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#Wer hat uns die Suppe eingebrockt?

„Wer hat uns die Suppe eingebrockt?“

Da war sie wieder, die Debatte, wie das alles passieren konnte. „Die Leute wollen wissen, wer ihnen die Suppe eingebrockt hat“, entfuhr es Sabine Adler, der langjährigen Osteuropakorrespondentin des Deutschlandfunks, die Suppe der Teuerungen für Haushalte und Unternehmen, die Suppe der Existenzängste. Die Suppen-Metapher war bei „Maybrit Illner“ der überfällige Zungenschlag hinein ins Deftige, um das stets gefällige, anpassungsbereite, leicht hochtrabende Drumherumreden des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil zu stoppen.

Klingbeil hatte es zunächst auf den breiten gesellschaftlichen Konsens abgesehen, um die historische Bereitschaft zumal seiner Partei zu rechtfertigen, sich in die energetische Abhängigkeit von Russland gebracht zu haben. Im übrigen gestand er „Fehler“ ein, die „von allen“ gemacht worden seien und bat Norbert Röttgen, den Außenpolitiker der Union, in diesem Zusammenhang nicht in jedem zweiten Satz „immer nur“ von der SPD zu sprechen, was ja „banal“ sei.

Aber Sabine Adler bestand auf Nennung von „Ross und Reiter“, auf einer systemischen wie personalen Aufklärung der russlandlastigen, russlandblinden Parteigeschichte und reichte Klingbeil den Banalitätsvorwurf zurück. Sie hielt – so konnte man sie verstehen – Klingbeil vor, eine solche Aufklärung de facto zu sabotieren, wenn auch mit Schuldrhetorik bemäntelt. Röttgen sei in den zurückliegenden Jahren „die große Ausnahme“ gewesen, der bei den Energie-Deals vor deutschen Abhängigkeiten von Russland vernehmbar gewarnt habe. Er selbst bestritt – anders als Klingbeil ihm unterstellte – auch in der Sendung keinesfalls die fatale Rolle der Unionsparteien in deren Regierungsverantwortung, als er den spezifischen Aufklärungsbedarf für die SPD anmahnte.

Ein Verantwortungsbegriff, der zur Leerformel degeneriert

Tatsächlich hatte Klingbeil in dieser Hinsicht wenig mehr zu sagen, als dass es eine „neue Ostpolitik“ brauche, die stärker mit den osteuropäischen Staaten kooperiere, mit Polen und dem Baltikum, und weniger russlandfixiert daherkomme. In der blanken Selbstverständlichkeit solcher Aussagen lag für Sabine Adler eine Provokation, der auch durch den Hinweis Klingbeils, sich schon früher einmal zur Fehlergeschichte seiner Partei geäußert zu haben, nicht die Spitze genommen werden konnte.

Journalistin Sabine Adler


Journalistin Sabine Adler
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Bild: ZDF/Svea Pietschmann

Allemal gehört die Rede von der „neuen Ostpolitik“ inzwischen schon wieder zu den alten Hüten der Partei. Im Mai beispielsweise hatte Klingbeil bereits versucht, mit diesem rhetorischen Ausgriff in die Zukunft von der Frage nach der Vergangenheit abzulenken, sie als nicht so drängend erscheinen zu lassen. Auch seinerzeit hatte er darauf verwiesen, dass es „über Jahrzehnte Konsens in der Bundesrepublik“ gewesen sei, „dass Konflikte über Dialog entschärft werden können. Das lassen wir uns nicht schlecht reden, auch wenn ich gerade erlebe, dass dieses Grundverständnis von manchen nun in Frage gestellt wird.“

Sich mit solchen rhetorischen Versatzstücken aus der Verantwortung stehlen zu wollen, sie jedenfalls ins Diffuse hinein zu verallgemeinern, ohne eigene ideologische Verhaftetheiten hinreichend deutlich wahrhaben und benennen zu wollen, ist das Gegenteil jener von Sabine Adler geforderten Ross und Reiter-Aufklärung, wie sie sie selbst in ihrem Buch „Die Ukraine und wir. Deutschlands Versagen und die Lehren für die Zukunft“ versucht.

Ein Verantwortungsbegriff, der nicht fragt: Wer hat wofür Verantwortung?, sondern stets nur universal verstanden werden möchte, degeneriert zur Leerformel. Seines Gehaltes entleert tendiert er dazu, als Schlüsselbegriff einer Rechtfertigungstrategie herzuhalten, die es darauf anlegt, sich selbst im Verantwortungszusammenhang zurückzunehmen, wenn nicht unsichtbar zu machen. Lars Klingbeil hat, auf die SPD bezogen, diesem Eindruck bei „Maybrit Illner“ eher Vorschub geleistet als ihm entgegengewirkt.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen


CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen
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Bild: ZDF/Svea Pietschmann

Früherer Botschafter in Moskau: „Putin ist nicht verrückt“

Auch der Rationalitätsbegriff erfuhr in der Sendung eine Läuterung, insofern er seiner suggestiven Korrekturfunktion entkleidet wurde. Rationalität ist, so wurde deutlich, kein argumentativer Selbstläufer. Der schlichte Hinweis des früheren Botschafters in Moskau, Rüdiger von Fritsch, dass es nicht eine Rationalität gibt, sondern deren viele, entmystifizierte politische Vernünftigkeit als regulative Idee. Deshalb lägen auch Einschätzungen, die Putin als Irrationalisten oder gleich als Irren darstellen, neben der Sache und seien keine tauglichen Kategorien der politischen Analyse. „Putin ist nicht verrückt“, erklärte von Fritsch in Bezug auf die nuklearen Drohungen des russischen Präsidenten. „Er ist nicht irrational. Er handelt nach einer anderen Rationalität. Und in der ist er sehr rational.“

Zu dieser Rationalität gehöre, in der Schwäche zwar zu drohen, aber diese Drohung zugleich einer „mehrfachen Abwägung“ zu unterziehen, etwa im Blick auf die chinesische und indische Führung, die Putin klar signalisiert hätten, dass sie einen solchen „ultimativen Tabubruch der internationalen Politik“ nicht wünschten.

Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, hält in diesem Sinne die Annahme für nicht rational, dass sich die Gefahr eines Einsatzes von Nuklearwaffen nach der jüngsten Rede Putins erhöht habe, in welcher der russische Präsident versichert hatte, er bluffe nicht. Tatsächlich werde der Bluffverdacht rhetorisch mit jedem Dementi eher verstärkt als entkräftet. Damit stimmte auch Masala dem Mehrheitsbefund in der Runde zu, den am deutlichsten Norbert Röttgen formuliert hatte: Als Option sei die Schwäche Putins seiner Stärke allemal vorzuziehen.

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