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#Was der Kohle zum Opfer fällt

Bricht man es auf die Klischees herunter, gibt es zwei Arten deutscher Provinz: ältere, angestaubte Dörfer, hübsch und ein bisschen gestrig. Dort stehen Häuser, die im deutschen Fernsehen gerne mit bräunlichem Siebzigerjahre-Interieur eingerichtet sind. Wer auf dem Land, aber nicht dort wohnt, zieht in Neubaugebiete, weiße, uniforme Siedlungen, deren kurz geschnittene Rasenflächen von Ga­bionen, riesigen Steinzäunen, be­grenzt werden. Mit diesem Kontrast spielt „Abbruchkante“, der neue Fall der Kölner „Tatort“-Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär).

Schon die erste Szene setzt den Ton. Da sehen wir ein älteres Ehepaar (Peter Franke und Uta-Maria Schütze) in einem dieser Neubaugebiete. Sie wirken wie ein Fremdkörper, fehl am Platz. Sie sind es auch. Die Frau zerstampft Tabletten, die sie gleich, aufgelöst in Sekt, gemeinsam trinken werden. Der Plan misslingt. Sie stirbt, er nicht.

Vier Wochen später ist Christian Franzen (Leopold von Verschuer), der Arzt, der den Ehemann retten konnte, die Frau aber nicht, tot. Erschossen in dem Haus, das besagtem Ehepaar gehörte, bevor der Kohleabbau dazwischen kam und einen Großteil des Dorfs zum Umzug zwang. Der Arzt kaufte das Haus damals wie so viele weitere Häuser und wurde ein reicher Mann.

Die Politik bleibt im Hintergrund

Die Exposition wäre eine Einladung, einen typischen „Tatort“ zu drehen: brisant, nah am aktuellen Diskurs, mit Aktivisten, die sich mit einem großen Konzern anlegen. Dass dieser „Tatort“ das – zumindest auf den ersten Blick – nicht vollzieht, zeichnet ihn aus. Abgesehen von dem ein oder anderen Kommentar über Freddys Oldtimer, dieser „Dreckschleuder“, bleibt das große Ganze oberflächlich gesehen außen vor. Zwar gibt es Aktivsten und einen Konzern, doch treten sie nicht in Erscheinung. Das müssen sie auch nicht, um das Dorfleben und die Schicksale der Bewohner zu prägen.



Trailer
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Trailer: Tatort „Abbruchkante“


Video: ARD Mediathek, Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin

„Abbruchkante“ (Buch: Eva Zahn, Volker A. Zahn, Regie Torsten C. Fischer) ist ein Film über Endlichkeit und Verlust. Der Song, der immer wiederkehrt, ist „Sleepwalk“: „Instead of dreaming/I sleepwalk/Cause I lost you/And now what am I to do/What to do.“ Wo ließe sich eine solche Geschichte besser erzählen als in einem Geisterdorf, das stirbt?

Natürlich ist das nicht ganz frei von Klischees: Die reiche Arztwitwe (Lou Strenger) sitzt in ihrem schicken neuen Haus und trinkt sich ins Unglück. Die Neubausiedlung wirkt so seelenlos, dass das Unglück programmiert scheint. Doch ist der Film weit davon entfernt, Dorfvorurteile auszuschlachten. Als Max Ballauf mit der Wirtin des alten Gasthauses (Barbara Nüsse) beim Abendessen sitzt (auch das ein „Tatort“-Topos: Kommissar gestrandet in der Provinz), antwortet sie auf seinen Kommentar „schon einsam hier“ mit munterem Blick: „Und in Köln so?“ Da hat er eine schlaflose Nacht hinter sich, an der er an sein eigenes, recht einsames Leben gedacht hat.

Das Private erzählt viel

Dass „Abbruchkante“ eine private Perspektive wählt, macht die Erzählung nicht unpolitisch. Im Gegenteil. Vielleicht ist das sogar eindringlicher, als die Geschichte einer konfliktgeladenen Räumung es gewesen wäre. Wir kennen die aufgeheizten Debatten aus Politik und Presse, kennen die Seiten, die Argumente. Weniger denken wir an die Menschen, die für die Kohle ihr Zuhause, ihr ganzes Leben aufgeben müssen. Und noch viel weniger an die, die ihre Heimat nicht gleich an der Abbruchkante, aber nichtsdestotrotz verlieren werden. Denn die Konsequenz dieser Energiegewinnung ist der Klimawandel, der das Zuhause von vielen zerstören wird. Melancholie ist da durchaus angebracht.

Der Tatort: Abbruchkante läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

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