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#Was Polens Regierung für die Zeit nach Corona verspricht

Was Polens Regierung für die Zeit nach Corona verspricht

Bei schönem Wetter sind am Wochenende in Polen viele Menschen auf Straßen und Plätze geströmt und haben die Lockerungen der Corona-Regeln genutzt: Auf der Straße muss keine Maske mehr getragen werden. Von jetzt an dürfen Restaurants und Cafés in ihren Gärten Gäste empfangen. Der Hotelbetrieb wird zügig hochgefahren. Polens Wirtschaft ist bisher im EU-Vergleich glimpflich durch die Pandemie gekommen. Von Inzidenz und Impfquote her ist die polnische Entwicklung der deutschen vergleichbar. Die Zahl der Corona-Toten im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße freilich ist noch immer wesentlich höher.

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Polens Regierung nutzte die Entspannung der Pandemie-Lage, um am Samstag ein mehrfach verschobenes, großes Post-Corona-Programm anzukündigen. Es heißt „Polski Ład“ (Polnische Ordnung). Der Name zeugt von nichts weniger als dem Anspruch, eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft auszurufen. Zugleich demonstrierte das Regierungslager eine lange nicht mehr gesehene Harmonie. Die nationalkonservative PiS unter Jarosław Kaczyński und ihre zwei kleinen Partner, geführt von den Ministern Jarosław Gowin und Zbigniew Ziobro, befinden sich seit Monaten in einem Dauerstreit, durch den die Mehrheit für die Regierung im Parlament mehrmals infrage stand.

„Große Chance für das Land“

Die „Polnische Ordnung“ enthält eine Vervielfachung des Steuerfreibetrags und eine Anhebung der Schwellenwerte zum nächsthöheren Steuersatz – damit wird dem starken Anstieg der Löhne in den vergangenen 20 Jahren Rechnung getragen. Vor allem Personen mit einem Bruttolohn von umgerechnet bis zu 2200 Euro im Monat – also nach polnischen Maßstäben ein großer Teil der Mittelschicht – dürften damit am Jahresende etwa 1000 Euro mehr in der Tasche haben. Die Zeitung Rzeczpospolita kommentierte, 18 Millionen Steuerzahler könnten mit den angekündigten neuen Regeln zufrieden sein; das bedeute aber auch, dass acht Millionen Besserverdienende unzufrieden sein dürften.

Damit passen die Pläne der Regierung zu den Bemühungen der PiS seit 2015, Polen, etwa durch die erstmalige Einführung eines Kindergelds, „sozialer“ zu gestalten. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sprach von einer „großen Chance“ für das Land: Früher habe Polen sich stets vor Unterdrückung von außen fürchten müssen. „Heute haben wir die Freiheit, selbst über die Regeln zu entscheiden, nach denen unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Wachstum zu unseren souveränen polnischen Bedingungen stattfinden soll.“ Damit die Pläne Wirklichkeit werden können, setzt die Regierung unter anderem auf ein hohes Wirtschaftswachstum.

In dem neuen Paket ist für fast alle etwas enthalten: Landwirte und Rentner werden bedacht, der Status der Künstler soll gesetzlich geregelt werden. Für Familien, die eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen wollen, will die Regierung einen Teil ihrer Kredite garantieren. Das chronisch unterfinanzierte Gesundheitswesen soll nach bisher fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 2027 an sieben Prozent zugewiesen bekommen – das war schon vor Jahren eine zentrale Forderung bei Protesten des medizinischen Personals. Dafür werden allerdings die Krankenkassenbeiträge steigen.

Eine vage Ankündigung ist die „Abschaffung“ prekärer Arbeitsverträge, unter denen vor allem junge Menschen leiden. Zugleich werden Milliardeninvestitionen angekündigt, die freilich ohne den im polnischen Abgeordnetenhaus bereits gebilligten Corona-Aufbaufonds der EU, die dafür auch Schulden aufnimmt, kaum denkbar wären. So sollen bis 2030 „2500 Kilometer neue Straßen und Autobahnen“ gebaut werden, außerdem Schwimmbäder und Sportplätze. Mehr Geschichtsunterricht soll den Patriotismus stärken.

Millionen Euro verschwendet

Die Ankündigung der „Polnischen Ordnung“ drängte am Wochenende eine andere Nachricht in den Hintergrund: Polens Rechnungshof hat vorige Woche einen Bericht vorgestellt, wonach die Regierung und zwei staatliche Unternehmen – darunter die Post – rechtswidrig gehandelt haben, als sie während der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr vorigen Jahres ohne entsprechende gesetzliche Grundlage versucht haben, die ursprünglich auf den 10. Mai angesetzte Präsidentenwahl als reine Briefwahl zu organisieren.

Selbst die außergewöhnlichen Umstände einer Pandemie gäben staatlichen Institutionen nicht das Recht, außerhalb des Gesetzesrahmens zu handeln und dafür öffentliche Ressourcen – die Rede ist von umgerechnet gut 16 Millionen Euro – zu vergeuden, sagte Rechnungshofchef Marian Banaś. Deshalb habe man die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Sie solle gegen die von PiS-Parteigängern geführten Staatsbetriebe ermitteln. Ob deswegen auch Regierungspolitiker angeklagt werden könnten, ist noch unklar. Ministerpräsident Morawiecki verteidigte sein damaliges Vorgehen: Man habe die Präsidentenwahl fristgemäß abhalten und zugleich die Gesundheit der Bürger schützen wollen.

Das Regierungslager wollte damals um jeden Preis den Wahltermin im Mai halten und die Wiederwahl seines Kandidaten Andrzej Duda sichern. Am Ende war es neben dem massiven Unmut in der Gesellschaft der Widerstand des Koalitionspartners Jarosław Gowin, der Kaczyński wenige Tage vor dem Termin zwang, die Wahl zu verschieben und etwas später nach den üblichen Regeln abzuhalten. Dass der von einem PiS-Mann geführte Rechnungshof einen so kritischen Bericht veröffentlicht hat, wurde in polnischen Medien mit Machtkämpfen im Regierungslager erklärt.

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