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#Wie die Niederlande über Rassismus debattieren

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Wie die Niederlande über Rassismus debattieren

Wird die Goldene Kutsche jemals noch durch Den Haag rollen? Im Jahr 2015 ließ sich König Willem-Alexander zum letzten Mal mit dem Prachtwagen zur Eröffnung des Parlaments fahren. Danach wurde er aufwendig restauriert, seit Mitte Juni kann das Volk ihn betrachten. Die Kutsche, Baujahr 1898, ist in einem gläsernen Kasten ausgestellt, im Hof des Stadtmuseums von Amsterdam. Mit ihr steht die schwierige Frage im Raum: Ist das noch zeitgemäß? Nicht, weil Kutschen seit geraumer Zeit als Transportmittel aus der Mode gekommen sind. Sondern wegen einer Darstellung auf der linken Seitenwand: „Huldigung aus den Kolonien“. Das Bild ist ins Gerede gekommen, wie so manche andere scheinbar unschuldige Tradition.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

In der Mitte thront die Niederländische Jungfrau mit den Wappenschildern von Surinam in Südamerika, der damals wichtigsten Kolonie am Atlantik, und von Batavia, der Hauptstadt von Niederländisch-Indien, besser bekannt als Jakarta. Zu ihren Füßen liegen Gaben aus den überseeischen Besitzungen, ehrerbietig dargebracht von zwei Schwarzen: Bananen, Ananas, Kakaofrüchte, Muscheln und Elfenbein. Im Gegenzug bekommen die kaum bekleideten Menschen die Zivilisation – in Gestalt eines Buches, das ein weißer Mann mit herablassender Geste einem Jungen reicht. So sah der Künstler und so sahen gewiss auch seine Auftraggeber die eigene Geschichte: Die „wilden“ Menschen, kaum bekleidet, hatten den Niederlanden dankbar zu sein für dieses Geschenk – und das auch noch eine ganze Generation, nachdem die Sklaverei in allen Kolonien abgeschafft worden war.

Die Debatte läuft – und wie!

Über die Kutsche, ein Geschenk der Amsterdamer Bürger zur Krönung von Königin Wilhelmina, gab es immer wieder mal Streit. Zu teuer, zu abgehoben – das waren die Einwände. Doch an dem Bild auf der Wagenseite nahm niemand Anstoß. Erst 2011 änderte sich das, als zwei Aktivisten zwei linke Abgeordnete für einen Protest gegen die „Verherrlichung von Kolonialismus und Sklaverei“ gewannen. Einer der beiden Aktivisten hätte die Kutsche am liebsten verbrannt gesehen, seiner Mitstreiterin reichte es dagegen, wenn das anstößige Bild entfernt würde. Als das Gefährt 2015 in die Werkstatt kam, um aufwendig restauriert zu werden, einigten sie sich auf die Forderung, es danach ins Museum zu verfrachten. Das wurde vielfach belächelt.

Ein Bild an der Seitenwand der Goldenen Kutsche verherrlicht den Kolonialismus.


Ein Bild an der Seitenwand der Goldenen Kutsche verherrlicht den Kolonialismus.
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Bild: Thomas Gutschker

Doch im vorigen Sommer wurde plötzlich Ernst daraus. Nach dem gewaltsamen Tod George Floyds in Amerika protestierten Tausende Menschen in niederländischen Städten gegen Rassismus und Alltagsdiskriminierung. Auf einer Onlineplattform tauchte eine Petition auf, die sich die Forderung der Aktivisten zu eigen machte und binnen weniger Tage 8000 Unterschriften fand. Die Kutsche werde erst mal ausgestellt, verfügte Willem-Alexander. Was danach mit ihr geschehe, werde er im Licht der öffentlichen Debatte entscheiden.

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Diese Debatte läuft – und wie! Sie dreht sich nicht bloß um die Kutsche, sondern um die gesamte koloniale Vergangenheit. Ebenfalls in Amsterdam zeigt das Rijksmuseum gerade eine Ausstellung über Sklaverei in den früheren Kolonien. Die Stadt hat kürzlich für ihre Verstrickung in den Sklavenhandel um Entschuldigung gebeten. Und eine vom Staat eingesetzte Kommission zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte rief die Regierung dazu auf, ebenfalls für die Vergangenheit um Entschuldigung zu bitten, Sklaverei als „Verbrechen gegen die Menschheit“ anzuerkennen und einen Entschädigungsfonds aufzulegen. „Der heutige institutionelle Rassismus lässt sich nicht von Jahrhunderten der Sklaverei und des Kolonialismus und den Ideen, die in diesem Zusammenhang entstanden sind, trennen“, teilten die Mitglieder mit.

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