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#Warum Schützenpanzer nicht so leicht an die Ukraine zu liefern sind

„Warum Schützenpanzer nicht so leicht an die Ukraine zu liefern sind“

Das ukrainische Militär benötigt dringend mehr Waffen und Munition zur Abwehr der russischen Angriffe. Das rufen Präsident Wolodymyr Selenskyj und der ukrainische Botschafter in Berlin Andrij Melnyk Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) immer verzweifelter zu. Neben bereits gelieferten Panzerabwehrwaffen, Helmen und Sanitätsmitteln geht es seit Tagen vor allem um „schwere Waffen“, etwa Geschütze, Flugabwehr und Panzer. Eine Diskussion ist hierbei um die Lieferung von älteren Schützenpanzern vom Typ „Marder“ entbrannt, die nach Angaben von Medien und der Rüstungsfirma Rheinmetall in einer Stückzahl von bis zu 100 kurzfristig verfügbar sein sollen.

Aber Scholz zögert. Er hat seinen Solidaritätsbekundungen und seiner Zeitenwende-Rede bislang wenig folgen lassen, das den ukrainischen Streitkräften Vorteile auf dem Schlachtfeld bieten könnte.

Abgesehen von Entschlussarmut und einer fortdauernden Rücksichtnahme auf Moskauer Interessen gibt es auch technische und rüstungstechnische Aspekte, warum die Lieferung von Schützenpanzern zumindest nicht so einfach ist. Zunächst ist der „Marder“ ein Kettenfahrzeug, das dazu gedacht ist, Infanteriekräfte, die Panzergrenadiere, geschützt in den Kampf zu transportieren und sie dort mit seinen Bordwaffen zu unterstützen: Lenkflugkörpern zur Panzerabwehr, ähnlich den bereits gelieferten, sowie einer 20-mm-Bordkanone. Diese ist eine furchteinflößende Waffe, hält aber nicht dem Vergleich stand etwa mit der 125-mm-Kanone eines russischen T-72-Kampfpanzers. Der „Marder“ kann jedoch im Unterschied zum Kampfpanzer neben der dreiköpfigen Besatzung sechs Soldaten transportieren. Die Ukraine hätte sehr gerne diese 39 Tonnen schweren Panzer, bis zu 100 Stück, am besten sofort.

Einst 2000 „Marder“-Schützenpanzer

Die Bundeswehr hatte in Zeiten des Kalten Krieges seit 1970 etwa 2000 Exemplare des Schützenpanzers „Marder“ angeschafft und bei abnehmender Stückzahl immer wieder modernisiert, zuletzt auf die Version 1A5A1 seit Anfang des vorigen Jahrzehnts. Dennoch ist der „Marder“ inzwischen veraltet und sollte im Heer längst durch einen Nachfolger ersetzt sein, den Schützenpanzer „Puma“. Doch von den rund 350 neu gekauften „Puma“-Panzern entsprechen derzeit nur wenige den Gefechtsanforderungen der NATO. Unter großem Aufwand gelang es vor einem Jahr, die ersten zehn gefechtstauglich einzurichten. Mehr als ein Jahrzehnt nach der Einführung beim Heer. Bis zum Herbst sollen 40 Exemplare des teuersten und schwersten Schützenpanzers der Welt kriegstauglich sein. Das „Puma“-Projekt ist nicht gerade eine Referenzveranstaltung für den Hersteller Rheinmetall.

Deswegen sind, trotz ihres hohen Alters, einige Dutzend „Marder“ noch immer das Rückgrat der Panzergrenadiertruppe. Und wenn die Panzergrenadierbrigade 37 im kommenden Jahr die Führung der schnellen NATO-Eingreiftruppe (VJTF) übernimmt, wird sie neben den aufgemöbelten „Pumas“ vor allem ihre bewährten „Marder“ als Schützenpanzer haben. Von Überfluss kann dabei keine Rede sein: In der Bundeswehr insgesamt existieren noch etwa 370 „Marder“, zieht man davon jedoch die ab, die in der Werkstatt oder beim Hersteller zur Umrüstung sind, kommt man auf etwa 250 verfügbare Schützenpanzer. Davon zählt gut die Hälfte zu den Fahrzeugen, die für die VJTF benötigt werden, auch als Reserve. Abgesehen davon müssten die Fahrzeuge an Kiew auch mit ausreichend Munition geliefert werden – und die zählt in den Depots der Bundeswehr zu den knappsten Gütern.

Die Bundeswehr könne doch ihre „Marder“ abgeben und bekäme dafür bald Ersatz, heißt es nun. Angeblich stehen auf einem Gelände der Firma Rheinmetall in Unterlüß rund 100 alte Schützenpanzer, die einst zum Schrottwert angekauft wurden. Ausgerechnet diese seit Jahren unter freiem Himmel abgestellten Antiquitäten sollen nun in angeblich kürzester Zeit dem Heer als Ersatz hergerichtet und geliefert werden, wenn sie aus ihren Beständen an die Ukraine liefert. Und das Ganze zehnmal so schnell, wie es üblicherweise dauert.

Schon dazu war die Skepsis angebracht, die man im Verteidigungsministerium gegenüber diesem Gedanken sogleich hegte. Zudem würde ja dennoch praktisch jeder außerhalb der VJTF im Heer vorhandene „Marder“ abgegeben. Womit sollten die Panzergrenadiere in den kommenden Monaten oder Jahren dann üben? Dennoch ist der Druck groß, und im Ministerium ist man wohl ziemlich verärgert über das angebliche Rheinmetall-Angebot, bei dem aus Berliner Sicht vor allem eine Düsseldorfer Rüstungsfirma profitieren würden. Ausgerechnet jene, die dem Heer seit Jahren kriegstaugliche „Puma“-Schützenpanzer schuldet.

Weitere Probleme kommen hinzu: Wer bildet die Ukrainer aus? Auch gibt es Meinungsverschiedenheiten darüber, wie lange das dauern könnte. Die Ansichten reichen von drei Tagen für geübte Panzerfahrer bis zu drei Monaten. Das sei doch kein Raumschiff, so der ukrainische Botschafter zu dieser Debatte. Schwierig zu beantworten ist auch die Frage, was passiert, wenn die ersten Schützenpanzer ausfallen, pannenhalber oder durch gegnerischen Beschuss. Wer würde sie instand setzen, woher kämen die Ersatzteile, die es offenbar nicht einmal in ausreichender Zahl für die Bundeswehr gibt?

Solche Fragen müssen Techniker und Militärs überzeugend beantworten, trotz und wegen der politischen Debatte über die Lieferung deutscher Panzer in die Ukraine. Klar ist aber auch: Abgesehen von technischen Erwägungen aus einer materiell herabgewirtschafteten Bundeswehr, muss Kanzler Scholz die Hilferufe beantworten. So sagte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko am Wochenende: „Wir brauchen die schweren Waffen aus Deutschland sofort. Jede Verzögerung kostet Menschenleben.“

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