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#Warum Putin auf das große Geld verzichtet

Warum Putin auf das große Geld verzichtet

Russlands Verhalten in der Gaskrise, in der die Preise auf dem sogenannten Spotmarkt am Mittwoch neue Rekorde erreichten, gibt Wirtschaftsanalysten Rätsel auf: Der staatlich kontrollierte Gazprom-Konzern erfüllt seine langfristigen Gaslieferverträge, nimmt aber nicht die Chance wahr, viel Geld zu verdienen, indem er seine bisher spärlichen Geschäfte auf dem Spotmarkt ausweitet. Die russischen Begründungen dafür widersprechen einander: Mal gab Gazprom an, es gebe zu wenig Gas. Mal äußerte der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Alexej Miller, man könne stets die Produktion ausweiten, das sei der „Wettbewerbsvorteil“ von Gazprom und Russland (unterschieden wird nicht).

Doch erst seit Wochenbeginn fließt etwas mehr Gas aus Russland gen Westen, auf neuer Route am Ostseegrund: Obwohl die Genehmigungsverfahren noch laufen und bei vorzeitiger Inbetriebnahme hohe Bußgelder drohen, befüllt die Betreibergesellschaft Nord Stream 2, eine hundertprozentige Gazprom-Tochter, die erste Röhre der neuen Pipeline mit Gas. Soll man ihr glauben, dass es nur um „technische Tests“ geht? Will Gazprom Fakten schaffen, deutsche und EU-Behörden „erpressen“, wie Kritiker fürchten?

Viele Faktoren, warum die Preise seit dem Sommer rasant steigen, haben nichts mit Gazprom zu tun. So die gestiegene Nachfrage in Asien und amerikanische Lieferschwierigkeiten bei Flüssiggas. Auch war der vergangene Winter in Europa besonders kalt, was die Gasspeicher leerte. Doch in den vergangenen Jahren kümmerte sich Gazprom rechtzeitig darum, die Speicher wieder aufzufüllen. Jetzt begann man später damit. Vertragsverletzung kann Gazprom nicht vorgeworfen werden. Aber viele Wirtschaftsfachleute argumentieren, der Konzern riskiere, seinen Ruf als „stets zuverlässiger Lieferant“ zu verlieren, den Präsident Wladimir Putin am Mittwoch auf einer Sitzung zur Entwicklung des Energiebereichs neuerlich beschwor.

Die Ukraine bezieht kein Gas mehr direkt aus Russland

Wer das Verhalten nur mit wirtschaftlichen Kriterien erklärt, kommt nicht weit. Gazprom setzt politische Prärogativen des Kremls um, Miller ist seit gemeinsamen Tagen in der Petersburger Stadtverwaltung Putins Adjutant. In Russland erhalten Putins Günstlinge von Gazprom Milliardenaufträge, etwa zum Bau von Pipelines. Im Ausland bezeugen Variationen der Gaspreise für einzelne Länder, inwiefern deren Führung auf Kreml-Kurs liegt. Bespiele liefern immer wieder Belarus und die Ukraine, die für ihre „Farbenrevolutionen“ von 2004 und 2014 bezahlen musste.

Seit dem jüngsten Kiewer „Majdan“ hat es für Putin höchste Priorität, die Ukraine zu schwächen und zu bestrafen. Wollte Gazprom jetzt auf dem Spotmarkt mehr Gas verkaufen, müsste man zusätzliche Durchleitungskapazitäten durch die Pipelinesysteme der Ukraine buchen; die Kosten dafür werden auf 40 bis 50 Dollar für tausend Kubikmeter geschätzt. Das ergäbe wegen der hohen Gaspreise wirtschaftlich vollauf Sinn, auch wenn Putin nun sagte, eine Ausweitung wäre aktuell für Gazprom „unvorteilhaft“. In Wirklichkeit wären mehr Geld und Aufwertung für die Ukraine politisch unerwünscht.

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Dafür ist man bereit zu zahlen. Als die Ukraine im Sommer 2014 angesichts der russischen Invasion im Donbass begann, in großem Umfang Gas aus dem EU-Nachbarland Slowakei zu beziehen, drosselte Gazprom die Lieferungen nach Europa, um die Praxis sogenannter Reverse Flows zu unterbinden. Die Kraftprobe währte von September 2014 bis März 2015, bis Gazprom nachgab. Der entgangene Gewinn des Konzerns wurde auf fünfeinhalb Milliarden Dollar beziffert, Vertragsstrafen beliefen sich auf weitere 400 Millionen Dollar.

Die Ukraine bezieht selbst kein Gas mehr aus Russland direkt, verdient aber noch am Transit russischen Gases nach Westen und sieht die Durchleitung als Gewähr gegen neue russische Aggressionen. Dagegen brachte der Kreml die Pipelineprojekte Turkstream mit der Türkei und Nord Stream 2 in Stellung, das die Bundesregierung unterstützt. Mittlerweile wird Nord Stream 2 nicht nur in Berlin, sondern auch in Moskau als reines Wirtschaftsprojekt bezeichnet, das sich gegen niemanden richte.

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