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#Warum so viele Pflegekräfte die Impfungen scheuen

Warum so viele Pflegekräfte die Impfungen scheuen

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie ruhen alle Hoffnungen auf den Impfungen: Essen gehen, Kino und Theater, Partys – all das wird wohl erst wieder möglich sein, wenn weite Teile der Bevölkerung immun gegen schwere Krankheitsverläufe sind. Gleiches gilt für die Erholung der Wirtschaft. Der Lockdown koste jede Woche 3,5 bis 5 Milliarden Euro, mahnte Michael Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, am Dienstag. Er forderte, das Impfen müsse so schnell wie möglich vorankommen, am besten Tag und Nacht.

Britta Beeger

Julia Löhr

Allerdings zeichnet sich anderthalb Wochen nach dem Impfstart in Deutschland ab, dass die Impfbereitschaft ausgerechnet unter denjenigen gering ausfällt, die Tag für Tag erleben, welch schlimme Folgen eine Corona-Infektion haben kann: dem Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich am Dienstag im „Deutschlandfunk“ alarmiert, dass sich in manchen Krankenhäusern in seinem Bundesland bislang nur rund ein Drittel der Beschäftigten impfen lassen wolle. Wenn das so weitergehe, „dann haben wir ein Problem, und zwar ein handfestes, weil wir dann nämlich an die Grenzen dessen kommen, was wir im Gesundheitswesen noch leisten können“. Thüringen hatte seine ersten Lieferungen des Impfstoffs von Biontech und Pfizer vorrangig Mitarbeitern im Gesundheitswesen angeboten. Zum Teil würden die Kliniken die Dosen jedoch sogar zurückgeben, sagte Ramelow.

Thüringen ist ein Extremum

Der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind aus anderen Bundesländern ähnlich niedrige Zahlen wie in Thüringen noch nicht bekannt. „Wir hören auch von Kliniken, in denen die Bereitschaft bei 70 Prozent und höher liegt“, sagt Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Dennoch hält der Verband es für nötig, „sehr eindringlich“ an die Mitarbeiter zu appellieren, das Impfangebot wahrzunehmen. „Die Impfbereitschaft steigt mit jeder erfolgten und erfolgreichen Impfung“, argumentiert Baum.

Auch die Politik treibt die Sorge um, dass eine geringe Impfbereitschaft des Pflegepersonals eine verheerende Signalwirkung haben könnte. Bürger, die weniger Kontakt mit Infizierten und Risikogruppen haben, könnten den Schutz dann noch eher für verzichtbar halten als ohnehin schon. Der Cosmo-Erhebung unter der Leitung der Universität Erfurt zufolge ist die Impfbereitschaft in Deutschland im Laufe des Jahres kontinuierlich gesunken und lag im Dezember nur noch bei 48 Prozent – wobei sie unter dem medizinischen Personal tendenziell etwas geringer sei als in der Allgemeinbevölkerung. Für das Erreichen der sogenannten Herdenimmunität, mit der das Virus kaum noch Schaden anrichten kann, sind aber Impfquoten von 60 bis 70 Prozent erforderlich.

„Die bisher sehr niedrige Bereitschaft von Pflegekräften, sich impfen zu lassen, ist ausgesprochen bedenklich“, sagt der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Eine Impfpflicht wäre seiner Ansicht nach aber der falsche Weg. Lauterbach fordert vielmehr von der Bundesregierung eine Informationskampagne, die sich gezielt an Pflegekräfte und ärztliches Personal wendet. Ähnlich klingt das aus den Reihen der CDU. „Eine Impfpflicht gegen das Coronavirus wird es nicht geben“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Karin Maag. „Ich gehe davon aus, dass es insbesondere wenn das Impfen in den Zentren auch regelhaft stattfindet, nach und nach auch noch mehr Pflegekräfte geben wird, die bereit sind, sich impfen zu lassen.“

Doch woran liegt es überhaupt, dass sich trotz des medizinischen Fachwissens ausgerechnet ein Teil des Personals in Pflegeheimen und Krankenhäusern nicht impfen lassen will? Wer sich in einzelnen Häusern umhört, bekommt den Eindruck, dass die Gründe ähnliche sind wie im Rest der Bevölkerung: Unsicherheit und Skepsis über Nebenwirkungen und Langzeitfolgen des Impfstoffs. „Wir haben es mit einer ganz neuen Krankheit zu tun, und der Impfstoff wurde sehr schnell entwickelt“, sagt Gundula Werner, Vorstandsvorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen und zugleich Geschäftsführerin des Klinikums Altenburger Land. Die Impfbereitschaft sei in den Krankenhäusern unterschiedlich hoch, sagt sie. In ihrem Haus betrage sie aktuell rund 50 Prozent, wobei sich Ärzte überdurchschnittlich oft impfen ließen. „Viele wollen einfach nicht die Ersten sein, das Versuchskaninchen. Das Ziel ist aber natürlich schon, dass möglichst viele Mitarbeiter sich impfen lassen.“

Nur eine Frage der Zeit?

Auch der Deutsche Caritasverband, zu dem mehr als 1800 Einrichtungen der stationären Altenpflege gehören, berichtet von großen Unterschieden zwischen den Regionen. Im Raum Osnabrück beispielsweise ließen sich in einigen Häusern nahezu 100 Prozent der Belegschaft impfen, in anderen Orten seien es eher 50 oder 60 Prozent, sagt eine Sprecherin. Auch sie führt als Grund Ängste an, weil die Impfkampagne gerade erst beginne. Grundsätzlich scheine die Impfbereitschaft der Mitarbeiter nicht so ausgeprägt zu sein wie die der pflegebedürftigen Bewohner.

Das beobachtet auch Peter Künstler, der zwei Einrichtungen in Haltern am See in Westfalen leitet. Nächsten Mittwoch soll endlich geimpft werden: Von den Mitarbeitern haben sich 68 Prozent angemeldet, von den Bewohnern 84 Prozent. Beide Quoten finde er „sehr ordentlich“, sagt er. Genauer nachgefragt hat er bei denen, die sich nicht impfen lassen wollen, aber nicht. Das müsse jeder für sich selbst entscheiden und sei letztlich eine sehr persönliche Frage, sagt er. „Mit Druck kommt man da nicht weiter.“

Eine gewisse Impfträgheit ist unter Beschäftigten im Gesundheitswesen kein ganz neues Phänomen. Das Robert-Koch-Institut erhebt regelmäßig, inwieweit sich diese Gruppe gegen das Influenza-Grippevirus impfen lässt. Das Ergebnis: Generell ist die Impfbereitschaft zuletzt gestiegen, allerdings variiert sie je nach Beruf. Ärzte lassen sich demnach deutlich häufiger impfen als das Pflegepersonal. Unter Ärzten lag die Impfquote gegen Influenza zuletzt bei 79 Prozent, im Pflegedienst dagegen nur bei knapp 47 Prozent.

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