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#Wen soll die EU aus Afghanistan aufnehmen?

Wen soll die EU aus Afghanistan aufnehmen?

Janez Janša twittert sich seit Tagen die Finger wund. Seine Botschaft, in der Fassung von Sonntag: „Die EU wird keine europäischen ’humanitären’ oder Migrationskorridore nach Afghanistan öffnen. Wir werden nicht zulassen, dass sich der strategische Fehler von 2015 wiederholt.“ Man werde daher nur Personen helfen, die direkt für die NATO und die EU tätig waren. Der nationalkonservative slowenische Regierungschef nahm sich dabei heraus, für die gesamte Union zu sprechen – das Land hat derzeit den halbjährlich rotierenden Vorsitz in den Ministerräten inne. Doch tatsächlich wurde seine Position nur von zwei Ländern unterstützt: Österreich und Ungarn. Die meisten anderen Staaten und die Spitzen der EU-Institutionen wollen zwar auch eine Migrationswelle wie 2015 verhindern. Sie fassen den Kreis der Schutzbedürftigen aber weiter, sprechen von moralischer Verantwortung und dringen auf Zusagen für Resettlement-Programme.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, trat dem Slowenen am Sonntag offen entgegen: „Es liegt nicht bei der Ratspräsidentschaft zu sagen, was die Europäische Union tun wird“, verbreitete der Italiener, selbst Sozialdemokrat. Es sei klar, „dass wir jetzt Solidarität zeigen müssen“. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte beim Besuch eines Aufnahmelagers für afghanische Ortskräfte der EU in Spanien, dass man Schutzbedürftigen „legale und sichere Routen anbieten muss“, und zwar global, organisiert von der internationalen Gemeinschaft. „Das Resettlement vulnerabler Menschen ist von großer Wichtigkeit, es ist unsere moralische Pflicht.“ Darüber hinaus nannte sie Menschen die in „unmittelbarer Gefahr“ seien wie Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Es handle sich um eine zentrale Aufgabe für die G-7-Schaltkonferenz an diesem Dienstag, an der von der Leyen teilnehmen wird.

Slowenien sperrt sich gegen Innenministertreffen

Die EU wollte im Lauf des Montags noch 230 Personen, Ortskräfte und deren Familienangehörige, aus Kabul ausfliegen. Sie werden zunächst auf einen Luftwaffenstützpunkt bei Madrid gebracht und von dort aus weiterverteilt. In Brüssel hieß es, fast alle Mitgliedstaaten hätten Aufnahmeplätze für die insgesamt 400 Menschen angeboten, auch Slowenien, nicht aber Ungarn und Österreich. Über eine Ausweitung des Kreises der Schutzbedürftigen müssten die Mitgliedstaaten beraten. Wie Beamte und Diplomaten berichteten, sperrt sich die slowenische Ratspräsidentschaft aber gegen ein Treffen der Innenminister, wie es auch der deutsche Ressortchef Horst Seehofer (CSU) angeregt hatte. Eine Videokonferenz hatten die Slowenen in der vorigen Woche auf Probleme an der Grenze zu Belarus beschränkt, was bei einigen Staaten und bei der Kommission zu Unmut führte.

Auch deshalb setzt die Kommission inzwischen ein anderes Werkzeug ein, das sogenannte „Blueprint Network“, ein von ihr selbst geführtes Gremium zur Abstimmung und zum Informationsaustausch. Es tagt jedoch nur auf Beamtenebene. Die zuständige Innenkommissarin Ylva Johansson appellierte schon vorige Woche an die Staaten, weitere Plätze für die Umsiedlung von Afghanen anzubieten. Insbesondere Frauen und Mädchen seien in einer „besonders gefährlichen Lage“. Zugleich machte sie deutlich, dass die EU verhindern müsse, dass Menschen über unsichere und irreguläre Wege, die von Schleusern kontrolliert werden, nach Europa gelangten.

In Österreich setzt die Haltung der christdemokratischen Kanzlerpartei ÖVP, keine zusätzlichen afghanischen Flüchtlinge aufzunehmen, den kleineren Koalitionspartner in der „türkis-grünen“ Regierung unter Druck. Die Grünen-Führung in Wien machte ihre entgegengesetzte Position am Montag in einer Stellungnahme deutlich, die über die Austria Presse Agentur veröffentlicht wurde, ohne aber ihre Regierungsbeteiligung in Frage zu stellen. Sie seien für eine „europaweite Initiative zur humanitären Aufnahme von Schutzsuchenden“. Österreich müsse dafür die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen.

ÖVP-Politiker kritisieren Brüssel

Vom innerparteilichen Druck zeugt der Parteiaustritt einer früheren Wiener Landesvorsitzenden der Grünen, die 2019 den türkis-grünen Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hatte. Darin ist de facto das Prinzip verankert worden, dass die ÖVP ihre harte Linie gegen Migration durchziehen kann. Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte am Wochenende in einem Sommerinterview seine Auffassung bekräftigt, dass Österreich nicht „mehr Menschen aufnehmen“ sollte, „das wird es unter meiner Kanzlerschaft nicht geben“.

Zugleich kritisierten ÖVP-Politiker scharf die Europäische Kommission für ihre Aufrufe, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen, wofür die EU zusätzliche Finanzhilfen bereitstellen wolle. Er sei „schockiert“ darüber, dass die Kommission „permanent die falschen Botschaften“ aussende, sagte der österreichische Innenminister Karl Nehammer. „Abertausende“ Afghanen nach Europa zu holen, wäre keine Lösung, sondern eine „sehr kurzsichtige und ideologisch fehlgeleitete Politik“, die gefährlich für Europa sei. Nehammer und Kurz befanden, dass sich afghanische Asylbewerber „besonders schwierig“ integrieren ließen. Im Juli hatte sich eine hitzige innenpolitische Debatte daran entzündet, dass vier teils bereits zuvor straffällig gewordene Afghanen verdächtigt werden, eine Jugendliche in Wien vergewaltigt und getötet zu haben. In der ÖVP wird zudem darauf verwiesen, dass Österreich im europäischen Vergleich nur von Schweden übertroffen werde, was die Aufnahme von Asylbewerbern seit 2015 relativ zur Bevölkerungszahl betrifft.

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