Nachrichten

#„Wir gehen über dünnes Eis“

„Wir gehen über dünnes Eis“

Herr Ministerpräsident, seit gut einem Jahr hat das Virus die Welt im Griff. Würden Sie heute etwas anders machen als beim ersten Lockdown vor einem Jahr?

Carsten Germis

Reinhard Bingener

Reinhard Bingener

Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.

Der entscheidende Schwachpunkt lag vor Corona. Wir sind – nicht nur in Deutschland – schlecht vorbereitet gewesen auf eine Pandemie. Das darf uns, und das wird uns auch nie wieder passieren. Es gab 2012 schon entsprechende Hinweise an die Bundesregierung, was bei einer Pandemie drohen könnte. Ich weiß nicht, warum das damals nicht aufgegriffen worden ist. Aber ich bin sicher, dass wir diese Pandemie gründlich aufarbeiten werden.

Wie könnte eine solche Corona-Bilanz aussehen?

Im Niedersächsischen Landtag gibt es dafür bereits einen Sonderausschuss. Und auf der Bundesebene könnte es etwa zu einer Enquete-Kommission kommen, die Experten und Betroffene anhört und die Themen bündelt.

Wann werden wir das Virus mit den Impfungen zurückgedrängt haben?

Ich halte es für realistisch, dass wir das im späten Sommer erreichen. Wenn nahezu die gesamte Gesellschaft geimpft ist, dann haben wir diese Krise gemeistert. Damit ist zwar das Virus nicht aus der Welt, aber wir gewinnen die Kontrolle zurück. Und so wie wir uns einmal im Jahr gegen die Grippe impfen lassen sollen, so werden wir uns auch in Zukunft vermutlich jährlich gegen Corona impfen lassen.

Niedersachsen hat für Zweitimpfungen bisher sehr strikt Dosen zurückgehalten. Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass schon die Erstimpfung guten Schutz bietet. Wird in Deutschland genug über eine Änderung der Impfstrategie nachgedacht?

Wir hatten in den vergangene Wochen kein Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Impfstoff-Lieferungen. Moderna liefert immer noch nicht zuverlässig. Und bei den Hochbetagten, um die es bisher ging, wollten wir keinen reduzierten Schutz durch lediglich eine Impfung akzeptieren. Das ändert sich gerade sehr grundlegend: Pfizer/Biontech liefert inzwischen zuverlässig. Niedersachsen legt daher inzwischen deutlich weniger Impfstoff zurück. Und ich bin auch offen dafür, bei den weniger gefährdeten Personen vom bisherigen Impfschema abzuweichen und zunächst so vielen Menschen wie möglich die Erstimpfung zu verabreichen.

Die Menge der gelieferten Impfstoffe steigt. Sind wir auf eine rasche Impfung von Millionen Bürgern ausreichend vorbereitet?

Ich denke ja, wir können die Kapazitäten der Impfzentren aufstocken und den ganz großen Durchbruch werden wir erzielen, wenn der Impfstoff über die vielen tausend Arztpraxen verabreicht werden kann. Ich hoffe, wir werden bald soweit sein.

Glauben Sie, dass sich das gegenwärtig geplante Vorgehen dann noch halten lässt? Viele, die sich mit dieser Bürokratie näher befassen, sagen: Sobald der Impfstoff in die Arztpraxen gelangt, fällt auch die bisherige Priorisierung.

Wir sind jetzt in einer Übergangsphase. In der zweiten Prioritätsgruppe setzen wir in Niedersachsen insbesondere auch auf spezialisierte Arztpraxen, wie etwa Dialysepraxen. Und die Ärzte sollen möglichst nach eigener Einschätzung entscheiden, wer priorisiert geimpft werden kann. Eine zentrale Prüfung entfällt.

Die nächste Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin steht in wenigen Tagen an. Dürfen sich Einzelhandel und Gastronomie auf Lockerungen freuen?

Öffnungen werden natürlich ein wichtiges, aber auch schwieriges Thema sein. Beim Rückgang der Inzidenzzahlen sind wir nicht so weit gekommen wie erhofft. Im Gegenteil: Wir erleben eher eine leichte Rückwärts- oder Seitwärtsbewegung. Bei den Virusmutanten haben wir es offenbar mit einem neuen, aggressiveren Gegner zu tun. Immerhin ist es uns aber gelungen, den Deckel auf dem Topf zu halten.

Viele Hoteliers sagen, mit Hygienekonzepten sei eine Öffnung zu Ostern vertretbar. Was sagen Sie denen?

Es stimmt, Gastronomie und Einzelhandel haben sehr große Anstrengungen bei Hygienekonzepten und Infektionsvorbeugung unternommen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass wir in 75 bis 80 Prozent der Corona-Fälle nicht wissen, wo genau die Infektionen stattgefunden haben. Viele Bereiche können so vermeintlich für sich in Anspruch nehmen, dass sie nicht zu den Treibern der Infektionen zählen. Noch können wir nicht sicher sagen, wie die Situation über Ostern sein wird und ich will auch niemandem den Mut nehmen. Derzeit gehen wir allerdings immer noch über dünnes Eis, das muss man ganz nüchtern sehen.

Es gibt also keine Öffnungsperspektive?

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!