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#Warum sind Deutsche so pessimistisch?

Warum sind Deutsche so pessimistisch?

Sie sind viele, und sie sind frustriert. Mehr als 280.000 Facebook-Nutzer haben sich in der Gruppe „Fridays gegen Altersarmut“ zusammengeschlossen, um sich gemeinsam über die wachsende Altersarmut in Deutschland zu empören. „Wenn Menschen über Jahrzehnte hart gearbeitet haben, um später in Armut zu leben. Dann verstößt das gegen alle humanistischen Regeln und auch gegen das Grundgesetz“, lautet ihr Urteil. Sie haben es in den Infotext zur Gruppe geschrieben. Die Mitglieder organisieren Mahnwachen in den Fußgängerzonen des Landes und im digitalen Raum, und sie teilen Bilder, Statistiken und Online-Artikel, die ihre Diagnose unterstreichen. Wie vielen Deutschen tatsächlich die Altersarmut droht? Die Schlagzeilen im Newsfeed der Gruppe gibt die Antwort: „Millionenfach!“ In einer anderen resümiert ein Experte: „Die Armut hat sich in die Mitte der Gesellschaft gefressen.“

Maja Brankovic

Redakteurin in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, zuständig für „Der Volkswirt“.

Der Mensch hat seine politischen Wahrheiten, und von diesen lässt er sich kaum abbringen. Er hört sie im Radio, er sieht sie im Fernsehen, er liest sie in der Zeitung. Und in den sozialen Medien. Gäbe es eine Hitliste dieser Wahrheiten, die steigende Armut, insbesondere unter Rentnern, wäre ganz vorne dabei. Andere Beispiele? Ausländer sind besonders häufig arbeitslos. Und neu mit dabei: Corona vergrößert die große Ungleichheit.

Häufig in den Medien, trotzdem wenig bekannt

Steht es aber wirklich so schlimm um Deutschland? Erst einmal zu den Zahlen. Die zeigen, dass es uns in Deutschland gar nicht so schlecht geht. Der Mikrozensus im Jahr 2019 hat zum Beispiel ergeben, dass in der gesamten Bevölkerung rund 16 Prozent der Menschen von Armut bedroht sind. Der Schwellenwert lag für Alleinlebende bei 1074 Euro monatlich. Für vierköpfige Familien bei 2256 Euro. Rentner sind laut Mikrozensus nicht viel häufiger von Armut bedroht als der Rest. In ihrer Gruppe liegt der Wert bei 17 Prozent.


Bild: F.A.Z.

Über diese Zahlen wird häufig berichtet – und doch kommen sie in weiten Teilen der Bevölkerung nicht an, wie eine neue Studie dreier Forscherinnen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft und der Ruhr-Universität Bochum nun zeigt. Sie liegt der F.A.S. vorab vor. Ihr Ergebnis, auf eine einfache Formel gebracht, lautet: Wir sind ein richtig pessimistisches Volk.

Die Studie basiert auf Daten einer repräsentativen Befragung, die das Marktforschungsinstitut Respondi für die Forscherinnen im August und September 2020 durchgeführt hat. Um das Wissen der Deutschen über die wirtschaftlichen Verhältnisse im Land zu testen, bekamen die Befragten sechs Schätzfragen. Antworten sollten sie jeweils mit einem Wert zwischen 0 und 100 Prozent. Vier der sechs Fragen zielten auf soziale Themen: Die Teilnehmer sollten schätzen, wie viele von 100 Rentnern von Armut betroffen sind und wie viele von 100 Menschen aus der Gesamtbevölkerung. Oder: wie viele von 100 Einwohnern Deutschlands und wie viele von 100 ausländischen Einwohnern dieses Landes eine Arbeit suchen.

Rentner sind nicht ärmer als der Rest

Im zweiten Schritt werteten die Forscherinnen für jede Frage den Median aus, also den Schätzwert, der auf dem Spektrum der abgegebenen Antworten genau in der Mitte liegt. Das heißt: Die eine Hälfte der Teilnehmer gab kleinere Schätzungen ab, die andere größere. Was die Armutsbedrohung in der Gesamtbevölkerung betrifft, vermuteten die Teilnehmer im Mittel, dass 30 Prozent der Menschen armutsgefährdet sind, weit mehr also als die tatsächlichen 16 Prozent. Die Überschätzung des Armutsrisikos im Alter fiel noch deutlicher aus: Gemäß dem Median gehen die Befragten davon aus, dass jeder zweite Rentner in Deutschland bedroht ist. Jeder Vierte vermutet sogar, dass beinahe 70 von 100 Rentnern von Armut bedroht sind.

Auch das Ausmaß der Arbeitslosigkeit wird in Deutschland stark überschätzt. Im Median vermuteten die Befragten, dass 15 von 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter und sogar 39 Prozent der Ausländer arbeitslos sind. Zum Zeitpunkt der Befragung lag die Arbeitslosenquote insgesamt bei 6,4 und die Quote unter Ausländern bei 15,6 Prozent. Besonders krass: Jeder vierte Befragte vermutete, dass zwei Drittel der Ausländer arbeitslos sind.

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