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#Was Flug-Gefieder auszeichnet

Federn haben alle – doch nicht jeder Vogel nutzt sie bekanntlich zum Fliegen. Nun haben Forscher ein charakteristisches Gefieder-Merkmal der flugfähigen Vögel aufgezeigt, das bisher verborgen geblieben ist: Sie besitzen neun bis elf asymmetrisch aufgebaute Federn am „Handabschnitt“ ihrer Flügel. Flugunfähige Vögel besitzen hingegen weniger oder aber deutlich mehr. Diese Regel haben die Paläontologen anschließend genutzt, um die Entwicklungsgeschichte der Vögel und ihrer gefiederten Dinosaurier-Vorfahren zu beleuchten.

Von wegen ausgestorben: Wer einen Dinosaurier sehen will, braucht oft nur aus dem Fenster zu blicken. Denn die heutigen Vögel sind dieser Tiergruppe zuzuordnen – sie sind aus Vorfahren entstanden, die den Asteroideneinschlag vor etwa 66 Millionen Jahren überlebt haben. Zu ihrem Erfolgsgeheimnis avancierte ein „Patent“, das sich bereits lange zuvor bei Dinosauriern entwickelt hat: die Feder. Man geht davon aus, dass sich im Jurazeitalter bei Vertretern der Gruppe der Pennaraptora-Dinosaurier aus daunenartigen Gebilden schließlich komplexere Federn entwickelten. Anfangs könnten sie verschiedenen Zwecken gedient haben. Doch im weiteren Verlauf der Entwicklung wurden ihre aerodynamischen Effekte immer wichtiger. Dies führte bei den Pennaraptora dann schon früh zu komplexen Flugfähigkeiten. Im weiteren Verlauf der Evolution dieser Gruppe und später bei den Vögeln kam es dann allerdings auch wieder zu einem Verlust der Flugfähigkeit – wie etwa bei den Laufvögeln oder den Pinguinen.

Gefieder-Merkmale im Visier

Bei der Erforschung der Entwicklungsgeschichte der gefiederten Dinosaurier und der Vögel haben sich Paläontologen bisher vor allem mit den Merkmalen von fossilen Arm- beziehungsweise Flügelknochen beschäftigt. Yosef Kiat und Jingmai O’Connor vom Field Museum of Natural History in Chicago rücken nun hingegen die Entwicklung der Gefieder-Strukturen in den Fokus. Den beiden Wissenschaftlern zufolge wurde bisher kaum systematisch erfasst, welche Gefieder-Merkmale typisch für die Schwingen der flugfähigen Vögel sind.

Die Grundlage ihrer Studie bildete deshalb eine umfassende Untersuchung der Federstrukturen heutiger Vögel anhand von hunderten von Museumsexemplaren. Als sich Kiat die Flügel und Federn von Kolibris, Falken, Pinguinen und Co. ansah, wurde ein bekanntes Merkmal bei den fliegenden Arten deutlich: Ihre primären Schwungfedern entlang der Flügelspitzen sind asymmetrisch aufgebaut. Die Feder-Ader ist dabei seitlich versetzt, während die Primärfedern bei flugunfähigen Vögeln, symmetrisch aufgebaut sind. Doch zusätzlich stieß der Wissenschaftler nun auf ein Charakteristikum, das bisher unentdeckt geblieben ist: Alle flugfähigen Vögel besitzen neun bis elf Schwungfedern, die aus dem finalen Flügelsegment hervorgehen, das der Hand entspricht.

Ein altes Prinzip

Es handelt sich um eine einfache Regel, die offenbar bisher niemandem aufgefallen ist: „Es war wirklich überraschend festzustellen, dass bei so vielen unterschiedlichen Flugweisen, die wir bei den modernen Vögeln finden, alle dieser Regel folgen – sie haben zwischen neun und elf Primärfedern. Ich war überrascht, dass das anscheinend noch niemand bisher festgestellt hat“, sagt Kiat. Bei flugunfähigen Vögeln schwankt die Zahl der Federn in diesem Bereich dagegen stark – bei Pinguinen sind es beispielsweise mehr als 40 kleine Federn, Emus haben hingegen keine Primärfedern an dem Flügelsegment. Offenbar haben sich in der Entwicklungsgeschichte der flugunfähigen Vögel diese abweichenden Formen herausgebildet.

Neben den Informationen der Federmorphologie der heutigen Vögel integrierten Kiat und O’Connor anschließend die Gefieder-Merkmale von 35 Arten von Dinosauriern sowie ausgestorbenen Vögeln. Aus den Analyseergebnissen ging dabei hervor, dass der Besitz von neun bis elf Primärfedern offenbar ein ursprüngliches Merkmal der Vögel und der Pennaraptora-Dinosaurier war. Die abweichenden Gefieder-Merkmale an den Flügeln entwickelten sich erst bei den flugunfähigen Entwicklungslinien und offenbar auch nur langsam. „Grundsätzlich zeigte sich, dass sich die Anzahl der Primärfedern und die Form der Federn als Hinweis dazu nutzen lässt, ob ein fossiles Wesen fliegen konnte, oder auch ob seine Vorfahren das konnten“, sagt O’Connor. So fanden die Forschenden etwa bei einem Vertreter der Pennaraptora-Dinosaurier Hinweise darauf, dass er zwar selbst flugunfähig war, aber möglicherweise bereits aus flugfähigen Vorfahren hervorgegangen ist. Bei anderen fossilen Arten mit gefiederten Flügeln bestätigte sich hingegen erneut ihre Flugfähigkeit.

„Unsere Studie, die paläontologische Daten basierend auf Fossilien ausgestorbener Arten mit Informationen von heute lebenden Vögeln kombiniert, liefert interessante Einblicke in die Entwicklungsgeschichte des Gefieders und die Evolution der Dinosaurier, die es hervorgebracht haben“, so Kiat. Was die Ursprünge des Dinosaurierflugs betrifft, sagt O’Connor abschließend: Es gibt Debatten darüber, ob sich das Fliegen bei Dinosauriern nur einmal oder zu mehreren Zeitpunkten entwickelt hat. Unsere Ergebnisse scheinen darauf hinzudeuten, dass sich das Fliegen nur einmal entwickelt hat. Aber wir müssen bedenken, dass unser Verständnis des Fliegens bei Dinosauriern gerade erst am Anfang steht und uns wahrscheinlich noch einige der frühesten Stadien der Evolution der gefiederten Flügel fehlen“, so der Wissenschaftler.

Quelle: Field Museum of Natural History, Fachartikel, PNAS, doi: 10.1073/pnas.2306639121

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