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#Wie man ein Problem nach Afrika exportiert

Wie man ein Problem nach Afrika exportiert

Vor vier Jahren ist die Kunsthistorikern Bénédicte Savoy lautstark aus dem wissenschaftlichen Beirat des Humboldt-Forums ausgetreten. Seither hat man von ihr viel, von dem Beirat wenig gehört. Aber es gibt ihn immer noch. In dieser Woche erscheint bei Hanser eine knapp dreihundert Seiten dicke Broschüre über „(Post) Kolonialismus und kulturelles Erbe“, die eine Art Schwanengesang des Beratergremiums ist.

Andreas  Kilb

Darin sagt und schreibt jedes Mitglied ziemlich genau das, was man von ihm oder ihr erwartet: dass der Kolonialismus das absolut Böse und durch Restitutionen noch lange nicht abgegolten ist (George Abungu, Nairobi); dass Fragmente indischer Tempelskulpturen nicht in deutsche Museen gehören (Jyotindra Jain, New Delhi); dass ein Museum in Afrika nicht dasselbe sein kann wie ein Museum in Europa (Abdoulayé Touré, Dakar). Außerdem diskutieren zwei deutsche und ein niederländischer Museumsleiter über die Frage, wie sie ihre ethnologischen Sammlungen gleichzeitig kritisch durchleuchten und für Besucher attraktiv präsentieren können. Sie kommen zu keinem Ergebnis, sind sich aber einig, dass „Freude, Hoffnung und Schönheit“ im Mittelpunkt ihres Wirkens stehe müssen.

Eine von hundert Identitäten

Die eine überraschende Stimme im gewohnten Chor ist die des Philosophen Anthony Appiah (New York). Appiah, Sohn einer Britin und eines Ghanaers, schlägt vor, sämtliche kolonialen Kulturgegenstände in die Treuhänderschaft der Orte zu geben, an denen sie gegenwärtig befänden. Statt über Besitzfragen zu streiten, solle man sich um „Interpretation und Zugang“ kümmern und das Modell des Universalmuseums auch nach Mali oder Ghana exportieren. Mit dem Konzept des nationalen Kulturerbes komme man in Afrika nicht weiter, weil Besucher etwa des nigerianischen Nationalmuseums die Objekte nicht dem Staat Nigeria, sondern der Volksgruppe der Yoruba, Igbo, Haussa „oder einer von hundert anderen Identitäten“ zurechneten.

Bevor man Appiahs Position angesichts der aktuellen deutschen Debatte über Kolonialismus und Restitution für weltfremd erklärt, sollte man sich klarmachen, dass sie gerade das nicht ist. Sie beruht auf jahrzehntelanger Erfahrung, Anschauung, Weltläufigkeit, multikultureller Herkunft und Prägung, nicht nur auf der Lektüre der „taz“ und einiger Tagungsbände zum Thema. Bei der Expertenrunde aus Museumsleuten und Kulturpolitikern, die Monika Grütters für den kommenden Donnerstag zusammengerufen hat, wird sie dennoch keine Rolle spielen. Hier geht es darum, den Druck abzuleiten, den der nigerianische Staat im Verbund mit deutschen Aktivistengruppen in jüngster Zeit in Bezug auf die Benin-Bronzen aufgebaut hat.

Mächtig durch Handel mit Sklaven und Elfenbein

Die Bronzen, die dem Humboldt-Forum und fünf anderen großen Museen wie ein Kloß im Hals stecken, sollen aus dem Weg geschafft, eine „Roadmap“ mit „Verfahren und Zeitplänen“ für ihre Rückführung durchgesetzt werden. So fordert es die baden-württembergische Kultusministerin Theresia Bauer, die auch gleich mit einem Alleingang ihres Landes droht, falls das Treffen bei der Kulturstaatsministerin nicht zum gewünschten Ergebnis führt.

Dabei ist die Ausgangslage alles andere als übersichtlich. Die Benin-Bronzen, Kriegsbeute aus einer britischen Strafaktion gegen das gleichnamige westafrikanische Königreich, werden von drei verschiedenen Akteuren mit divergierenden Interessen beansprucht. Der erste ist die Familie des Oba (Königs) Ewuare II., dessen Vorfahren seit dem zwölften Jahrhundert über einen Staat herrschten, der von 1500 an durch den Sklaven- und Elfenbeinhandel mit Portugiesen und Holländern zur größten Militärmacht der Region aufstieg. Der zweite ist der Staat Nigeria, dessen intellektuelle Elite die Messingfiguren und -reliefs aus Benin seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 als Inbegriff kultureller Identität und nationalen Stolzes betrachtet. Der dritte Akteur schließlich ist der Gouverneur des nigerianischen Bundesstaats Edo mit der Hauptstadt Benin-City, der durch die Heimholung der Bronzen den Tourismus in der Region ankurbeln will.

Ein regionales Gegengewicht zum Nationalmuseum

Hinter den Restitutionsforderungen stehen also ganz unterschiedliche Motive privater, ideologischer und ökonomischer Art. Um sie auszugleichen, wurde in Absprache mit den Beteiligten und der Benin Dialogue Group, die als Gesprächsforum zwischen den Nigerianern und den betroffenen europäischen Museen fungiert, eine unabhängige Stiftung gegründet. Dieser Legacy Restoration Trust soll die restituierten Bronzen übernehmen und an die Anspruchsparteien weiterleiten. Zugleich dient er als Dachorganisation für den Bau des Edo Museum of West Africa Art, das in den nächsten fünf Jahren nach einem Entwurf des Architekten David Adjaye in Benin-City entstehen soll.

Der Sinn dieser Konstruktion ist klar: Das neue Museum soll ein regionales Gegengewicht zum nigerianischen Nationalmuseum in Lagos schaffen, bevor die Stiftung mit der Verteilung der Bronzen beginnt. Schon deshalb wären überstürzte Rückgaben nicht im Interesse der Antragsteller: Sie würden das eigentumsrechtliche Problem, das sie in Deutschland lösen, nach Afrika exportieren.

Es ist also kompliziert. Aber die Politik hat es gern einfach, und die kulturpolitischen Sprecher von Grünen und Linken möchten es noch simpler haben. Sie drängen die Museumsverantwortlichen zum Handeln, um sich selbst mit dem Glorienschein der Wiedergutmachung historischen Unrechts schmücken zu können. Das wird nicht funktionieren, schon deshalb, weil das Unrecht hier auf so viele – und nicht nur europäische – Schultern verteilt ist. Die Benin-Bronzen waren militärische Trophäen. Jetzt sind sie kostbare, von Experten betreute Zeugnisse der Kulturgeschichte. Sie dürfen nicht zu Trophäen der Politik werden.

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