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#Wenn jeder Tag Karfreitag ist

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Wenn jeder Tag Karfreitag ist

Was zuletzt geschah: Mit zwölf Stunden haben wir die längste Sitzung von Kanzlerin und Ministerpräsidenten seit Corona-Zeiten erlebt. Außerdem den Beschluss mit der wohl kürzesten Haltbarkeitszeit, da die sogenannte Osterruhe im Nu wieder kassiert wurde. Von der Bundeskanzlerin haben wir die bemerkenswerten Worte gehört, dass sie uns wegen der Verunsicherung um Verzeihung bitte, während der Gesundheitsminister – just als die Kanzlerin nach Testkapazitäten fragte – mit dem banaleren Satz zitiert wurde, er habe gerade ein Duplo im Mund.

Jörg Thomann

Jörg Thomann

Redakteur im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

In einem Depot in Italien, erfuhren wir, wurden 29 Millionen Astra-Zeneca-Impfdosen aufgefunden, was die EU zum Anlass nehmen sollte, mal sämtliche Depots nach weiterem Stoff zu durchforsten, womöglich findet sich ja sogar welcher von Biontech. Und wir haben ein neues Wort gelernt, das die Seelenlage eines großen Teils der Bevölkerung beschreibt, ein Amalgam aus den Begriffen müde und wütend – mütend.

In diesem Sinne: Fröhliche Ostern allerseits.

Blicken wir in unsere mütenden, von den FFP2-Masken zerfurchten Gesichter, dann läge der Schluss nahe, dass sie im Prinzip gar keine so schlechte Idee gewesen wäre, diese Osterruhe: einfach mal nichts tun. Runterkommen. Das Problem ist nur, dass das Nichtstun längst unseren Alltag beherrscht; noch weiter runterkommen ist kaum möglich.

Mit letzten Kräften

Wir befänden uns, sagt Markus Söder, in der schwierigsten Phase der Pandemie. Bei einem Marathonlauf wäre das etwa Kilometer dreißig: Man ahnt, dass das Ziel nahe ist, hängt aber extrem durch und muss die letzten Kräfte mobilisieren, um nicht aufzugeben. Im Unterschied zum Marathon sind die meisten von uns gar nicht einmal körperlich am Ende – Intensivmediziner und Eltern, die den lieben langen Homeoffice-Tag Kinder bei Laune halten müssen, einmal ausgenommen –, sondern psychisch. Um mal kein sportliches, sondern ein österliches Bild zu gebrauchen: Die jetzige Pandemie-Phase fühlt sich an wie ein elendig langer Karfreitag. Ohne die Gewissheit, ob und wann es tatsächlich zur Auferstehung kommt.

Osterstimmung (Symbolbild)


Osterstimmung (Symbolbild)
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Bild: Laila Sieber

Sechzig Prozent der Jugendlichen in Deutschland, ergab eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, fühlen sich während der Pandemie einsam. 71 Prozent der Bundesbürger empfinden laut dem „Deutschland-Barometer Depression“ den zweiten Lockdown als bedrückend; Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, spricht von „flächendeckender Demoralisierung“. Gern würde man diagnostizieren, dass aus dem kollektiven Katzenjammer wenigstens eine Art Gemeinschaftsgefühl erwüchse, doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Die Gesellschaft strebt zusehends auseinander.

Ganz anders war dies zu Beginn des ersten Lockdowns; nach der damaligen Stimmung könnte man sich, so absonderlich das klingt, glatt zurücksehnen. Die Situation war furchtbar, doch auch furchtbar aufregend, Regierung und Volk wähnten sich auf gemeinsamer Mission. Schon die Jüngsten spürten den besonderen Moment; ein privates Zeugnis sind drei mit viel Eifer fabrizierte identische Exemplare einer großformatigen Lockdown-Zeitung (spätere Ausgaben ließ der nachlassende Elan des Kindes nicht zu). Jeder war plötzlich für sich und fühlte sich dennoch nicht allein. Die ersten Zoom-Meetings mit vertrauten Menschen waren eine Offenbarung; man ­hatte sich dabei sogar noch was zu erzählen. Hatte man eine Packung Toilettenpapier ergattert, dann war der Tag gerettet. Die politisch-gesellschaftliche Ge­mengelage war vergleichsweise übersichtlich; Archetypen der Querdenker traten auf, doch sie waren noch recht leise und eindeutig als Deppen zu qualifizieren.

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