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#Wie Hilfsorganisationen das Arbeitsverbot für Frauen umgehen

„Wie Hilfsorganisationen das Arbeitsverbot für Frauen umgehen“

Wie so oft ist die afghanische Realität vielschichtiger, als es der erste Eindruck erscheinen lässt. Ende Dezember hatte die Taliban-Regierung verfügt, dass Nichtregierungsorganisationen keine weiblichen Mitarbeiter mehr beschäftigen dürften. Die Meldung war der vorläufige Höhepunkt der Politik, mit der die Islamisten Frauen immer weiter aus dem öffentlichen Leben Afghanistans verdrängen. Nur wenige Tage zuvor hatten sie die Schließung der Unis für Studentinnen und Professorinnen verkündet.

Doch einen Monat später zeigt sich, dass das Verbot in der Praxis nicht so kategorisch gilt, wie es die oberste Taliban-Führung in Kandahar offenbar gerne hätte. Die Hilfsorganisationen CARE, International Rescue Committee (IRC) und Save the Children teilten vergangene Woche als erste mit, dass sie einzelne Projekte im Bereich Gesundheit, Ernährung und Bildung wieder aufnähmen – weibliche Kolleginnen eingeschlossen. Denn ohne Frauen, da sind sich alle Hilfsorganisationen einig, können und wollen sie ihre Arbeit in Afghanistan nicht tun.

Die Beteiligten vor Ort sind sehr vorsichtig damit, über die Details zu sprechen, weshalb sie nicht zitiert werden wol­len. Aus verschiedenen Gesprächen mit NGO-Mitarbeitern in Kabul fügt sich aber ein Bild. In dessen Zentrum stehen mal wieder die Pragmatiker in den Reihen der Taliban.

Schon beim Streit über Mädchenbildung hatten zahlreiche Indizien dafür gesprochen, dass viele im Kabinett nicht hinter der radikalen Vorstellung der obersten Führung in Kandahar stehen, Frauen gänzlich aus der Öffentlichkeit zu verdrängen und sich damit international noch weiter zu isolieren.

Die NGOs argumentieren mit der kulturellen Realität

Im Fall des Arbeitsverbots für Frauen war es offenbar das Gesundheitsministerium der Taliban, das den ersten Schritt wagte. Dort sitzen viele Pragmatiker, die Lösungen für die immensen menschlichen Probleme des Landes finden müssen und wenig Zeit für ideologische Grundfragen haben. Das entscheidende Argument ge­gen das Arbeitsverbot für Frauen konnten die Helfer aus der kulturellen Realität Afghanistans ableiten: Frauen sollen nicht mit fremden Männern in Kontakt kommen.

Der medizinische Bereich ist daher zwingend auf weibliche Mitarbeiter angewiesen. Da das afghanische Gesundheitssystem zum größten Teil von internationalen Mitteln getragen wird, konnte das Ministerium eine Ausnahmeerlaubnis für beteiligte NGOs gut begründen.

Doch die wollten sich nicht allein damit abspeisen lassen, dass das Personal in der ersten Reihe, also Ärztinnen und Pflegerinnen, wieder arbeiten dürfen. Die Organisationen forderten auch für das Backoffice Garantien und argumentierten wieder afghanisch: Die Ärztinnen und Pflegekräfte sollten nicht gezwungen sein, sich in der Verwaltung an männliche Kollegen zu wenden.

In der afghanischen Praxis ist das tatsächlich wichtig. Denn viele Frauen würden sich einem fremden Mann kaum anvertrauen, wenn es Probleme gibt. Für die Hilfsorganisationen ist das nicht nur wichtig, um die eigenen Prinzipien zu verteidigen, dass man nicht ohne die Kolleginnen arbeiten will. Für viele Angestellte ist der Job eine existenzielle Frage. Seit die Wirtschaft im Land kollabiert ist, hängen oft große Fa­milien am Einkommen einer Person.

Doch in vielen Bereichen ist es nicht allein mit der Ausnahmeerlaubnis des Ministeriums in Kabul getan. Die Taliban sind keine straff geführte Kaderorganisation. Zwar beugen sich alle den Anweisungen ihres obersten Führers, des Emirs Haibatullah Achundsada, doch gibt es in der Praxis viele Machtzentren auf lokaler Ebene. Frühere Kommandeure, die immer noch mächtig sind, sitzen dort auf den Entscheidungsposten und agieren oft sehr frei.

Komplizierte Netzwerke aus Loyalitäten und Zuständigkeiten

Für die Hilfsorganisationen bedeutet das, dass sie in manchen Provinzen durch die richtigen Kontakte einiges erreichen können. Schon bei den Mädchenschulen war von lokalen Führern zu hören, die ein Auge zudrückten. Doch in der Praxis müssen sich die NGOs in diesen komplizierten Netzwerken aus Loyalitäten und Zuständigkeiten zurechtfinden und alle relevanten Akteure einbinden, um ihre Mitarbeiter nicht in gefährliche Grauzonen zu bringen.

Ohnehin sind die erreichten Ausnahmen nur „ein Tropfen im Ozean“, wie eine Beteiligte sagt. Der eisige Winter hält das Land in seinem Bann. Rund drei Viertel der Afghanen hängen von internationaler Hilfe ab, und die meisten Projekte stehen weiter still, solange das Arbeitsverbot für Frauen gilt. Zwar sind UN-Organisationen von dem Taliban-Erlass ausgenommen, doch laufen deren Projekte meist in Kooperation mit lokalen NGOs. Und die meisten Organisationen machen klar, dass sie nicht weitermachen, bevor das Arbeitsverbot aufgehoben wird.

Denn nicht nur im Gesundheitsbereich können sie Frauen wegen der kulturellen Hemmnisse nicht mit einer rein männlichen Mitarbeiterschaft erreichen. Die meisten Geldgeber verlangen auch eine genaue Wirkungsanalyse über die verwendeten Mittel. Das geht nur, wenn die NGO-Mitarbeiter mit denjenigen reden können, die die Hilfe am Ende verwenden und sagen können, was wirklich gebraucht wird. Bei der Unterstützung von notleidenden Familien oder Kindern sind das vor allem die Frauen.

Dieser Tage ist UN-Nothilfekoordinator Martin Griffith im Land unterwegs. Doch die größte Herausforderung für die Vermittler ist es, Zugang zum eigentlichen Machtzentrum um den Emir in Kandahar zu bekommen. Kommentare zum Verlauf der Bemühungen gibt es kaum, doch hinter vorgehaltener Hand heißt es bei den UN, einiges sei im Fluss.

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