Nachrichten

#Banken streiten um Cum-Ex-Folgen

Banken streiten um Cum-Ex-Folgen

Dass die „Cum-Ex“-Transaktionen nicht von wenigen Personen allein durchgeführt wurden, hat der im März 2020 beendete Strafprozess am Landgericht Bonn gezeigt. An den Kreisgeschäften rund um den Dividendenstichtag waren Leerverkäufer, Investoren, Verwahrstellen, Banken und zahlreiche Berater beteiligt. Von einer Kriminalität mit industriellem Ausmaß ist seitdem die Rede, niedrig geschätzt, liegt der Schaden für den Fiskus bei 7 Milliarden Euro. Zentrale Rollen nahmen auch die Clearstream AG, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Börse, und die jeweiligen in- und ausländischen Depotbanken ein.

Marcus Jung

Hanno Mußler

Es wirkt allerdings, als hätten die Strafgerichte die Bedeutung der Depotbanken bislang eher vernachlässigt. Inzwischen nehmen in dem Gesamtkomplex jedoch die Inanspruchnahme der Depotbanken durch die Steuerbehörden und Regressklagen vor den Zivilgerichten an Fahrt auf. Zu den aktivsten Klägern zählt die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Sie muss, weil sie von (ausländischen) Investoren Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag gekauft hat und sich Kapitalertragsteuer auf eine Dividende anrechnen ließ, die mutmaßlich nicht für sie abgeführt worden ist, rund 23 Millionen Euro an Steuern zurückzahlen.

Diese rund 23 Millionen Euro hohe Nachzahlung an das Finanzamt wollte sich die Helaba als Schadenersatz von einer Tochtergesellschaft der französischen Bank Société Générale zurückholen, scheiterte aber im Juli 2020 in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Anders als die erste Instanz wertete das OLG die Rolle der SocGen nicht als Depotbank, sondern als Broker. Über diesen Broker hätten die Helaba und mehrere Leerverkäufer – es geht insgesamt um mehr als 30 Einzelgeschäfte – „Durchleitungsgeschäfte“ vereinbart. Die Helaba hat gegen das Urteil inzwischen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt, wie der Sprecher der Bank bestätigt.

Helaba geht gegen die HVB vor

Ähnlich gelagert sieht die Helaba eine noch wenig bekannte Klage, die sie gegen die Hypo-Vereinsbank (HVB) vor dem Landgericht München eingereicht hat. Diese wäre die inländische Depotbank von Aktien(leer)verkäufern gewesen, die nach Rechtsauffassung der Helaba verantwortlich für das Abführen der Kapitalertragsteuer war. Doch in anderen Prozessen, konkret zwischen M.M. Warburg und der Deutschen Bank als Depotbank des britischen Aktienverkäufers Icap, spielte es eine Rolle, dass im Gesetz als Verantwortlichem für die Steuerabführung nicht von der inländischen Depotbank, sondern von der den Aktienverkauf ausführenden Stelle die Rede ist. Das ist nicht zwingend dasselbe.

Außerdem haben viele inländische Depotbanken wie Deutsche Bank und BNP Paribas in nahezu gleichlautenden Rundschreiben im August 2008 mitgeteilt, dass sie die Kapitalertragsteuer nicht einbehalten. Ob sie sich damit von der gesetzlichen Einbehaltungspflicht für die den Aktienverkauf ausführende Stelle befreit haben, wird in den Zivilverfahren und womöglich erst vom Bundesgerichtshof geklärt werden müssen.

Neben dem Rechtsstreit der Helaba ist in München noch an einer anderen Kammer für Banksachen eine zweite Klage im Zusammenhang mit „Cum-Ex“-Geschäften anhängig: von der zur französischen Crédit Agricole gehörenden Caceis.

Caceis soll hohe Nachzahlung leisten

Caceis war wohl eindeutig Depotbank von Aktien(leer)verkäufern rund um den Dividendenstichtag und wurde 2019 vom bayerischen Fiskus zu einer Steuernachzahlung von 312 Millionen Euro verdonnert. In Crédit Agricoles Geschäftsbericht von 2019 heißt es, Caceis habe den Rückzahlungsbescheid für Kundengeschäfte aus dem Jahr 2010 erhalten und – obwohl sie Rechtsmittel einlegte – bezahlen müssen. Nur die Zahlung zusätzlich vom Fiskus verlangter 148 Millionen Euro an Strafzinsen sei zunächst zurückgestellt worden.

Die Franzosen hatten 2007 die Wertpapierabwicklungssparte der HVB übernommen. Dies geschah, während viele Aktiengeschäfte über einen Handelstisch der HVB in London abgewickelt wurden. Pikantes Detail: Im Steuerstreit von Caceis mit dem Freistaat Bayern soll es auch um HVB-Spezialfonds gehen, für die der französische Finanzdienstleister die Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet bekam.

Nun will Caceis offenbar zahlreiche andere an „Cum-Ex“-Geschäften Beteiligte in Regress nehmen. Ein Sprecher des Landgerichts München I bestätigte auf Nachfrage, dass zwei Schadenersatzklagen anhängig sind (Az. 28 O 18958/19 und 29 O 18967/19). Sie müssten jedoch noch allen Beklagten zugestellt werden. Laut „Handelsblatt“ soll Caceis neben dem Kronzeugen der Staatsanwaltschaft Köln, der vergangene Woche abermals vor dem Landgericht Bonn aussagte, 29 Akteure auf 300 Millionen Euro verklagt haben. Die Prozessanwälte von Caceis von der Kanzlei Hengeler Mueller wollten sich nicht äußern. Wie bekanntwurde, hat der Kronzeuge S., der über Jahre hinweg selbst zu Cum-Ex-Geschäften beriet, Strafanzeige gegen Anwälte der deutschen Großkanzlei gestellt.

Vorwürfe gegen Hengeler Mueller

Bei Hengeler Mueller dürfte der im Raum stehende Vorwurf eines versuchten Prozessbetrugs ungute Erinnerungen hervorrufen: Im Prozess der Hengeler-Mandantin Deutsche Bank und der Erben des Medienunternehmers Leo Kirch sahen sich 2014 zwei Partner der Sozietät mit einem ähnlichen Vorwurf konfrontiert. Sie sollten mehrere Bankmanager, darunter die früheren Vorstandschefs Josef Ackermann und Jürgen Fitschen, für angeblich falsche Aussagen im Zivilprozess vorbereitet haben. Die Anwälte bestritten die Beihilfe zum versuchten Prozessbetrug, ein Strafprozess gegen Ackermann und Co. endete mit Freisprüchen, die der Bundesgerichtshof 2019 bestätigte. Im Zusammenhang mit Caceis heißt es von Seiten der Kanzlei nur: „Wir weisen den Vorwurf entschieden zurück.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!