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#Warum kaufen wir viel mehr als wir brauchen?

Warum kaufen wir viel mehr als wir brauchen?

April 2020. Restaurantbesuche sind verboten, Einkaufsläden geschlossen, die Straßen ausgestorben, die Menschen verlassen das Haus so selten wie möglich. In der dm-Filiale Frankfurt-Grüneburgweg ist es so voll wie nie: Während die Kassiererinnen Bio-Haarkuren und Vanille-Duftkerzen und Dinkelmehl scannen, flanieren die Kundinnen durch die Gänge, als wäre es das Beste vom Tag.

Maja Brankovic

Redakteurin in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, zuständig für „Der Volkswirt“.

150 Meter weiter, im Rewe in derselben Straße, sind es andere Produkte, und doch ist es das gleiche Spiel. Der Laden ist zu jeder Tageszeit voll mit Kunden, die sich mehr Zeit für ihren Einkauf nehmen und am Ende auch mehr als früher auf ihrem Nachhauseweg tragen.

Zu Hause stapeln sich die leeren Verpackungen zu wankenden Türmen, weil der Amazon-Bote täglich klingelt und die Altpapiertonne ständig bis zum Rand vollgestopft ist, dabei war doch die Müllabfuhr gerade erst wieder da. Überall im Land werden in diesem Frühjahr 2020 Home­offices aufgepeppt, neue Hausschuhe und Pfannen und Vasen gekauft.

Mehrere Tausend Liter Wasser für ein T-Shirt

Ob wir all diese Einkäufe, ­ mit ein wenig Abstand betrachtet, tatsächlich brauchten? Manches bestimmt, anderes aber mit Si­cherheit nicht. 10.000 Dinge besitzt jeder Bundesbürger Statistikern zufolge im Schnitt. Wir kaufen und horten und kaufen immer weiter.

Wissen wir denn nicht, dass es dem Klima und dem Wasser und den Tieren schadet und die Ressourcen des Planeten ei­gentlich zu kostbar sind für unser Leben im völligen Überfluss? Natürlich wissen wir das. Wir haben auch schon mal gehört, dass die Modebranche global mehr CO₂ emittiert als die Luft- und Schifffahrt zusammen. Oder dass es mehrere Tausend Liter Wasser bedarf, um ein einziges T-Shirt aus Baumwolle zu produzieren. Trotzdem umgeben wir uns immer weiter mit unnützem Zeug.

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Und jetzt, da alles wieder offen ist, sollen wir „revenge shopping“ betreiben. Also noch mehr zu viel kaufen. Zur Info: Schon 2020 hat der Einzelhandel mehr verdient als im Jahr davor. Mehr als jemals zuvor.

Dabei wollen wir doch eigentlich ganz anders. Vielleicht nicht alle – aber doch viele von uns. 40 Prozent aller Deutschen haben das Bedürfnis, bewusster und nachhaltiger einzukaufen, sagt das Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK. In­teressanterweise gilt das von den Jugendlichen bis zu den Rentnern für alle Generationen. Dazu gehört, zum einen weniger zu kaufen, und zum anderen darauf zu achten, dass man beim Shopping gewisse ökologische und soziale Standards einhält. Wenigstens ab und zu.

Wir wären gerne zehnmal so nachhaltig

Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen Welten. Wissenschaftliche Studien berichten von einer Diskrepanz von eins zu zehn: Die Menschen verhalten sich zehnmal weniger nachhaltig, als sie eigentlich von sich erwarten. Für Menschen und Umwelt eine miserable Bilanz.

Warum aber werden die noblen Ziele so oft zu Lippenbekenntnissen, wenn man sie dem Realitätscheck unterzieht? Die ein­fache Erklärung lautet: Verzicht macht keinen Spaß. Es ist schöner, etwas zu besitzen, als es nicht zu besitzen. Außerdem muss man, um zu verzichten, einem mächtigen Impuls widerstehen. Wir sammeln, was wir kriegen können, darauf sind wir evolutionär programmiert. Und sehr viele Menschen leben davon, dass diese Dauerkonsumschleife immer weiter läuft. Wenn dann wieder ein Haufen Werbung ins Haus flattert, digital und analog, kommt irgendwann der Gedanke: Ob die Umwelt gerettet wird, hat man doch sowieso nicht allein in der Hand. Und schon liegt der nächste Pulli im Kleiderschrank.

Viel weniger Mühe als der Verzicht bereitet den Menschen nämlich das Kaufen. Es tötet Langeweile, bereitet Freude, lenkt ab. Die Lust am Mehr ist sogar körperlich. Fest verankert im Gehirn.

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