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#„Warum haben wir kein richtiges Einwanderungsgesetz?“

„Warum haben wir kein richtiges Einwanderungsgesetz?“

Erhard Michaelis mag die AfD nicht. Im Umfeld des Rentners, eine Dorfgemeinde in Brandenburg unweit der Tesla Gigafactory, erhalten die Rechtspopulisten viel Zuspruch. „Die Nachbarn sagen es nicht direkt, aber man hört’s an ihren Argumenten“, sagt er. Wegen ihres rechten Gedankenguts habe der 67-Jährige viele Freundschaften aufgekündigt – einige von ihnen habe er sogar an die Reichsbürgerbewegung verloren. Er klagt über den hohen Stimmanteil der AfD bei den Kommunalwahlen. Die Frage, ob Deutschland ein rassistisches Land sei, bejaht Michaelis.

Er ist froh bei der Debattenaktion „Deutschland spricht“, die Menschen mit gegensätzlichen Ansichten zum Austausch zusammenbringt, auf Martin Benninghoff zu treffen. Benninghoff, 41, ist Redakteur der F.A.Z. und hat die Aktion in den letzten Jahren als Journalist begleitet. Dieses Mal ist er als Teilnehmer dabei. Ist Deutschland ein rassistisches Land? Benninghoff verneint die Frage.

Unzufrieden mit der Einwanderungspolitik

Verschieden ist auch die Herkunft beider Gesprächspartner. Martin Benninghoff kommt als Bonner Beamtensohn aus Westdeutschland, studierte unter anderem Politikwissenschaften in Köln und tourte als Gitarrist einer Rockband durch China. Erhard Michaelis ist das älteste von zehn Kindern einer ostdeutschen Bauernfamilie, wuchs in einem kleinen mecklenburgischen Dorf in der DDR auf und erlangte nach der Wende seinen Meisterbrief in Metallbau.

Benninghoff möchte von seinem Gegenüber wissen, weshalb es in Ostdeutschland so viel rechtes Gedankengut gebe. Michaelis antwortet: „Die Politik hat den Grenzbereich zu Tschechien und Polen nach der Wende vernachlässigt.“ Autos, Traktoren und Viehzeug seien damals von Grenzgängern gestohlen worden. „Wenn man eine Anzeige gestellt hat, kam zwei Wochen später von der Staatsanwaltschaft der Bescheid, dass die Ermittlungen eingestellt wurden.“ Das habe für viel Frust gesorgt.

Journalist Martin Benninghoff spricht mit dem Pensionär Erhard Michaelis.


Journalist Martin Benninghoff spricht mit dem Pensionär Erhard Michaelis.
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Bild: Lucas Bäuml

Nicht einverstanden ist Michaelis mit der deutschen Einwanderungspolitik. Auch in der DDR habe es Gastarbeiter gegeben, doch sei ihr Aufenthalt immer zeitlich begrenzt gewesen. Die Einwanderungspolitik von Kanzlerin Merkel erscheint ihm vergleichsweise unkoordiniert. „Warum haben wir kein richtiges Einwanderungsgesetz?“ Das verstehe er nicht, kritisiert Michaelis. Durch unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen und Familiennachzüge erhielten rechte Parteien in ganz Deutschland Zulauf, findet er, während die Fluchtursachen nicht bekämpft würden.

Schuld an der europäischen Flüchtlingskrise seien vor allem die Amerikaner mit ihren Kriegen in Nahost. „Man müsste alle Flüchtlinge an der amerikanischen Küste abladen“, sagt der Rentner verschmitzt. Benninghoff meint auch, dass Fluchtursachen besser bekämpft werden müssten. Probleme bei der Einwanderungspolitik sieht er ebenfalls. „Letzteres ist mir aber deutlich zu zynisch“, sagt der Journalist.

Wichtig ist Michaelis vor allem Geradlinigkeit bei politischen Ansichten. „Ein guter Freund, der ist nach der Wende von ganz links nach ganz rechts gewandert.“ Solche Menschen habe man damals als „Wendehals“ bezeichnet und für „Wendehälse“ hat der 67-Jährige kein Verständnis. Erich Honecker habe man immerhin nicht vorwerfen können, ein Fähnchen im Wind zu sein. Dann stellt Michaelis aber gleich klar: „Über den Mauerfall habe ich mich sehr gefreut. Ich kam in der DDR auch mit Vielem nicht zurecht.“ Seine politischen Überzeugung dürfe man trotzdem nicht aufgeben, sagt Michaelis – und meint damit seine linke Gesinnung.

„Alles, was der Ami macht, wird nachgemacht“

In der DDR sei Michaelis „russischen Indoktrinationsversuchen“ ausgesetzt gewesen, erzählt er. In der Schule habe er etwa Russisch gelernt mit der Maßgabe, dass Russisch einmal die Weltsprache sein werde. Seine eigene Kultur habe er ablegen sollen, um die sowjetische Lebensart anzunehmen. „Aber ich habe mir nichts überstülpen lassen“, sagt er bestimmt. Heute hingegen sei die amerikanische Kultur für viele Deutsche eine Art Leitkultur. „Alles, was der Ami macht, wird nachgemacht.“

Benninghoff insistiert: „Aber das war in der BRD ja kein autokratisches System, das übergestülpt wurde“. Dass die deutsche Kultur der amerikanischen so nah sei, liege an der Attraktivität der amerikanischen Popkultur, denkt er. „Mein Vater war schon in den Sechzigerjahren großer Rock ’n’ Roll-Fan“, sagt Benninghoff. „Das war viel attraktiver als alles, was Deutschland der Jugend zu bieten hatte.“ Der Journalist weist aber auch auf die Brückenfunktion Deutschlands hin. „Wir sollten sowohl zu Amerika als auch zu Russland freundschaftliche Beziehungen pflegen.“

Freundschaftlich sei die Osterweiterung der Nato nicht gewesen, wirft Michaelis ein. Man habe Russland nach der Wiedervereinigung schließlich zugesagt, dass das Verteidigungsbündnis sich nicht im Osten ausbreite. „Die sind jetzt in Estland, Lettland, Litauen.“ Putins Konfrontationskurs gegen den Westen könne Michaelis deshalb zwar nicht gutheißen, aber zumindest nachvollziehen: „Putin verhält sich wie ein kleiner Junge, dem seine Schokolade weggenommen wurde.“

Benninghoff erwidert, dass Fehler aus der Vergangenheit nicht als Entschuldigung für den Ukrainekrieg der Gegenwart dienen dürften. „Putin ist ein sehr erfahrener Mann und kein Kind.“ Außerdem sei unter Historikern strittig, inwiefern es nach dem Mauerfall geopolitische Zugeständnisse an Russland gegeben habe. Einigen können sich beide schließlich darauf, dass nach der Wiedervereinigung viele Chancen vertan wurden, Russland als Partner in die Weltpolitik einzubinden.

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