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#Wie viel Friedrich steckt in mir?

Wie viel Friedrich steckt in mir?

Als letztens einer dieser raren Tage war, an denen ich mich überhaupt noch ordentlich anzog und das Haus verließ, mich aufs Fahrrad setzte und ins Büro fuhr, hörte ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Podcast. Podcasts hatte ich bis dahin nicht gehört, da ich als Leiterin eines kleinen literarischen Verlags viel zu sehr damit beschäftigt war, das gute alte Buch zu protegieren. Bei dem Podcast jedenfalls wurde von einer bekannten britischen Autorin eine Short Story eines weltberühmten amerikanischen Autors vorgelesen und interpretiert. Es handelte sich um die Erzählung „New York Girl“ von John Updike, in der ein verheirateter Mann, der mit seiner Familie in den Suburbs lebt, eine Affäre mit einer alleinstehenden Frau anfängt, die in einem kleinen New Yorker Apartment lebt. Nachdem die Erzählung vorgelesen worden war, ging es um die Frage, ob sie sexistisch sei, schließlich wisse man inzwischen ja, dass Updike seine Frauenfiguren immer nur als Hausmütterchen oder als Sexualobjekte darstelle. Die Frage wurde von der großen britischen Autorin klar verneint, wobei sie auf Updikes einfühlsame Beschreibungen der New Yorkerin verwies.

Ich dachte, dass ich Updike immer noch für einen meisterhaften Erzähler hielt, und dann dachte ich, wie merkwürdig es war, dass er mich dazu brachte, Mitleid mit einem Mann zu haben, der mit seinem Eigenheim am Rande der Großstadt und seiner perfekten Kleinfamilie ein Leben führte, das gemeinhin als erstrebenswert galt und ihn trotzdem anödete. Es war merkwürdig, dass er als Opfer genau der Familienidylle dargestellt wurde, nach der sich seine New Yorker Geliebte sehnte.

Ist das die Serie, auf die wir gewartet haben?

Kurz darauf rief mich ein Freund an, der immer genau die Serien liebt, die ich ganz furchtbar finde, und erzählte mir von der neuen schwedischen Netflix-Serie „Kärlek & Anarki“ (dt. „Liebe und Anarchie“), durch die er nicht nur Schweden, sondern auch Greta, das Nobelpreiskomitee und noch vieles mehr verstanden hätte. Sofort legte ich meine Bücher beiseite und machte den Fernseher an. Als irgendwann mitten in der Nacht die letzte Folge abgespielt war, hatte ich zwar weder Schweden noch Greta besser verstanden, fühlte mich aber in meiner Funktion als Verlagsleiterin seltsam ertappt und wurde das Gefühl nicht los, dass die Serie womöglich genau das Produkt unserer Zeit war, auf das wir alle gewartet haben.

Es fängt damit an, dass wir bereits in Minute zwei der ersten Folge die Hauptdarstellerin beim Masturbieren beobachten. Sofie hat zuvor während des Frühstücks mit ihrem Ehemann Johan (der sich schon bald als ein großes Arschloch entpuppen wird) den Familienkalender synchronisiert (er hat eine Padel-Tennis-Verabredung), hat ihre Handtasche gepackt für den ersten Tag im neuen Job (sie ist Unternehmensberaterin), ist dann ins Badezimmer gegangen, hat ein Pornovideo auf ihrem Handy angemacht, sich Kopfhörer ins Ohr gesteckt und die Hose runtergezogen. Obwohl sie es nicht sein sollte, ist diese Szene schockierend. Sie ist schockierend in ihrer Alltäglichkeit, und sie ist schockierend, weil es niemals die Frauen sind, sondern nur die Männer, die sich mal eben schnell im Bad einschließen, und weil die Frauen, falls sie es trotz aller Unwahrscheinlichkeit doch tun, dabei ganz sicher nicht so unelegant aussehen.

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