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#Was die Frauen in Polen von der Regierung fordern

Was die Frauen in Polen von der Regierung fordern

Für Freitagnachmittag rief die neue polnische Protestbewegung zu ihrer ersten zentral organisierten landesweiten Kundgebung nach Warschau. Zehntausende wurden erwartet. Kurz zuvor luden die Kritikerinnen der Verschärfung des Abtreibungsrechts – an der Spitze der Bewegung stehen Frauen – zu einer Pressekonferenz in ihr Büro ein. Es liegt in der Innenstadt, keine zweihundert Meter vom Parlament entfernt. Hier trugen Marta Lempart und Klementyna Suchanow, auf Wunsch auch in fließendem Englisch, noch einmal die Forderungen ihrer Gruppierung vor, des „Gesamtpolnischen Streiks der Frauen“.

Gerhard Gnauck

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Diese sind: Ein „echtes Verfassungsgericht“ müsse entstehen, die umstrittene regierungsnahe Präsidentin des derzeitigen Gerichts, Julia Przylebska, müsse weichen, ebenso wie das jüngste Urteil des Gerichts, wonach auch schwer missgebildete Föten nicht abgetrieben werden dürfen. Dieses Urteil war Auslöser der Proteste. Außerdem fordert man mehr Geld für das Gesundheitswesen, für Behinderte und für die durch die Pandemie wirtschaftlich Geschädigte; „volle Frauenrechte“, darunter „legale Abtreibung“; die restlose Trennung von Staat und Kirche und als letztes „den Rücktritt der Regierung“.

„Wir sind die große Oppositionskraft“

Man habe genau die Protestbewegung gegen die Wahlfälschungen in Belarus beobachtet, sagt Suchanow; nach deren Vorbild wollen die Polinnen schon am Sonntag einen „Konsultativrat“ bilden. Darin sollten erfahrene Oppositionelle aus der Zeit vor 1989 vertreten sein, außerdem „Experten, denen wir vertrauen“, sowie Aktivisten und Vertreter der Jugend. Auf die Frage, ob man Kontakt zur Opposition im Parlament knüpfen werde, antwortet Suchanow: „Es wäre populistisch zu sagen, dass wir mit niemandem reden wollen. Aber wir werden nicht zulassen, dass Politiker unsere Proteste kapern. Sie sind nicht die große Oppositionskraft. Wir sind die große Oppositionskraft, die Menschen sind es.“ Suchanow räumt ein, dass die Ablösung einer Regierung „logischerweise“ über Neuwahlen stattfinden müsste.

Die Juristin und frühere Beamtin Lempart und die Literaturwissenschaftlerin und Buchautorin Suchanow stammen aus Niederschlesien; Warschau ist inzwischen ihr Lebensmittelpunkt. Lempart wurde aktiv, als 2016 eine katholische Gruppe erstmals versuchte, im Parlament eine Gesetzinitiative zur Verschärfung des ohnehin sehr strengen Abtreibungsrechts durchzubringen. Aus den damaligen Protesten entstand das Netzwerk „Streik der Frauen“, das heute die führende Rolle spielt; die Gruppe kennt keine Hierarchien, doch Lempart gilt als Wortführerin.

Der Chef der Regierungspartei PiS und stellvertretende Regierungschef Jaroslaw Kaczynski gilt den Aktivistinnen als der Drahtzieher allen Übels im Land. In dieser Woche solidarisierten sich auch zwei Veteraninnen des Warschauer Aufstands gegen die deutsche Besatzung mit den Protesten: Kaczynski habe die Frauen gezwungen, „um ihre Würde zu kämpfen, und ohne Würde keine Freiheit“, sagte eine von ihnen. Dass sich die Veteraninnen von 1944 zu Wort meldeten, hat Lempart und Suchanow offenbar sehr berührt. „Da bildet sich so ein merkwürdiger Kreis in der polnischen Geschichte“, sagt Suchanow, „und das, was hier passiert, ist große Geschichte.“ Lempart ergänzt: Erstmals seien so viele junge Leute auf der Straße, das sei ungewöhnlich für Polen. „Das ist die Revolution einer Generation.“

Die Opposition unterstützt die Proteste

In Bezug auf die Angriffe auf Kirchen verweist Suchanow auf den wachsenden „Zorn“ vieler Menschen, darauf, dass viele sich von der katholischen Kirche abwendeten. „Wir ermuntern niemand, Kirchen oder sonst irgendjemand anzugreifen.“ Dass Demonstranten wegen Verstoßes gegen das Versammlungsverbot belangt werden könnten, hält Lempart für unrealistisch. Da müsse der Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro erst beweisen, welcher Demonstrant wen angesteckt habe, und das sei unmöglich.

Ihre Bewegung jedenfalls tue nichts Illegales. „Wir werden uns nicht verstecken“, sagt Lempart, sondern so transparent agieren wie einst die Bürgerrechtler in der Zeit der Diktatur. Unklar bleibt, wie die Demonstranten die Regierung zum Rücktritt zwingen wollen. Drei Treppenhäuser weiter in der Wiejska-Straße residiert die liberale Bürgerplattform (PO), die größte Oppositionspartei. Dass der „Streik der Frauen“ sein Büro nebenan hat, hatte man hier am Freitag noch nicht mitbekommen. Immerhin hat PO-Chef Borys Budka angekündigt, dass die Abgeordneten und ihre Büros Demonstranten, falls nötig, mit Rechtshilfe zur Seite stehen würden.

Auch Polens Präsident Andrzej Duda ist am Freitag auf die Demonstranten zugegangen: Er kündigte an, im Parlament einen Gesetzentwurf einzubringen, der die Möglichkeit einer Abtreibung bei lebensgefährlichen Fehlbildungen des Fötus vorsieht.

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