Kontrollbehörden und Polizeistellen seien heillos überfordert, personell unterbesetzt, zu weit weg und schlecht ausgerüstet. Vom brasilianischen Staat erwarten die Yanomami-Hilfsorganisationen mehr Unterstützung, den Aufbau strategischer Basisstationen zur Abschreckung der Rohstoff- und Edelmetalljäger. Viel Hoffnung allerdings, dass die Regierung reagiert, haben sie offenbar nicht.

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