#Wirtschaftsforscher halten neues Wirtschaftswunder für „Illusion“
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Die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben im Rahmen ihrer Frühjahrsprognose die Politik der Bundesregierung mit ungewöhnlich deutlichen Worten kritisiert. Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Jahresbeginn ausgerufene „transformative Angebotspolitik“ werde nicht zu mehr Wachstum führen, sagte Stefan Kooths, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, am Mittwoch in Berlin. Die Produktionskapazitäten würden umgebaut, aber nicht ausgebaut. „Die Vorstellung, wir bekommen die Dekarbonisierung und ein Wachstumswunder obendrauf, ist eine Illusion.“ Stattdessen würden wegen des Arbeitskräftemangels die Verteilungskonflikte zunehmen.
Sowohl Habeck als auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten in den vergangenen Wochen Zuversicht verbreitet, dass der Umbau der deutschen Wirtschaft hin zur CO2-Neutralität nicht nur dem Klima nutzt, sondern auch den Wohlstand erhöht. Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz werde es Wachstumsraten wie einst in den 1950er- und 1960er-Jahren geben, prophezeite Scholz. Von einem neuen „Wirtschaftswunder“ war die Rede.
In besagten Jahren wuchs das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland jährlich im Schnitt um rund 8 Prozent. Für den Zeitraum bis 2027 rechnen die Ökonomen in ihrem Gutachten dagegen nur mit einem durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent. „Die Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft gleichen einer Pferdekutsche, bei der die Zahl der Zugtiere sinkt und das Kraftfutter verringert wird, aber mehr Passagiere mitfahren sollen“, sagte Kooths. Deshalb müsse dringend Ballast abgeworfen werden.
Die Inflation soll auf 6 Prozent sinken
Auf das laufende Jahr schauen die fünf Institute optimistischer als noch im Herbst. Damals hatten sie für 2023 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,4 Prozent erwartet, nun halten sie einen Anstieg um 0,3 Prozent für realistisch. Wegen der sinkenden Energiepreise gehe nicht ganz so viel Kaufkraft verloren wie befürchtet. Die Inflationsrate werde aber nur langsam zurückgehen, von 6,9 Prozent im vergangenen auf 6,0 Prozent in diesem Jahr. Erst im kommenden Jahr lässt laut der Prognose der Inflationsdruck nach, für 2024 rechnen die Institute mit einem Preisanstieg um 2,4 Prozent.
Das Bruttoinlandsprodukt steigt im kommenden Jahr laut der Gemeinschaftsdiagnose um 1,5 Prozent. Der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung berät, erwartet für 2023 ein Wachstum von 0,2 Prozent und für 2024 einen Zuwachs von 1,3 Prozent. Die Ende Januar veröffentlichte Prognose der Bundesregierung lautet ebenfalls 0,2 Prozent für dieses Jahr. Für das nächste ist sie mit 1,8 Prozent optimistischer.
Die aktuell so hitzig diskutierte Reform des Gebäudeenergiegesetzes, wonach von Anfang 2024 an neu eingebaute Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollen, sehen die Ökonomen kritisch. Weder die Geräte noch die Handwerker stünden so schnell zur Verfügung, sagte Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef am Münchner Ifo-Institut. „Das wird vermutlich wieder in die Preise gehen.“
Auch von nach Einkommen oder Alter der Heizung gestaffelten Fördermitteln halten die Ökonomen wenig. Zielgenauer sei es, über den CO2-Preis zu gehen. „Dann werden die Heizungen ausgetauscht, die am meisten Dreck verursachen“, sagte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle.
Wenig Gutes für die Wirtschaftspolitik übrig
Auch sonst ließen die Ökonomen wenig Gutes am wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung. Es sei wenig sinnvoll, die hohen Energiepreise durch Subventionen günstiger zu machen. Die Unternehmen müssten effizienter, die Standortbedingungen besser werden. Es werde aber nicht jeder Arbeitsplatz in energieintensiven Bereichen wie der Düngerherstellung erhalten bleiben können.
Auch das Geld für die Ansiedlung von Chipherstellern wie Intel sollte sich die Bundesregierung nach Ansicht der Institute besser sparen, vielmehr in Bildung und eine bessere Infrastruktur investieren. „Versorgungssicherheit mit Chips kann man auch durch Diversifizierung erreichen“, sagte Kooths. Die Unternehmen würden in der Regel nur so lange bleiben, wie die Subventionen fließen, dann zögen sie weiter.
Sorgen bereitet den Ökonomen der Immobilienmarkt in Deutschland. Wenn wegen der gestiegenen Zinsen manche Hauskäufer ihre Kredite nicht mehr bedienen könnten, könnten Banken in Schwierigkeiten geraten, warnte Torsten Schmidt vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung aus Essen. Dieses Problem sei in der öffentlichen Debatte noch „unterbelichtet“.
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