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#Weniger abwarten, mehr zwingen

Weniger abwarten, mehr zwingen

Am 4. Juli feierte Joe Biden noch die wiedergewonnene Freiheit. Im Garten des Weißen Hauses lud der amerikanischen Präsident zu einem ausgelassenen Fest und sagte, in diesem Jahr begehe Amerika einen besonderen Unabhängigkeitstag: Man komme aus einem Jahr der Pandemie: Eine Zeit der Isolation, des Schmerzes, der Angst und des Verlustes liege hinter den Bürgern.

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Der Präsident zog damals Bilanz: Man möge doch nur daran denken, wie es noch vor einem Jahr ausgesehen habe – und was seither erreicht worden sei. Man durfte dies als Anspielung auf das Chaos unter Donald Trump verstehen. Die Wirtschaft laufe wieder, sagte Biden, und es gebe Rekordzahlen auf dem Arbeitsmarkt. Ein wenig unter ging in der seinerzeitigen Feierlaune, dass Biden auch klarmachte, dass die Schlacht gegen das Coronavirus noch nicht vorbei sei. Es gebe noch viel zu tun. Schließlich hatte der Präsident die angestrebte Impfquote verfehlt – und die Delta-Variante war auch schon in Amerika angekommen. Die Fallzahlen stiegen schon wieder an, wenngleich noch auf niedrigem Niveau.

In der Zwischenzeit ist die Delta-Variante außer Kontrolle geraten, vor allem in jenen – von den Republikanern dominierten – Teilen der Vereinigten Staaten, in denen besonders viele Impfgegner leben. Die Intensivstationen in mehreren Bundesstaaten sind überfüllt – und nachdem die Totenzahlen zwischenzeitlich auf etwa 200 am Tag gesunken waren, liegen sie nun wieder bei mehr als 1000. Schließlich ist Amerika, dessen Impfkampagne anfangs höchst erfolgreich war, bei der Impfquote inzwischen von mehr als 50 Ländern überrundet worden.

Demonstranten, die nicht geimpft werden wollen, in Los Angeles am 9. September


Demonstranten, die nicht geimpft werden wollen, in Los Angeles am 9. September
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Bild: AP

Am Donnerstag trat ein frustrierter Präsident im Weißen Haus vor die Kameras. Seit Wochen gab es im Kabinett Diskussionen darüber, ob die Bundesregierung verpflichtende Maßnahmen ergreifen müsse. Viele Demokraten scheuten davor zurück – vor allem wegen des demagogischen Potentials, das sich den Republikanern böte. Nun aber zog der Präsident die Reißleine: Die „Zeit des Abwartens“ sei vorbei, sagte er. Dies sei „eine Pandemie der Ungeimpften“, fügte er hinzu. Und er sagte: „Eine bestimmte Minderheit von Amerikanern, die von einer bestimmten Minderheit von gewählten Volksvertretern unterstützt wird, verhindert, dass wir über den Berg kommen.“

Biden: Enormer Schaden

Die Pandemiebekämpfung war in Amerika von Beginn an politisiert worden. Viele Republikaner, vor allem im Süden, im Mittleren Westen und im Westen, lehnen eine Impfung ab – sei es, weil sie der Regierung beziehungsweise dem Staat misstrauen, sei es, weil sie glauben, Gott werde sie beschützen, oder sei es schließlich, weil sie den Verschwörungstheorien anhängen, die in den sozialen Medien verbreitet werden. „Was es unglaublich frustrierend macht, ist, dass wir die Werkzeuge haben, um Covid-19 zu bekämpfen“, sagte Biden nun.

Obwohl Amerika ein beispielloses Impfprogramm vorweise, das seit fünf Monaten kostenlos Impfstoffe an 80.000 Orten zur Verfügung stelle, gebe es immer noch 80 Millionen Amerikaner, die sich nicht hätten immunisieren lassen. Die 25 Prozent der Bevölkerung, die sich der Impfung verweigerten, richteten einen enormen Schaden an. Überfüllte Intensivstationen bedeuteten auch, dass es keinen Platz für Herz-Kreislauf- und Krebspatienten gebe. Angesichts der vielen Fehlinformationen hob Biden noch einmal hervor, dass die Impfung einen guten Schutz gegen einen schweren Verlauf einer Covid-Erkrankung biete. Nur einer von 160.000 vollständig Geimpften am Tag müsse seine Erkrankung im Krankenhaus behandeln lassen.

Angesichts dieser Tatsachen stellte Biden sodann sein Maßnahmenpaket vor. Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten soll vorgeschrieben werden, dass alle Mitarbeiter geimpft sein müssen oder sich mindestens einmal pro Woche auf eine Corona-Infektion testen lassen müssen. Die Regelung werde unter Federführung des Arbeitsministeriums erarbeitet und solle für 80 Millionen Beschäftigte der Privatwirtschaft gelten. „Wir werden die geimpften Beschäftigten vor den ungeimpften schützen“, sagte Biden.

Präsident Joe Biden wirbt in einer Schule in Washington für Impfungen.


Präsident Joe Biden wirbt in einer Schule in Washington für Impfungen.
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Bild: AP

Zudem sollen künftig alle Mitarbeiter in Krankenhäusern und Einrichtungen des Gesundheitswesens, die Zahlungen der staatlichen Krankenversicherungen annehmen, gegen Corona geimpft sein müssen. Die Regelung werde für rund 17 Millionen Mitarbeiter gelten. In den staatlichen Programmen Medicare und Medicaid sind vor allem Ältere, Behinderte und Bedürftige versichert. Biden kündigte zudem an, eine Verordnung zu erlassen, nach der für alle Angestellten des Bundes eine Impfpflicht gelten soll. Das gelte auch für Unternehmen, welche Aufträge durch den Bund erhielten.

„Er hat gelogen“

Jen Psaki, die Sprecherin des Weißen Hauses, konkretisierte, es werde dabei nur wenige Ausnahmen aus bestimmten gesundheitlichen oder religiösen Gründen geben. Die bisherige Möglichkeit, sich durch regelmäßige Corona-Tests von einer Impfpflicht zu befreien, soll wegfallen. Angestellte des Bundes hätten bis zu 75 Tage Zeit, sich impfen zu lassen. Mitarbeitern, die bis dahin nicht geimpft seien, drohten über die zuständige Personalabteilung disziplinarische Maßnahmen, die bis zur Entlassung führen könnten.

Biden will schließlich alle Bundesstaaten auffordern, die Corona-Impfung für Lehrerinnen und Lehrer und alle anderen Angestellten von Schulen zur Pflicht zu machen. Es bleibt aber bei einem Appell an die Gouverneure. Die Republikaner reagierten umgehend auf die präsidialen Einlassungen: Die Generalsekretärin der Parteiorganisation RNC, Ronna McDaniel, kündigte eine Klage gegen die Impfpflicht, die den Privatsektor betreffe, an. Biden habe nach der Wahl versprochen, keine Impfpflicht zu verhängen. „Er hat gelogen“, sagte sie. Der Präsident war bislang bestrebt, die Pandemiebekämpfung dem Kulturkampf zu entziehen. Nun begibt er sich auf das Schlachtfeld.

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